Kapitel 44

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Weinend saß ich im Auto. Ich griff nach meinem Handy und versuchte Alex zu erreichen.

"AURA! Meine süße Maus. Was verschafft mir die Ehre, dass du mich zu solch einer frühen Stunde schon anrufst?", fragte Alex verschlafen ins Telefon.

Ich bekam kein Wort heraus, sondern schluchzte nur unverständliche Wörter ins Telefon.

"Hey! Was ist denn los?", fragte Alex sofort panisch, "Aura, wo bist du? Los rede mit mir."

"Weg... Zuhause", brachte ich zwischen markerschütternden Schluchzern zustande.

"Auf dem Weg zu welchem Zuhause? Das von Luca und dir? Oder das von Luca?"

"Nein", bei Lucas Namen musste ich noch stärker weinen. Es fiel mir schwer mich auf die Straße zu konzentrieren, mit diesem verschleierten Blick. Der Tränenschleier machte es fast unmöglich richtig zu fahren.

"Bist du auf dem Weg zum Haus deiner Familie? Hier her? Zu mir?"

"JA!"

Ich hörte eine verschlafene Stimme im Hintergrund etwas sagen.

"Das ist Aura. Irgendetwas ist passiert. Sie ist fürchterlich am Weinen und kann nicht richtig sprechen. Sie kommt jetzt hier her", flüsterte Alex.

"Aurora?", hörte ich die Stimme meines kleinen Bruders, "Was ist denn passiert?"

"Luca ... wollte nicht. Er will ... mich ... nicht!", schniefte ich ins Telefon. Gerade fuhr ich auf den Hof meiner Familie. Ich stieg ohne auf irgendwen zu achten aus meinem Wagen und rannte einfach ins Haus. Zielstrebig steuerte ich das Zimmer meines kleinen Bruders an. Alex müsste hier sein. Nur nebenbei bekam ich mit, dass Edo mich gesehen hatte und mir hinterher lief. Immer wieder rief er mich, aber ich wollte einfach nur zu Alexs. Er hatte mich schon so oft aus meiner Trauer befreien können.

Alex stand sofort vor mir uns schloss mich in eine feste Umarmung, als ich das Zimmer betrat. Weinend drückte ich mich an seine Brust und heulte gerade sein gesamtes T-shirt voll. 

Erst nach fast einer Stunde hatte ich mich einigermaßen beruhigt. Zwischen Alex und Matteo lag ich eingekuschelt im Bett. Eine Schar von Taschentüchern lag über der gesamten Decke verteilt. Edo und Diego saßen neben dem Bett. Diego auf dem Boden, während Edo sich einen Stuhl geholt hatte, auf dem er jetzt, wie das Familienoberhaupt, das er war, thronte.

"Was ist denn passiert? Warum bist du so traurig?", fragte Alex vorsichtig. Er hatte Angst, das ich jede Sekunde wieder mit dem Weinen anfangen könnte. Aber ich hatte keine Tränen mehr übrig. Mein Körper war ausgetrocknet.

Ganz langsam fing ich an zu erzählen. Davon das ich Raphael war, das Luca aber dachte, dass ich bloß für Raphael arbeiten würde, wie er mir die Nase gebrochen hatte und über das gesamte Gespräch danach.

"Wir wollten wirklich nur, dass du in Sicherheit bist. Wir wussten, er liebt dich und du ihn. Wir dachten, dass wäre doch eine gute Idee", erklärte Matteo bedrückt. 

"Wir konnten ja nicht ahnen, dass er so dagegen ist", murmelte Diego etwas leiser noch hinterher.

"Ernsthaft? Er hat zwei Mal deinen Kopf auf einen Metalltisch geschmettert?!", fragte Alex.

"Was denkst du warum ich diesen fürchterlichen Verband trage?", fragte ich nasal.

"Das meine ich nicht. Hätte jemand dich in meiner Gegenwart bedroht, hätte ich dich sofort erschossen, dafür hätte ich mir dein Gesicht nicht einmal angesehen", meinte Alex Schulter zuckend.

"Dann hatte ich wohl Glück, dass mein Ehemann mir bloß die Nase gebrochen hat", flüsterte ich, "Ich gehe ins Bett."

Abwesend sammelte ich alle Taschentücher ein, schmiss sie weg und lief dann in mein Zimmer. Ich ließ mich einfach ins Bett fallen und schloss die Augen. Ich war seit mehr als 24 Stunden auf den Beinen, hatte den Streit mit Luca und eine gebrochene Nase. Für mich war es einfach zu viel und so viel ich ziemlich schnell in einen traumlosen Schlafe.

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Alex p.o.v.

Es brach mir das Herz, von dem ich manchmal nicht einmal wusste, ob es noch existierte, meine beste Freundin so gebrochen zu sehen. Ich hatte Luca gewarnt, als er sich geheiratet hatte, das hatte er jetzt davon.

"Wo willst du hin?", fragte Matteo liebevoll. Ein sanftes Lächeln umspielte meine Lippen. Schnell drückte ich ihm einen Kuss auf die Lippen.

"Muss noch was erledigen, wir sehen uns später."

Sobald ich den Raum verlassen hatte, verschwand das lächeln von meinen Lippen und der für mich eigentlich gewohnte eiskalte Gesichtsausdruck breitete sich aus. 

Auroras Auto stand immer noch mit offenere Fahrertür und dem Schlüssel steckend in der Einfahrt. Sie würde es heute wohl nicht mehr brauchen. Schnell stieg ich ein und fuhr wieder zurück in die Innenstadt.

Ohne Rücksicht auf Verluste nahm ich Auras Schlüssel und verschaffte mir Zugang zu der Wohnung von ihr und Luca. Dieser saß im Wohnzimmer in einem Ohrensessel und tippte hektisch auf seinem Laptop herum. Als er mich sah, legte er sofort eben diesen zur Seite und stand auf.

"Ich habe dich gewarnt", knurrte ich wütend, noch bevor er irgendetwas sagen konnte. Ich holte aus und schlug ihm mit der geballten Faust, so hart wie nur möglich ins Gesicht. Zufrieden hörte ich das knackende Geräusch, als seine Nase genauso brach, wie die von Aurora. Luca versuchte sich zu wehren, aber ich sah nur noch rot. Ich prügelte auf alles ein, dass ich treffen konnte. Nach einer ganzen Weile beruhigte ich mich etwas und schubste Luca zurück in seinen Ohrensessel. Sein Gesicht sah fürchterlich aus, ich betrachtete es mit einem selbstgefälligen Lächeln. 

"Ich hatte dich gewarnt, wenn du ihr weh tust, dann würde ich dir noch viel schlimmer weh tun. Das hier war erst der Anfang. Du wirst dir noch wünschen, du wärst nie geboren worden!", sagte ich ganz leise und ganz ruhig.

Wütend drehte ich mich um und wollte die Wohnung schon verlassen, da hörte ich ihn hinter mir anfangen zu reden.

"Aurora hatte recht", flüsterte Luca. Als ich mich umdrehte, konnte ich sehen, wie er ungläubig mit einem Grinsen auf den Lippen, den Kopf schüttelte.

"Aurora hat immer recht", antwortete ich monoton.

"Sie hat mich gewarnt. Mir gesagt, ich sollte dich nicht unterschätzen, dass du noch viel gefährlicher, als irgendeiner von uns, wärst", sagte er und sah mir dabei tief in die Augen, "Aber ich hatte auch recht. Sie ist dein wunder Punkt. Für Ava würdest du nicht so reagieren. Aber für deine geliebte "Aura" schon."

"Immerhin behandelt sie einer von uns beiden, so wie sie es wirklich verdient", entgegnete ich bloß.

Beim Rausgehen sah ich mein Gesicht im Spiegel. Und ich sah leider Gottes genauso schlimm wie Luca aus. Mein linkes Auge fing schon an anzuschwellen, meine Unterlippe war aufgeplatzt und ein stechender Schmerz in meiner rechten Rippengegend machte sich bemerkbar. Luca war kein schlechter Kämpfer, das musste man ihm leider lassen.


I will fear no evilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt