Kapitel 2

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Ich hatte am Abend Lorenzo mitsamt seinem Abendessen für mich wieder rausgeschmissen. Aber es war mittlerweile Morgen und ich war wirklich hungrig. Also musste ich mich wohl oder übel dazu überwinden runter zu gehen, um zu frühstücken.

Mit hoch erhobenem Kopf betrat ich das Esszimmer. Es saßen wieder die selben Männer, wie vom Vorabend am Tisch. Mein Platz war frei geblieben, aber gedeckt. Lorenzo kannte mich zu gut.

"Guten Morgen, Aurora. Ich hoffe du hast gut geschlafen!", versuchte Lorenzo die eisige Stille aufzulösen.

"Wie man eben als Gefangene schläft. Gibt es hier irgendwo eine Kirche? Ich würde gerne beten, wenn ich schon nicht mit meiner Familie die Messe besuchen kann", antwortete ich monoton und aß ein bisschen von meinem Obstsalat.

"Natürlich, tut mir leid. Wie konnte ich das nur vergessen. Luca wird dich später in unsere kleine Kapelle bringen." Lorenzo zeigte auf den stillen, dunkelhäutigen Typen, der mich am gestrigen Abend schon mit Blicken durchbohrt hatte. Auch jetzt war es nicht anders.

"Im übrigen wollte Marco dir noch etwas sagen!", sagte Lorenzo, sah dabei aber auffordernd seinen Sohn an. Dieser sah mehr aus, als würde er Zitronen essen, atmete dann aber doch einmal tief aus und sah mich an. Ich zog die rechte Augenbraue nach oben und sah ihn herausfordernd an.

"Es tut mir sehr leid, was ich gestern gesagt habe, war nicht in Ordnung. Ich weiß du bist unsere Gefangene, aber ich sehe dich einfach lieber als unseren Gast. Wir waren uns doch früher so nahe!"

Ich sah ihn ausdruckslos an.

"Bis zu Micheles Tod", meinte ich gelassen.

"Wieso musst du immer wieder damit anfangen?! Es war nicht einfach für uns!", brüllte Marco mich jetzt an

"Denkst du für uns? Er war mein bester Freund. Wir waren wie Zwillinge er war nur eine Woche älter als ich! Mein Vater war sein Patenonkel, so wie Lorenzo meiner! Und trotzdem habt ihr behauptet wir hätten ihn getötet!", brüllte ich zurück.

"Kinder, wir klären das später!", unterbrach Lorenzo uns unwirsch, "Nicht vor all unseren anderen Gästen!"

Der Mann, der sich gestern nicht hatte zurückhalten können, tuschelte auch jetzt. Anscheinend wusste er nie wann er aufhören sollte. Vor allen Dingen nicht, da es jetzt komplett still war und ich ganz genau hörte was er sagte. Dieser Idiot er saß verflucht noch mal neben mir!

"Also ich würde mir das ja nicht von einem Mädchen gefallen lassen! Egal wessen Tochter sie ist. Eine Schlampe sollte ihren Platz kennen!"

Mit weit aufgerissenen Augen sahen Lorenzo und Marco mich an, als ich mit einem Lächeln auf meinem Gesicht meine Serviette ordentlich faltete und auf den Tisch legte und danach aufstand. Ich stellte mich hinter meinen Stuhl und legte meine Hände rechts und links an die Lehne. Ich sah den Mann nicht an, als ich mit immer noch einem Lächeln fragte: "Wie bitte?"

"Ich sagte, dass ich mir das nicht von einer kleinen Schlampe gefallen lassen würde, egal wessen Tochter sie ist!", antwortete der Mann siegessicher grinsend und stand dabei auf. Das war der Moment in dem ich den Stuhl fester packte und einmal mit ihm ausholte. Die Stuhlbeine trafen den Mann genau am Kopf, woraufhin er stöhnend auf den Boden knallte.

"Ich hoffe wir hätten jetzt geklärt, das ich nicht gut auf Beleidigungen reagiere! Und hätte ich eine Waffe, hättest du jetzt eine Kugel in jeder Schulter und eine in deinem winzigen Schwanz!", sagte ich zuckersüß zu dem sich am Boden krümmenden Wurm von einem Mann.

Mein Stuhl war bei der Aktion leider kaputt gegangen wodurch ich mir einfach den Stuhl vom Wurm nahm, aber natürlich erst nachdem ich meinen eigenen Stuhl auf ihn fallen gelassen hatte. Als ich wieder normal saß und weiter aß, starrten mich alle an.

"Lorenzo, ich muss schon sagen, du hast sehr interessante Mitglieder. Der eine entführt zu viel, der andere redet zu viel. Und anscheinend wissen hier zwar alle wessen Tochter ich bin, aber kommen nicht mal auf die Idee, das ich besser ausgebildet wurde, als meine Brüder."

Das Frühstück verlief schweigend und ohne weitere Vorfälle. Danach lief ich zielstrebig auf Luca zu und reichte ihm meine Hand.

"Aurora Fontana", stellte ich mich vor, "Ich denke du solltest mir den Weg zur Kapelle zeigen."

"Luca Santoro", antwortete er mit einer tiefen, aber melodischen Stimme.

"Santoro, wie Frederico Santoro? Platz vier?"

"Mein Onkel. Ich bin hier zum Lernen und um Verbindungen zu knüpfen. Dein Vater lässt nicht so gerne jemanden bei sich rein schauen, also musste es zur Nummer zwei gehen."

"Wir sind eine Familie. Wir nehmen niemanden auf. Wir machen keine Adoptionen von anderen intakten Familien könnte man sagen."

"So ähnlich hat dein Vater das auch ausgedrückt", antwortete Luca mit einem Grinsen im Gesicht, "Komm mit ich zeig dir die Kapelle."

Ich nickte und folgte ihm. Die Kapelle war wunderschön. Ganz klein und süß. Es hätten maximal zehn Leute darin Platz. Ich ging ganz nach vorne machte einen Knicks vor dem Altar und kniete mich dann in die Bank. Luca folgte mir und kniete sich in die Reihe hinter mich.

Ich neigte den Kopf und blendete alles andere aus. Jetzt zählte nur mein Beten und meine Verbindung zu Gott. Normalerweise fühlte ich mich immer besser nachdem ich gebetet hatte, aber heute nicht. Ich wusste nicht ob es daran lag, dass ich eine Gefangene war, dass meine Familie sich wahrscheinlich gerade sorgen machte oder dass dieser Fremde mich auf Schritt und Tritt verfolgte und sogar mit mir betete. Denn nein, er war nicht einfach verschwunden nachdem er mir die Kapelle gezeigt hatte. Er war mir danach auch immer noch gefolgt.

Wir liefen gerade wieder gemeinsam in Lorenzos Arbeitszimmer. Er wollte noch einmal mit mir über das weitere Vorgehen reden. Luca war dabei, damit er "lernte". Wahrscheinlich aus Fehlern.

Gerade wollte Lorenzo anfangen zu reden, da stürmte einer seiner Handlanger herein. Lorenzo wollte ihm gerade eine Standpauke dafür erteilen, nicht einfach ohne zu klopfen ins Zimmer zu kommen, als es alles aus dem Mann heraussprudelte.

"Die ganze Familie Fontana war heute nicht in der Kirche. Auch niemand aus ihrer Gang. Sie waren alle nicht da. Die Rede ist schon von Krieg, weil "irgendwer" die Tochter vom Boss entführt hat!", plapperte er aufgeregt los.

Ich hatte Lorenzo noch nie so bleich gesehen, wie in diesem Moment.

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Jake Gyllenhaal als Marco Moretti

I will fear no evilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt