Kapitel 19

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Der Fahrer hatte sein Schild vergessen und rief deswegen irgendwann unsere Namen.

Komplett fertig saßen Alex, Ava und ich auf der Rückbank einer Limousine. Mein Vater hatte es sich nicht nehmen lassen, ein bisschen vor unseren Gästen zu protzen, aber waren wir ehrlich. Alex und Ava waren diese Behandlung gewohnt. Sie hatten genauso viel Geld, wie meine Familie.

"Aura, wir müssen dir noch was sagen", fing Ava vorsichtig an. Angespannt spielte sie mit den Ärmeln ihres Oberteils.

"Ach um Gottes Willen!", knurrte Alex und verdrehte die Augen, "In solchen Momenten musst du natürlich immer wieder die schüchterne 13 jährige spielen. Aura, dein Vater gibt morgen Abend ein Bankett zur Feier deiner Rückkehr. Er hat alle wichtigen Drogenkartelle eingeladen. Dazu zählt auch das von Luca. Er wird also wahrscheinlich dort sein."

Ernst sah Alex mich an. Ich nickte nur.

"Alles ok bei dir, Aura?", fragte Ava zaghaft nach.

"Ava, es ist acht Jahre her. Er wird kaum auf mich gewartet haben, damit er jetzt noch einmal Salz in die Wunde streuen kann, dass er mich damals verarschen konnte. Ich bin darüber hinweg und es wäre nett, wenn ihr aufhören würdet, so zu tun, als wäre ich immer noch 21 und gerade mit einem gebrochenen Herzen in den USA gelandet. Wir sind alle erwachsen geworden. Alex und ich werden bald Ärzte sein und du wirst an der Uni deine Professur machen. Ich werde mich jetzt nicht mit einem Mann aus meiner Vergangenheit befassen. Ich wette mit euch, er ist verheiratet und ein eiskaltes Arschloch und so etwas will ich auf gar keinen Fall in meinem Leben!", versuchte ich den Zwillingen zu versichern. Ava schien mit meiner Antwort zufrieden gestellt zu sein, aber Alex konnte ich ansehen, dass er mit nicht abkaufte, was ich soeben gesagt hatte. Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht einmal, ob ich mir selbst glaubte, was ich gerade so von mir gegeben hatte.


Endlich kamen wir an meinem ehemaligem Zuhause an. Ich sprang sofort aus dem Auto und ignorierte meine Freunde. Meine Brüder und mein Vater standen schon vor dem Haus. Übermutig flog ich als erstes meinem Vater um den Hals.

"Ich habe dich so vermisst!", schluchzte ich an den Hals meines Vaters vor Freude.

"Wir haben dich auch vermisst, meine Kleine!", flüsterte mein Vater sanft in mein Ohr. Ich wusste, er musste sich gerade verkneifen nicht auch loszuweinen. Aber so etwas konnte er sich als eiskalter Drogenboss nicht leisten. Zumindest laut seinen eigenen Regeln.

Immer noch mit Freudentränen, die über meine Wangen strömten, umarmte ich jetzt auch meine drei Brüder, die so erwachsen geworden waren, in einer warmen Gruppenumarmung. Vor allen Dingen mein kleiner Matteo war ein stattlicher Mann geworden. Ich hatte so viel verpasst in diesen acht Jahren.

"Es ist so schön dich endlich wieder bei uns Zuhause zu haben. Und jetzt wirst du erst einmal hier bleiben", lachte Diego und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

Immer noch breit Grinsend löste ich mich aus der Umarmung und drehte mich Alex und Ava um.

"Darf euch vorstellen. Familie, das sind Ava und Alex Davis. Zwillinge, das sind meine Brüder Edo, Diego und Matteo und mein Vater Lorenzo."

"Es ist so schön euch bei uns zu haben. Wir sind euch so unglaublich dankbar, für das was ihr für unsere Aurora und damit auch für uns, ihre Familie getan habt. Wir stehen tief in eurer Schuld", sagte Edo dankbar lächelnd.

"Ich denke dafür ist eine Familie da. Aura ist unsere Schwester und für unsere Familie tun wir alles, denn die Familie ist das höchste Gut!", antwortete Alex mit einem feinen Lächeln auf den Lippen.

Ich wusste was er hier tat. Er versuchte meinen Bruder einzulullen, um einen Geschäftspartner für sein Kartell von Übersee zu haben, aber da kannte er meine Familie noch zu wenig. Edo würde ihn in einer Sekunde durchschauen. Und jetzt würde Alex es schwerer haben, denn Edo mixte nicht Familie und Geschäft. Zumindest nicht so.

"Lasst uns rein gehen. Ava, Alex und ich hatten eine anstrengende Reise und würden echt gerne einfach nur schlafen gehen", sagte ich und schob alle ins Haus hinein.

Ich war wirklich müde und wollte einfach nur schnell duschen und dann schlafen.

Ava war ohne Dusche einfach nur ins Bett gefallen. Ich war mir nicht mal sicher, ob sie sich die Mühe gemacht hatte ihre Schuhe auszuziehen. Frisch geduscht lief ich nur mit einem Handtuch um meinen Körper gewickelt in mein Zimmer zurück. Auf dem Bett lag Alex. Er trug nur noch Boxershorts und laß mal wieder in seiner Zeitung.

"Da bist du ja endlich", meinte er entnervt und faltete seine Zeitung.

"Wenn mein Vater oder meine Brüder dich hier erwischen, bekommen wir wirklich Probleme!", kicherte ich.

"Süße, ich bin schwul und wir sind beide 29. Ich denke das ist alt genug, um ein Bett zu teilen. Außerdem weißt du ganz genau, ich kann in ungewohnten Umgebungen nicht alleine schlafen. Und Ava lag quer im Bett, da hatte ich keinen Platz mehr", meinte Alex Augen verdrehend.

Ich streckte ihm die Zunge heraus und zog mir schnell frische Unterwäsche und ein Schafshirt an.

"Ich hoffe wirklich das mein Vater dich erwischt und dir erst einmal die Eier weg schießt", grinste ich diabolisch, als ich mich an Alex kuschelte. Wir hatten schon sehr, sehr oft im selben Bett geschlafen. Es half uns beiden. Ich hatte weniger Schlafstörungen und er weniger Alpträume.

Unsere Arbeit hatte bei uns beiden Schäden hinterlassen. Tiefe innere Narben, die niemand jemals wieder komplett reparieren konnte, also halfen wir uns gegenseitig, wenn es schon niemand anderes tat.

"Deine Familie ist wirklich nett", flüsterte Alex in die Dunkelheit hinein.

"Ja, aber sie haben sich verändert. Ich weiß nicht, ob ich meinen Patz hier wieder finde. Vielleicht werde ich doch wieder zurück nach Amerika gehen, um dort Ärztin zu werden. Dort habe ich meine Wohnung, mein Auto, meine Freunde."

"Ja, aber hier hast du deine leibliche Familie und du hast uns. Lass dich nicht direkt abschrecken. Du findest deinen Weg auch hier wieder", meinte Alex schläfrig, "Du weißt doch, was wir immer sagen?"

"I will fear no evil", antwortete ich wissend. Dieser Psalm hatte uns durch so viele Situationen gehoffen, dass ich gar nicht mehr wusste, wie oft ich es schon vor mich hin gemurmelt hatte.

I will fear no evilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt