Kapitel 54

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Als ich wieder wach wurde, kam nur langsam meine scharfe Sicht zurück. Alles war verschwommen, aber trotzdem konnte ich erkennen, dass ich nicht mehr in meinem Kellerzimmer war. 

"Ah Sie sind wach", hörte ich den Arzt sprechen, "Ich werde gleich mit dem Herrn des Hauses reden. Aber vorher sind Sie dran."

Ich wollte antworten, aber mein Gesicht fühlte sich durch die Betäubung noch komplett gefühllos an.

"Die OP ist gut verlaufen. Sie haben Glück gehabt, dass Miss Davis nicht so feste zugeschlagen hat. Dadurch werden Sie bald schon wieder sprechen können und die Haut, um Ihre Augen herum, ist nicht zu sehr angeschwollen, wodurch Sie noch sehen können. Ich werde jetzt nach dem Herrn schicken."

Der Arzt drehte sich von mir weg. An der Tür stand schon ein Wachposten, der nur darauf gewartet hatte, endlich den Raum verlassen zu können, um Michele zu holen.

"In der Zeit des Wartens einige Infos für Sie", meinte der Arzt und begann zu erklären.

*

"Anima mia! Ich habe mir wirklich große Sorgen um dich gemacht, aber ich habe gehört, es sei alles gut gegangen."

Ich konnte nur Nicken.

"Bald wirst du wieder sprechen können. Es wird alles gut werden. Mach dir keine Sorgen. Ich habe leider einen wichtigen Termin. Emilio wird dich in dein Zimmer bringen. Zu deiner eigenen Sicherheit wird er jetzt fast Rund um die Uhr bei dir sein und dein Zimmer liegt jetzt neben meinem Arbeitszimmer."

"Ava", versuchte ich herauszupressen, aber es klang mehr wie ein "mwm".

"Ava?", fragte Michele verwirrt nach.

Hektisch nickte ich, was aber nur zu einem kurzzeitigen Schwindelanfall führte.

"Um sie musst du dir keine Sorgen mehr machen. Sie wird dir nichts mehr tun. Aber bevor du dir sorgen machst, sie lebt noch. Die Entscheidung, was mit ihr passiert steht nicht mir, sondern dir zu."

Erleichtert nickte ich sanft. 

Emilio half mir hoch. Der Arzt oder irgendjemand anderes musste mich wohl umgezogen aber, denn ich trug nicht mehr meine Anziehsachen. Die beige Hose, war durch graue Sweatpants und die rosa Bluse, durch ein weißes, weites T-Shirt ersetzt worden.

"Lass uns gehen", meinte Emilio. Von ihm gestützt und immer noch ein bisschen neben mir stehend von der Betäubung ließ ich mich in den ersten Stock führen. Anscheinend war mein Zimmer genau zwischen Michele eigenem Schlafzimmer und seinem Arbeitszimmer. 

Es war ein schönes Zimmer und erinnerte überhaupt nicht an meine Zelle. Ich hatte ein großes Bett, einen kleinen Schreibtisch und ein eigenes Badezimmer. Außerdem hatte ich aus dem Fenster, auch wenn es vergittert war, eine perfekte Sicht auf den Rosengarten. Wenn ich das Fenster öffnete strömte der wundervolle Duft der Blumen in mein Zimmer. Es fühlte sich so an, als ob ich schon fast wieder frei war. Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob das nicht die Medikamente waren, die aus mir sprachen.

Emilio führte mich zum Bett, in dem ich auch fast automatisch wieder einschlief, als mein Kopf das Kissen berührte.

*

Als ich wieder wach wurde, war es draußen schon wieder dunkel. Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte, welcher Tag heute war, noch ob es Morgen oder Abend war. Neben dem Bett leuchtete eine Uhr auf und verriet mir, dass es fünf Uhr morgens war. 

Noch leicht verschlafen machte ich mich auf meinen Weg ins Badezimmer. Ich Schock beinahe vor meinem eigenen Spiegelbild zurück. Meine Augen waren geschlossen und blau lila. Meine linke Wange war geschwollen und aufgeplatzt, genau wie meine Unterlippe. Mein Kiefer war mit einem Verband um meinen Hinterkopf verbunden. 

Entsetzt über mein eigenes Aussehen entfernte ich meinen Verband und stieg unter die warme Dusche.

Nachdem ich fertig war legte ich einen neuen Verband an. Unschlüssig was ich jetzt tun sollte stand ich mitten im großen Zimmer. Ich wusste nicht, ob ich mein neues Gefängnis verlassen durfte oder ob ich mich auch hier nicht aus dem Raum bewegen durfte und auch nicht konnte.

Um auf Nummer Sicher zu gehen, blieb ich lieber in meinem Zimmer und beobachtete wie über dem Rosengarten die Sonne aufging und Die Welt in einem warmen orange rot erstrahlen ließ. In diesem einen kurzen Moment fühlte ich mich so sicher und geborgen. Es erinnerte mich an mein erstes Date mit Luca. Daran wir glücklich ich damals mit ihm gewesen war. Als hätte alles keine Rolle gespielt. Nicht unsere Familien, nicht meine Zukunft und auch nicht die Entführung, die zu all dem geführt hatte.

Aber da fielen mir die rosa Rosen auf, die ausschließlich im Garten wuchsen, die meine kleine heile Illusion der Zweisamkeit mit Luca zerstörten. Traurig wand ich meinen Blick ab. 

Ohne das ich es bemerkt hatte, war Emilio zu mir ins Zimmer getreten.

"Gut das du schon wach bist, Michele möchte mit dir frühstücken", meinte er entschuldigend. 

Meine noch feuchten Haare klebten mir auf der pastellfarbenen Bluse. Pastelltöne, die einzigen Farben, in denen Michele mich anscheinend sehen wollte. Genau wie die Rosen, zart, sanft und zu beschützen. So sah er mich wohl noch immer. Und momentan stimmte das auch. Ich musste beschützt werden, vor Ava, aber auch vor ihm selbst.

Langsam folgte ich Emilio in einen großen Speisesaal. Michele erwartete uns bereits. Als wäre es das normalste der Welt küsste Michele mich auf die Stirn und führte mich an einen Platz an der Stirnseite des Tisches. Er nahm mir gegenüber platz.

"Wie geht es dir heute, anima mia? Besser?", fragte Michele interessiert nach.

Ich nickte nur, da ich meiner Stimme noch nicht ganz traute. Die Verbände hielten mich auch ein wenig davon ab, wirklich den Mund bewegen zu können. Mir war klar, dass mein Gesicht noch viel mehr anschwellen würde und sich alles erst verschlimmern würde, bevor es wirklich besser werden konnte.

"Hast du gut geschlafen?", wieder sah er mich erwartungsvoll an. Und wieder konnte ich nur nicken.

"Ich habe die eine Suppe machen lassen. Der Arzt hat mir gesagt, dass du noch nicht kauen kannst. Ich hoffe das ist in Ordnung. Ich wusste nicht genau, was ich dir sonst geben könnte, vielleicht einen Smoothie, wenn du möchtest."

Gerne hätte ich mich bei ihm bedankt, aber es kam nur ein schmerzhaftes "Amke" über die Lippen.

"Ich hätte es nie so weit kommen lassen dürfen", seufzte Michele Kopf schüttelnd.

I will fear no evilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt