Kapitel 59

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Wir hatten nicht geschlafen, einfach nur nebeneinander gelegen und uns gegenseitig festgehalten. Abends waren wir aufgestanden.

Luca stand in der Küche und kochte gerade für uns, während ich an unserem kleinen Tisch saß und ihm zusah. Ich hatte meine Verbände abgemacht. Durch eine Salbe der Ärzte konnte ich nicht nur wieder sprechen, sondern auch kauen. Auch wenn mein Gesicht dadurch einfach nur taub war. Ich wollte gar nicht wissen, wie groß die Schmerzen zurückkommen würden, wenn die Wirkung nachlassen würde. Luca konnte nicht anders, als mein blau-grünes Gesicht immer wieder anzustarren.

"Ich weiß nicht, was ich sagen soll", gestand mein Mann mir.

Traurig sah ich ihn an.

"Ich wollte in der Nacht eigentlich zu dir kommen. Ich wollte, dass wir alles klären und wir es versuchen. Unsere Ehe bedeutet mir zu viel. Aber ich bin noch immer so wütend. Es kommt mir so vor, als wären wir immer nur zusammen gekommen, wenn unsere Familien es so wollten. Erst dein Vater und dann meine Brüder", fing ich das Gespräch an.

"Das mit meinem Vater stimmt. Aber was war danach? Wir kamen zusammen, als du zurück gekommen bist aus Amerika. Das war gegen den Wunsch unserer Familien. Was ist damit? Zählt das überhaupt nicht? Ja, ich habe dich gefragt, ob du mich heiraten willst, weil deine Brüder es so wollten, aber ich wollte es auch. Nur eben zu einem späteren Zeitpunkt. Mir hat gefallen, was wir hatten. Ich wollte das nicht ändern."

"Aber warum hast du mir nicht vertraut? Warum hast du mir nicht einfach gesagt, was meine Familie vor hat? Und gesagt, dass du mich bloß von Michele schützen wolltest, auch wenn wir damals noch nicht wussten, wer es war?", fragte ich betroffen nach.

"Hättest du mich denn geheiratet, wenn ich es dir erklärt hätte? Und was ist mit dir? Du misst mit zweierlei Maß. Immerhin hast du mir auch nicht zu hundert Prozent vertraut. Du hast mir doch auch nichts von Raphael erzählt. Ich musste dich fast erwürgen, bevor du mir komplett vertraut hast und das nur gezwungenermaßen", entgegnete Luca energisch.

"Wir müssen anfangen uns alles zu erzählen", sprach ich ganz ruhig, "Wir haben beide Fehler gemacht, aber das müssen wir überwinden."

"Ist dir unsere Ehe wirklich so wichtig?", fragte Luca seufzend nach. Müde schaute er in den Topf und rührte weiter darin herum.

"Ja, dir etwa nicht?", fragte ich verletzt nach.

Sofort unterbrach Luca seine Arbeit und kam zu mir. Er kniete sich vor mich auf den Boden und griff nach meinen Händen.

"Natürlich! Wie kannst du sowas nur fragen. Du bist die wichtigste Person in meinem Leben. Ich liebe dich und ich will dich nie wieder verlieren. Diese Ehe war vielleicht ein bisschen früh und ursprünglich nicht von mir geplant, aber ich werde darum kämpfen. Ich werde um dich kämpfen!", bestätigte Luca seine Gefühle für mich.

"Wie soll es weiter gehen?", fragte ich nach, "Was sollen wir jetzt machen?"

"Wir suchen uns einen Paartherapeuten. Wir werden uns Hilfe suchen und an unseren Problemen arbeiten. Wir werden endlich kirchlich heiraten. Und wir suchen uns ein kleines Häuschen. Ein Ort nur für uns zwei. Kein Fluchtort, wie diese Wohnung und auch kein riesiges Anwesen, wo es ums Geschäft geht. Einfach ein Haus, auf dem Land, wo wir zusammen alt werden können. Wie hört sich das an?", schlug mein Ehemann vor.

"Denkst du das klappt. Denkst du wir schaffen das?", fragte ich wieder weinend nach. 

"Aber sicher. Es sei denn du willst, das ich gehe. Cara mia, wenn es dir hilft, wenn das dich glücklich macht, dann verlasse ich dich und diese Welt. Es wäre so viel einfacher für dich ohne mich", antwortete Luca liebevoll. Ich wusste, er meinte jedes Wort todernst.

"Es würde vielleicht alles einfacher machen, aber es wäre nicht mehr meine Welt, wenn du nicht darin vorkommst", flüsterte ich, "Außerdem soll unser Kind niemals ohne seinen Vater aufwachsen müssen."

"Was sagst du da?", fragte Luca erschrocken.

"Ich bin schwanger. Du wirst Vater."

"Du....Woher... Ich meine... wie?" Erst sah er mich erschrocken, fast schon schockiert an, aber dann breitete sich ein anderer Ausdruck auf seinem Gesicht aus, den ich noch nicht ganz deuten konnte.

"Das passiert, wenn man ungeschützten Geschlechtsverkehr hat. Habe ich zumindest in der Schule so gelernt", versuchte ich zu scherzen. Dann wurde ich ernster, "Es wurde ein Bluttest gemacht, dabei wurde festgestellt, dass ich schwanger bin."

"Ich werde Vater", flüsterte Luca, als müsste er es für sich selbst noch einmal laut aussprechen, damit er es verstehen konnte.

Plötzlich sprang er auf. Erschrocken wich ich von ihm zurück.

"Wir müssen sofort einen Arzttermin machen! Was wenn etwas passiert ist? Stress kann das Kind negativ beeinflussen oder nicht? Und in der Nacht, das war viel Stress! Und wir müssen ein Haus kaufen und es Baby sicher machen!", hektisch lief er in der Küche auf und ab. "Wissen es deine Familie und Freunde schon?"

"Nein, nur Alex. Ich möchte, dass er Patenonkel wird", versuchte ich meinen Mann zu beruhigen.

"Ja, das ist gut. Er wird unser Kind beschützen", sprach Luca vor sich hin.

"Setz dich hin", wies ich ihn an, während er kurz vor einer Panikattacke stand. Wer hätte gedacht, dass der Mafiaboss Luca Santoro durch so ein kleines Wesen, wie ein Baby, aus der Ruhe gebracht werden konnte.

Während ich weiter am Abendessen kochte, setzte ich nebenbei noch einen Beruhigungstee für Luca auf.

"Wir schaffen das. Ich habe schon einen Termin bei meiner Frauenärztin ausgemacht. Wir fahren morgen hin. Dann wissen wir auch, in welchem Monat ich bin. Danach können wir uns einen Paartherapeuten und ein nettes Häuschen suchen. Aber ich bekomme nicht morgen das Kind. Wir haben also noch genügend Zeit. Du kannst dir ja online schon ein paar Elternratgeber bestellen. Vielleicht hilft das, um dich ein bisschen zu beruhigen", redete ich vor mich hin.

Sanft wurde ich von hinten in eine zärtliche Umarmung gezogen.

"Du weißt gar nicht, wie sehr ich dich liebe. Du wirst eine so fantastische Mutter abgeben. Dieses Kind hat ein Glück, dich als Mama zu haben", flüsterte mein Mann mir von hinten ins Ohr.

Grinsend drehte ich mich in seiner Umarmung um und schaute meinem Mann in seine wunderschönen dunklen Augen.

"Und du wirst ein fantastischer Vater werden!"

I will fear no evilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt