Kapitel 1

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Jennie Pov

„Jennie", ermahnt mich unsere Ballettlehrerin zum gefühlt tausendsten Mal. Ich weiß absolut nicht, was heute los ist. Schließlich bin ich nicht einmal unkonzentriert oder ähnliches und dennoch kann ich meine Lehrerin einfach nicht zufrieden stellen. Egal, was ich tue, sie findet etwas zum meckern. Dabei gehöre ich zu den besten Tänzerinnen im Raum und kriege größtenteils nur Lob. Vielleicht liegt es einfach daran, dass sie einen schlechten Tag hat und heute alleine unterrichten muss. Jedoch bin ich der Meinung, dass sie das alles nicht an mir auslassen muss.

„Tut mir leid", entschuldige ich mich und senke mein Blick beschämt zu Boden, da die Aufmerksamkeit der ganzen Mädchen im Raum auf mir liegt. „Hast du in den Sommerferien denn überhaupt nicht trainiert? Statt dich bedeutungslos zu entschuldigen, solltest du vielleicht besser an deinen Drehungen arbeiten. Und das dehnen scheinst du wohl genauso wenig ernst genommen zu haben. Sogar die Erstklässler haben mich heute mehr überzeugt, als du."

Man könnte sagen, dass ich mir das nicht allzu sehr zu Herzen nehmen soll, schließlich hat jeder mal einen schlechten Tag. Jedoch nehme ich das Tanzen, ebenso wie meine Eltern, sehr ernst. Zu wissen, dass ich meine Lehrerin enttäusche und mich anscheinend unglaublich verschlechtert habe, lässt mir mulmig zumute werden. Auch, wenn ich die Sommerferien über tatsächlich nur am Üben gewesen bin, habe ich mir anscheinend nicht genug Mühe gegeben. Somit nehme ich mir vor, heute ein wenig länger zu bleiben, um all das nachzuholen und auf Besserung zu hoffen, statt meine Lehrerin zu verärgern.

Während mich ihre Aussage unglaublich verletzt, reagieren die anderen Mädchen schadenfroh, indem sie kichern und untereinander tuscheln. Ich habe mich noch nie wirklich gut mit ihnen verstanden. Meistens versuchen sie sich nur mit mir anzufreunden, weil ich hier als Tänzerin auf einem hohen Niveau stehe oder um an meinen Freund, Kibum, ranzukommen. Aber sobald es hart auf hart kommt, benehmen sie sich wie Feinde, statt wie Freunde. Wie gut, dass ich wenigstens eine Person hier als eine gute Freundin bezeichnen kann.

„Okay, Mädels. Ihr habt Pause. Jennie, du kümmerst dich nach der Pause um dich alleine." Mit diesen Worten begeben wir uns alle zu unseren Taschen und setzten uns hin. Die einen essen etwas, die anderen belassen es nur beim Trinken. „Mach dir nichts draus, Jen", streicht mir plötzlich jemand über den Rücken. Minhee, meine beste Freundin. „Sie hat wahrscheinlich nur einen schlechten Tag", versucht sie mich aufzumuntern. „Bei dir kann sie es sich am meisten erlauben. Was glaubst du, wie schlechte Tänzer reagieren würden, wenn sie sie umso mehr runter machen würde?", lacht sie nun und stößt mir leicht gegen die Schulter. Ihre Aussage bringt mich zum schmunzeln.

Ich nehme meine Flasche aus der Tasche und trinke einen Schluck daraus. Essen kommt unter diesen Umständen für mich nicht in Frage, dafür bin ich zu gestresst. Während Minhee sich also ihr Frühstück genehmigt, unterhalten wir uns ein wenig, schnell wird es aber wieder still zwischen uns.

„Ist deine Schwester nun eigentlich zurück?", greife ich wieder das Gespräch auf. Seit den Sommerferien spricht sie nämlich über nichts anderes mehr, als über ihre große Schwester. „Ja, seit ein paar Tagen schon. Deswegen hab ich mich auch kaum gemeldet", erklärt sie mir und wirft einen Entschuldigenden Blick zu.

„Wir mussten unglaublich viel nachholen. Du musst sie unbedingt mal kennen lernen, sie ist fantastisch", beginnt sie zu schwärmen. So viel, wie sie von ihrer großen Schwester erzählt, habe ich das Gefühl, als würde ich sie bereits mindestens genauso gut wie Minhee kennen. Tatsächlich weiß ich aber nicht einmal, wie sie aussieht. Aber anhand ihrer Erzählungen scheint sie unglaublich nett zu sein, weswegen ich sie nur allzu gerne kennen lernen würde.

„Klingt gut."

Dazu, weiter nachzufragen, komme ich gar nicht, da etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Um genau zu sein die anderen Mädchen. „Wusstet ihr, dass Miss Soojin eine feste Freundin hat?", sind die ersten Worte, die mich aufmerksam werden lassen.

„Was? Sie ist lesbisch?", kommt es von jemand anderem. „Oh Gott", beginnen sie letztendlich wieder zu kichern. „Aber habt ihr ihre Freundin mal gesehen?", führt sie ihren Tratsch so fort, wie sie ihn begonnen hat. „Woah, für die würde sogar ich lesbisch werden", kichert sie. „Ew, wie kannst du sowas sagen?", stimmt ihre Freundin ins Kichern mit ein. Weiter kommen sie gar nicht, da unsere Lehrerin, die verehrte Miss Soojin, in die Hände klatscht. „Zurück an die Arbeit, Mädels", fordert sie uns auf. „Jennie", lenkt sie ihren Blick nun auf mich. „Du gehst an die Stange und machst ein paar Dehnübungen."

„Okay, Miss Soojin." Mit diesen Worten erhebe ich mich und begebe mich, wie von mir verlangt, zur Ballettstange, während die anderen eine Choreographie weiter üben, die ich nicht mal mit ihnen weiter lernen darf. Stattdessen muss ich das dann nachholen.

Ich drehe den anderen den Rücken zu, um mich vollkommen auf mich konzentrieren zu können und beginne mit meinen Dehnübungen. Zumindest solange, bis ich vom Augenwinkel bemerke, dass mich jemand beobachtet. Ein wenig überrumpelt sehe ich genannter Person entgegen und somit kreuzen sich unsere Blicke. Die Tatsache, dass sie mich mit ihrer Schönheit ein wenig aus der Bahn wirft, lässt mich ein wenig rot anlaufen. Eine Weile kann ich mich absolut nicht auf mich konzentrieren, weswegen ich mein Bein langsam wieder sinken lasse.

„Drück dein Bein durch und bleib grade", werde ich von der anderen Seite wieder ermahnt. Spätestens diese Aussage hat mich wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht. Nickend wende ich mich also ab, zumindest möchte ich das, bis die, mir unbekannte, Person zu reden beginnt. „Ich helfe ihr dabei", versichert sie Miss Soojin und kommt langsam auf mich zu. Je näher sie kommt, umso nervöser werde ich und mein Griff um die Stange wird ein wenig fester.

Sobald sie vor mir steht, nimmt sie mein Bein, welches sie mir entgegen drückt, um meine Dehnung zu unterstützen. Dadurch sind unsere Körper ziemlich nah aneinander schmiegt. Näher, als eigentlich nötig. Beschweren kann ich mich jedoch nicht, genauso wenig kann ich mich jedoch auf das Dehnen konzentrieren.

„Ich war auch mal Ballerinna", beginnt sie mir zu erzählen. Kurz wandert ihr Blick an meinem Körper runter, ehe sie wieder den Blickkontakt aufbaut, indem sie ihren Blick wieder in mein Gesicht lenkt. Ich hingegen schaffe es nicht auch nur ein Wort rauszubekommen, doch das ist gar nicht nötig, da sie einfach weiter redet. „Ist ziemlich anstrengend und stressig. Aber du machst das ziemlich gut." Schmunzelnd sieht sie mich an, ehe sie sich ein wenig weiter nach vorne beugt.

„Mag sein, dass sie ständig etwas zum meckern findet. Aber ich konnte meinen Blick nicht von dir abwenden", raunt sie mir ins Ohr.

***
Partnerstory written by @riawinchesterx & @elijeon

TIPTOE || JensooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt