Kapitel 33

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Jisoo Pov

Da es Soojin heute nicht unbedingt gut geht, sie aber einige Unterlagen braucht, die sie in der Schule gelassen hat, habe ich auch diesmal keine andere Wahl, als diese für sie abzuholen, weswegen ich nun, früh am Morgen, ihr Tanzstudio betrete, in welchem sie normalerweise unterrichtet.

Soweit ich weiß wird eine Vertretungslehrerin den Unterricht übernehmen und demnach wäre es am besten so schnell wie möglich zu verschwinden, damit die Schüler mich gar nicht erst zu Gesicht bekommen. Das sollte allerdings kein großes Problem sein, da es bis zum Beginn des Unterrichts noch dauert.

Bevor ich mich auf die Suche nach den genannten Unterlagen machen kann, lenkt etwas ganz anderes meine Aufmerksamkeit auf sich. Die Tür der Umkleidekabine steht Sperrangelweit offen und auch das Licht brennt da drin. Ein wenig verwirrt betrete ich die Kabine und meine Verwirrung verstärkt sich, als ich Jennie dort sitzen sehe.

Sie sitzt vor ihrem Spind, welchen sie ausräumt und ihre Sachen ziemlich unsanft in ihre Tasche stopft. Aber nicht einmal das wirft mich so sehr aus der Bahn – stattdessen ist es die Tatsache, dass sie ziemlich aufgewühlt aussieht und am weinen ist. Es bricht mir das Herz, sie so zu sehen, denn ohne eine Vorgeschichte kennen zu müssen, kann man ihr deutlich ansehen, dass es ihr nicht gut zu gehen scheint.

„Jennie", sage ich, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Zwar reagiert sie nicht direkt auf mich, würdigt mich keines Blickes, aber dadurch, dass sie kurz inne hält weiß ich, dass sie mich gehört und wahrgenommen haben muss. „Was machst du hier so früh?", frage ich sie, während ich einen Schritt auf sie zugehe. Wieder keine Reaktion.

„Was ist los?", versuche ich es ein weiteres Mal. Diesmal kriege ich sogar eine Antwort, aber es ist nicht unbedingt eine, die mich zufrieden stellt. „Lass mich in Ruhe, Jisoo", bringt sie gerade noch so raus, bevor ihre Stimme bricht und ihr ein Schluchzen entfährt.

Mein Herz zieht sich krampfhaft zusammen und ich weiß absolut nicht, was ich tun soll. Sie scheint sauer auf mich zu sein, was ich ihr nicht einmal verübeln kann. Aber es kommt für mich nicht in Frage, sie hier einfach alleine zu lassen. Nicht, wenn sie so aufgewühlt und traurig ist.

„Wieso redest du nicht mit mir? Erklär mir doch wenigstens, was los ist. Bitte...", versuche ich es also ein weiteres Mal. Da sie mir diesmal aber wohl wieder keine Antwort geben und mich weiterhin ignorieren möchte, strecke ich meinen Arm aus, um nach ihrer Hand zu greifen. Sie hingegen schlägt meine Hand weg und steht ruckartig auf. „Du sollst mich in Ruhe lassen, verdammt!", wiederholt sie ihre Worte, diesmal allerdings so laut, dass ich erschrocken zusammenfahre.

Ich habe Jennie noch nie so wütend erlebt und es bricht mir das Herz, dass sie sich so gegen mich wehrt. „Ich will doch nur wissen, was los ist. Bitte Jennie, lass mich dir helfen." Ich gehe einen Schritt auf sie zu, diesmal will ich sie in eine Umarmung ziehen, um sie hoffentlich beruhigen zu können, so weit kommt es allerdings gar nicht, da sie mich wegschubst.

„Mir helfen?", bricht sie mit einem spöttischen Lachen hervor. „Wo warst du, als ich dich gebraucht habe? Du hast mich komplett im Stich gelassen, während ich mich auf dich verlassen habe. Du warst meine einzige Hoffnung, eine Person, auf die ich vertrauen konnte. Ich habe mich von deinen leeren Versprechen verführen lassen und was hab ich dafür bekommen? Nichts. Du bist trotzdem zurück zu Soojin gegangen und hast mich komplett alleine gelassen."

Jennie wirkt ziemlich aufgewühlt und ihr laufen unkontrolliert Tränen über die Wange, die sie nicht einmal mehr versucht zurück zu halten. Mit jedem Wort wird sie lauter und ich kann mich nicht von der Stelle rühren, so sehr verwirrt mich die Situation. Am liebsten würde auch ich einfach zu weinen beginnen, aber das würde sie wahrscheinlich umso wütender machen.

„Du bist an alldem Schuld, ständig hast du mir eingeredet, wie viel besser es wäre, wenn ich mich oute, nur damit du davon profitieren kannst. Es ist alles deine Schuld. Du hast mich im Stich gelassen und jetzt redest du davon mir zu helfen? Du hast genug geholfen. Alles, was du tun kannst, ist leere Versprechungen machen. Du warst nicht da, als ich dich am meisten gebraucht habe." Schluchzend schlägt sie ihren Spind zu und mit zittrigen Händen zieht sie den Reißverschluss ihrer Tasche zu.

„Du bist für mich gestorben, Jisoo. Aber herzlichen Glückwunsch, mich wirst du nicht wieder zu Gesicht bekommen. Also viel Glück mit deiner langjährigen Beziehung, ich stehe euch ja nicht mehr im Weg. Du hast mein Leben ruiniert, danke nochmal dafür. Ich hasse dich."

Gegen Ende wird ihre Stimme leiser und während sie diese drei Worte ausspricht, welche definitiv nicht die drei Worte sind, die ich gerne aus ihrem Mund hören würde, schluchzt sie wieder auf. Bevor ich irgendwas erwidern kann, ergreift sie ihre Tasche und stürmt aus dem Raum. Ich höre nur noch, wie die Tür sich mit einem lauten Knall schließt, ehe komplette Ruhe in den Raum kehrt.

Ihre Worte haben mir unglaublich weh getan. Alles, was sie gesagt hat, macht keinen Sinn und ist ein riesiges Rätsel für mich, aber dennoch ist ihre Botschaft bei mir angekommen. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass sie enttäuscht von mir ist.

Erst jetzt realisiere ich, wie sehr ich Jennie mit der Absicht, für andere da zu sein, vernachlässigt und verletzt habe. Während ich dachte, ich tue das Richtige, indem ich einer langjährigen Freundin zur Seite stehe, gab es doch eine andere Person, die meine Hilfe wahrscheinlich viel nötiger hatte. Mit einem Mal bereue ich alle Entscheidungen, die ich in letzter Zeit getroffen habe.

Mit zittrigen Händen nehme ich mein Handy hervor und schalte es an, mit der Angst, dass mich etwas erwarten könnte, was die Situation erklärt und mir noch ein weiteres Mal klar macht, wie schrecklich dämlich ich doch bin. Soojin hat sich gestern über mich beschwert, dass ich zu viel am Handy bin, weswegen ich es daraufhin ausgeschaltet habe. Und als ich die etlichen Nachrichten und verpassten Anrufe von Jennie sehe, bereue ich es, diese Entscheidung getroffen zu haben.

Ich weiß nicht, was gestern Abend passiert ist, aber ich weiß, dass es der Grund für Jennies Ausbruch war und dass ich für sie hätte da sein sollen. Egal, was passiert ist, ich hätte es wahrscheinlich nicht ändern können – aber ich hätte für sie da sein können, was allem wahrscheinlich einen komplett anderen Lauf gegeben hätte. Und diese Erkenntnis lässt alles in mir zusammenbrechen.

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Partnerstory written by @riawinchesterx & @elijeon

TIPTOE || JensooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt