Esgal - Versteck

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Nero und Juls begannen ihre Suche im Süden. "Was denkst du, Kumpel? Wo werden wir sie finden?" Juls zuckte die Schultern. "In einem gruseligen Keller eines alten, verlassenen Hauses. Was weiss ich, in diesem Naturschutzgebiet hat es Tiere, Bäume, Bäche... Die könnten überall sein." Nero verzog gelangweilt das Gesicht. "Komm schon, ein kleines bisschen mehr Fantasie und schon wirds spannend. Ich habe keine Lust, nach zwei Teenagern zu suchen, die irgendwo zufrieden unter einem Baum liegen und schlafen." Juls seufzte. "Sie haben sich inzwischen sicher ein riesiges Baumhaus gebaut und jagen mit den irischen Äffchen durch den Wald." "So was gibt's?", fragte Nero begeistert. Juls lachte schallend los.

Während sich die Beiden amüsierten, fuhren Anouk und Aurora in einem Jeep in Richtung Osten des Gebietes. Sie hielten auf einem kleinen Parkplatz, der wahrscheinlich für Tagesausflügler gedacht war. Sobald der Motor aus war, herrschte eine unheimliche Stille. "Gehen wir.", murmelte Aurora und schnappte sich ihren Rucksack. Anouk packte das Funkgerät, das sie mit Al und den anderen verband. "Status." , knackte es. "Wir sind gerade angekommen und machen uns auf den Weg nach Norden." Sie gingen schweigend nebeneinander her, ihre Blicke schweiften über den hügeligen Boden bis hoch zu den Baumriesen. "Weisst du, diese Suche erinnert mich daran, wie Al mich gefunden hat.", sagte auf einmal Anouk, die sonst nie etwas von sich erzählte. "Tatsächlich?", fragte Aurora. Anouk nickte. "Ich bin in einem Wald in Schweden aufgewacht. Meine Ruhephase hat sehr lange gedauert, deshalb hatte Al kein Problem, mich zu orten. Ich hatte mich noch nicht einmal orientiert, da kam er auf mich zugelaufen. Hat mich gefragt, ob ich ihm vertraue." Gedannkenverloren schüttlete sie den Kopf. "Das hat er mich auch gefragt. Ich finde das ein bisschen unheimlich, jemanden gleich nach seinem Vertrauen zu fragen. Aber ihm kann man wirklich vertrauen. Er ist ein guter Mann."

Elionore und Taylor waren im Westen unterwegs. Die beiden Schwestern hielten wie Pech und Schwefel zusammen. "Ich bin total aufgeregt! Wir bekommen neuen Zuwachs! Das ist fast so aufregend wie wenn jemand schwanger wäre." Elionore grinste. "Als ob jemand von uns schwanger werden könnte!" "Ist mir egal, ich finde, das passt.", winkte Tay ab. "Sag mal, Schwesterchen, hast du dir je Kinder gewünscht?" Elionore überlegte lange. Zu lange, denn Tay klopfte mit ihren Fingerknöcheln gegen ihren Kopf. "Hallo? Ist da noch jemand?" "Nein, meine Privatsekretärin ist in Urlaub." El seufzte und blickte Tay an. "Ich habe mir oft versucht vorzustellen, wie es wäre, ein Kind aufzuziehen. Aber das geht nun einmal nicht. Vielleicht besorg ich mir einmal einen Welpen." Tay's Augen leuchteten wie zwei Sterne. "Oh, nicht dein Ernst?! Ich will ihn auch mal knuddeln!" Sie begann davon zu erzählen, was sie alles mit einem Hund machen würde, sie schweifte ab, bis sie einen ganzen Zoo hatte. "Tay, wir müssen uns auf die Suche konzentrieren.", ermahnte Elionore ihre Schwester. "Yes, Ma'am!" Taylor salutierte.

Alberto sass im Privatjet seiner Familie und überwachte die GPS-Daten auf dem Laptop vor sich. Seine Elionore und ihre Schwester kamen eindeutig am langsamsten voran. Grinsend dachte er an die Beiden. Wenn sie zusammen waren, quasselten sie ununterbrochen über alles unmögliche. Anouk und Aurora durchkämmten den gesamten Ostteil und Nero und Juls den Süden. Al blickte aus dem Fenster und konnte das helle Leuchten der beiden Neulinge deutlich am Nachthimmel sehen. Er warf einen Blick auf seinen Kompass, nahm ein Blatt Papier hervor und begann mit seinen Berechnungen.
Wenig später wusste er, in welcher Richtung die anderen Suchen mussten. "Sucht in der Nähe von Castleview. Wenn ihr jetzt alle in die Mitte geht, solltet ihr dort aufeinandertreffen."
Er beobachtete, wie sich die Punkte abdrehten und in die Mitte des Waldes liefen. "Die haben hier ja mächtig abgeholzt.", brummelte Nero. Nach etwa einer Stunde trafen sie sich. "Wie weiter, Al?", fragte Anouk. "Ihr müsst dort den Wald durchsuchen." "Das ist dickstes Unterholz, da drinn sieht man gar nichts.", jammerte Juls. Aber es half nichts, da mussten sie durch.

Sie teilten sich alle auf, durchkämmten den Wald von Süden nach Norden. Nach einer Weile kamen sie an eine Lichtung. "Leute, schaut euch das an!", wisperte Tay. Die anderen schauten erstaunt auf, als Tay mit ausgestrecktem Arm auf etwas vor ihnen zeigte.
Auf einem kleinen Hügel thronte eine alte, zerfallene Ruine. Es musste einmal ein sehr stolzes Gebäude gewesen sein, der grosse Torbogen stand noch zur Hälfte. Ganz geblieben ist nur der Turm. "Meint ihr, sie sind hier?", fragte Elionore. Anouk zuckte die Schultern. "Wäre möglich.", meinte Aurora. In diesem Augenblick stand ein verwirrtes Mädchen oben auf dem Turm auf und sah sich um. "Keiner macht einen Ton.", flüsterte Nero.
Es war eindeutig diejenige, die sie gesucht hatten. Ihre langen blonden Haare reichten ihr bis zur Hüfte, sie war gross und schlank. Unschlüssig sah sie sich um und blickte auf den Boden neben ihr. Sie schien nachzudenken und kletterte plötzlich an der Mauer des Turmes herunter. Als sie am Boden ankam und ihre Füsse ins nasse Gras setzte, blickte sie angewiedert an sich herunter. Wiederum sah sie sich um und rannte davon. "Juls, Anouk, Aurora, hinterher!", wisperte Nero. Die drei rannten geräuschlos hinter dem Mädchen her.
Elionore eilte währenddessen zum Turm und kletterte hoch. "Ach nein, wie süss!" "Was denn, was denn, was denn?", wollte Tay wissen. El winkte ihre Schwester zu sich hoch, die sofort hochkraxelte. "Ist er da oben?" fragte Nero und kletterte ebenfalls hoch. Grinsend setzte er sich auf die Mauer und boxte dem schlafenden jungen Mann in den Arm. "Ey! Aufstehen, Siebenschläfer!" Kurz darauf blinzelten seine Augen und er blickte in drei fremde Gesichter. "Morgen, Schlafmütze."

Anouk holte das Funkgerät aus ihrem Rucksack, weil es die ganze Zeit knatterte. "Was zum Teufel passiert da draussen?" Alberto hörte sich nicht mehr sehr ruhig an. "Das Mädchen ist davongelaufen, als wir angekommen sind. Wir sind ihr auf den Fersen. Aurora und Juls hatten eine Gestalt vor sich ausgemacht und der rannten sie nun hinterher. "Und wem rennt ihr denn nun nach? Sie hat längst nach Süden abgedreht!" Erschrocken hielten sie an und blickten der im Morgennebel verschwindenden Gestalt nach. Sofort drehten sie nach Süden ab, doch es fehlte jede Spur von ihr.

Gäa's VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt