Keuchend hielt ich an und blickte mich suchend um. Das Gefühl, verfolgt zu werden, lies allmählich los. Aber ich war mir sicher gewesen, dass mir drei komische Leute gefolgt sind. Ich hatte die Orientierung absolut verloren, aber ich konnte von irgendwoher Musik hören. Ich ging ihr nach, bis der Klang lauter wurde und ich am Strand eine Gruppe Leute entdeckte. Es war ein fröhliches Treiben, Flaschen wurden herumgereicht , auf dem Lagerfeuer bruzelten Würstchen. Der Duft der Würstchen stieg mir in die Nase. Es roch sehr gut, aber Hunger hatte ich keinen. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal etwas gegessen hatte, aber es musste schon länger her sein. Trotzdem verspürte ich bei dem Geruch keinerlei Appetit. Eher Übelkeit.
Ich beobachtete die Menschenmenge noch eine Weile, bis einem von denen die Idee kam, das Auto neben das Feuer zu Fahren. Bei mir schrillten die Alarmglocken los. In einem Auto befand sich doch Treibstoff, der, wenn er mit Feuer in Kontakt kommt, explodiert? Ohne zu überlegen rannte ich los und versuchte vergeblich, das Auto zum stehen bleiben zu bringen. Die Fahrerin drückte auf das Gaspedal, sodass der Motor aufheulte. Die schaulustige Menge rückte näher um das Auto zusammen, ich war zwischen den Leuten eingequetscht. Noch einmal gab die Frau gas, noch einmal und noch einmal und ... ich sah vor mir die Einzelteile des Autos in die Luft jagen, gefolgt von einem Feuerball, Knall und den Menschen, die von ihrer Verbrennung nichts mehr mitbekamen, weil sie bereits von dem hohen Druck erdrückt wurden. Alles flog durcheinander, Autoteile, Menschen und das schlimmste, alles brannte lichterloh.
Ich stand fassungslos auf dem Platz einer Tragödie. Alle waren tot, verkohlte Körper lagen verdreht im Sand, meterweit entfernt und ich? Stand noch immer am selben Platz wie eben, vor dem lauten Knall. Fassungslos sah ich an mir herunter. Meine Kleidung war grösstenteils verbrannt. Der Pullover hatte keine Ärmel mehr, bauchfrei war er nun auch und meine Hosen waren total verbrannt. Aber meine Haut war kein bisschen geschwärzt, sie war noch immer so weiss wie vorher. Wie konnte das nur passieren? Was war mit mir los? Ich stolperte weg von diesem Schauplatz des Schreckens, sah noch einmal zurück zu den Toten, deren verbrannten Schädel zu mir hoch sahen und mich zu fragen schienen: Warum?
Doch darauf hatte ich keine Antwort. Schnell drehte ich mich weg und rannte davon. Kurz bevor ich wieder in den Wald einbog, entdeckte ich ein geparktes Auto, wahrscheinlich das von einem der Toten. Ich blickte hinein und konnte mein Glück nicht fassen. Eilig suchte ich mir einen Stein und schlug das Fenster des Autos ein. Klirrend flogen die Scherben zur Seite und ich öffnete die Türe von innen. Auf dem Rücksitz lagen ein paar blaue Hotpants, etwas zu kurz für meinen Geschmack, aber immerhin besser als nichts. Daneben, schön zusammengefaltet, eine weisse Bluse mit roten Rosen darauf. Ich schlüpfte eilig hinein und fühlte mich sofort wohler. Das schwarze Haargummi entdeckte ich per Zufall daneben und band mir die langen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Am Boden des Wagens standen ein Paar braune Ballerinas.
Ich folgte der Strasse, die von dem Parkplatz wegführte. Von weitem hörte ich Sirenen heranfahren und versteckte mich gerade noch rechtzeitig hinter ein paar Büschen. Warum? Keine Ahnung. Aber ich zog es vor, mich auf meine Instinkte zu verlassen. Herrgott ich kannte noch nicht einmal meinen Namen! Ich fror nicht, ich hatte keinen Hunger, ich war immun gegen Feuer. Was würde bloss noch kommen. Ich spürte, wie in mir Verzweiflung aufstieg und die Einsamkeit sich um mich schlang. Eine Träne kullerte über meine Wange, schnell wischte ich sie weg und starrte entsetzt auf meine Hand. Tränen sollten doch aus Wasser sein und durchscheinend? Diese hier war schwarz, mit schwachen silbernen und goldenen Streifen. Die feinen Streifen schimmerten in der aufgehenden Sonne. Ich liess mich im Wald auf den Boden sinken und meiner Kehle entwich ein verzweifeltes Schluchzen.
Ich hörte von weitem ein unheimliches Knattern. Unheimlich, weil ich mich weit weg von einer Strasse befand und dieses nervtötende Geräusch immer lauter wurde. Ich musste eingeschlafen sein, denn die Sonne war gerade dabei, unter zu gehen. Im Dunkeln würde ich hier niemals wieder herausfinden. Eilig stand ich auf und rannte nach Süden. Die Bäume flitzten an mir vorbei und schon bald sah ich vor mir die Lichter der Stadt. Erleichtert ging ich an den Stadtrand und beobachtete die Menschen, die anscheinend in Feierlaune waren. Schon wieder? War das ein Dauerzustand dieser Leute?
Ich hatte keine Ahnung wohin ich gehen sollte. Auf dem Weg durch die Strassen kam ich mir noch verlorener vor, als zuvor im Wald. "Wohin des Weges, junge Dame?" Nur schon bei dem Unterton dieser Stimme kroch mir die Angst in den Nacken. Langsam drehte ich mich um, dem Besitzer von dieser schrecklich furchteinflössenden Stimme stand ich genau gegenüber. Er grinste mich an und entblösste eine Reihe von gebleichten Zähnen. Er hielt mir die Hand hin. "Willst du etwas mit mir trinken?" Ich schüttelte den Kopf und wollte weggehen, doch er schnappte nach meinem Handgelenk. Ohne dass ich etwas dagegen hätte tun können, flog meine andere Hand ihm direkt ins Gesicht. Erschrocken liess er mich los und starrte schockiert auf die Hand, die ihn eben georfeigt hatte. Wütend blickte er mich an. "Mir gibt niemand einfach so einen Schlag ins Gesicht." Er schien gleich überzuschäumen. "Mark, kommst du?", fragte ein anderer. Mark, wie er anscheinend hiess, funkelte den anderen an. "Die hat mir eins ausgewischt!", knurrte er.
"Die?", fragte der Typ und lachte schallend los. Ich drehte mich weg und versuchte zu entwischen. "Nein, nein, Mädel, das hat ein Nachspiel für dich.", meinte Mark und packte mich erneut an der Hand. "Náre!", zischte ich und sofort entflammte seine Hand, die mich festhielt. Fluchend liess er mich los und betrachtete seinen verkohlten Körperteil. "Was zum Teufel..." Diesmal rannte ich weg. Nicht nur vor dem Typen, eigentlich auch vor mir selber.
Was hatte ich getan? Woher kannte ich dieses Wort? Als ich es ausgesprochen hatte, war ich panisch vor Angst. Ich hatte es einfach gesagt und sofort hatte sich die Stelle, die er gepackt hatte, aufgewärmt mit einer tödlichen Hitze. Und das Auto? War das ebenfalls ich?
Ich bog in eine Seitengasse ab und lehnte mich erschöpft an die kalte Wand. Meine Hände klemmte ich unter meinen Armen fest, sodass ich hoffentlich nichts mehr anrichten konnte.
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Gäa's Vermächtnis
FantasíaWas würdest du machen, wenn du auf einem Turm erwachst und keine Ahnung hast, wo du bist? Was, wenn du plötzlich das Gefühl hast, verfolgt zu werden? Und was, wenn auf einmal um dich herum Menschen sterben und verletzt werden und nur du dem eigentli...