Anar a Isil - Sonne und Mond

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"Ich störe euch nur ungern, aber es gibt da noch etwas was ich euch sagen muss." Erschrocken setzte ich mich auf und starrte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Gaia sass auf dem Schreibtischstuhl und lächelte uns liebevoll an. Seufzend setzte sich auch Delvin auf. "Was musst du uns sagen?" Ihr Gesichtsausdruck war undurchschaubar, und es nervte mich, dass ich keine Ahnung hatte, was in ihre vorging. "Den Lunaris-Clan habt ihr auf eure Seite gebracht. Das ist sehr gut." "Ich bezweifle, dass Alberto uns auch nur im Entferntesten glaubt." Gaias Lächeln wurde breiter. "Dafür hat er doch seine bessere Hälfte und deren Schwester. Niemals würde er sich gegen die Beiden stellen."

"Und wo liegt dann das Problem?", wollte Delvin wissen und Gaia sah darauf mich an. "Was? Ich bin das Problem?" "Nein, natürlich nicht. Aber versuche dich zu erinnern, was Alberto dir im Archiv erzählt hat." Oje... Ich zermarterte mir das Hirn und dachte angestrengt nach. "Er hat mir das Sternenkinddasein erklärt." Gaia nickte. "Und noch etwas." "Du willst, dass wir alle Clans 'missionieren'?", fragte Delvin und setzte das Wort missionieren mit den Fingern in der Luft in Gänsefüsschen. "Genau." Ich zog verärgert die Augenbraue hoch. "Du verlangst von uns, alle Clans zu besuchen und ihnen weise machen, dass sie ihren Auftrag falsch verstanden haben? Wie soll das denn gehen wenn sich die hier schon schräg gestellt haben?" Gaia nahm eine Strähne ihrer pechschwarzen Haare und wickelte ihn um ihre Finger.

"Kinder, habt ihr euch vorgestellt, ihr könnt jetzt in Ferien fahren und ab und zu ein paar Mörder jagen und Sternenkinder rekrutieren? Ich hab das jetzt seit Beginn gemacht, neben dem ich noch unseren Planeten gehegt und gepflegt habe." Meinte sie, seit Beginn... "Du machst das, seit die Erde exsistiert?" Die Ungläubigkeit schwang in meiner Stimme mit und ich versuchte mir vorzustellen, wir lange das war. "Nun ja, nicht direkt. Erst, seitdem es Hoffnungsträger in der menschlichen Gesellschaft braucht. Das fing während der Epoche der Hochkultur des alten Ägyptens an. Das war ungefähr 4'000 v.Chr."

Delvin und ich warfen uns unsichere Blicke zu. Ich wusste was er befürchtete. Wir konnten für die nächsten 6'000 Jahre Sternenkinder suchen. "Wie macht man das? Ich meine, wie weisst du, dass Anouk ein Sternenkind werden sollte?", wollte Delvin wissen. Gaia lächelte. "Das entscheide nicht ich. Dafür gibt es einen Rat. Die Sonnenmutter, der Mondmann und ich machen das gemeinsam. Und da ich die Einzige bin, die die Erde betreten kann, musste ich bis anhin die Aufgabe der Rekrutierung übernehmen. Und jetzt seid ihr unsere Angestellten." "Was? Halt stopp? Sonnenmutter? Mondmann? In welchem Film sind wir hier gelandet?" Delvin blickte Gaia noch irritierter an als seine Stimme klang. Gaia schüttelte frustriert den Kopf. "Himmel noch mal, ist das wirklich so schlimm? Langsam aber sicher packen mich die Zweifel an euch beiden. Wir setzten alle Hoffnungen in euch. Ihr seid die Einzigen, die diesen Wahnsinn aufhalten könnt." Sie wirkte nicht mehr ruhig und geduldig, eher wütend. Ich stand auf und ging zu ihr. "Was für ein Wahnsinn?" Gaia erhob sich und stand mir gegenüber. "Willst du es sehen?" Ich nickte entschlossen. "Lavenya, ich..." Ich warf Delvin einen vernichtenden Blick zu der ihn verstummen liess. Ich wollte wissen, was los war. Gaia legte mir ihre Hände um den Kopf und die Welt um mich begann zu verschwimmen.

Als die Welt um mich wieder zum Stehen kam, blickte ich durch die Augen von Gaia. Sie stand auf einem Berg und schaute auf ein kleines Dorf hinab, wo sich zwei Männer einer jungen Frau näherten. Gaia musste sich in Südamerika befinden, soweit ich die erkennen konnte, trugen sie Ponchos und diese rieigen Hüte. Angst kroch meinen Nacken hinauf. Was würden die Männer tun? Die Sonne ging gerade unter und niemand bemerkte, wie sich die beiden auf die wehrlose Frau stürzten. Geknebelt schleppten sie sie zu einem Haus. Bevor sie allerdings verschwunden waren, konnte ich ein leichtes Leuchten um die Männer ausmachen. Das waren Sternenkinder, stellte ich mit Schrecken fest.

Die Welt verschwamm wieder, diesmal landeten wir in Asien, wahrscheinlich in China. Wir standen in einem riesigen Wolkenkratzer, direkt hinter dem Schreibtisch einer Frau mittleren Alters. Ich erkannte sie sofort als Sternenkind, weil auch sie ein sanftes Leuchten umgab. Ich blickte auf den Bildschirm und erkannte, dass sie Grundstücke von armen Bauern kaufte. Erst als sie einen Grundriss für ein Wohnparadies, welches sich sicher nur die Reichen leisten konnten, erkannte ich ihre Absichten. Sie würde die armen Leute vertreiben.

Die Szene verschwamm wieder und wir standen mitten in einem Waldbrand. Ich hörte Schreie, die von einem eingekesselten Dorf kamen. Dicht neben dem Feuer standen dunkle Gestalten. Sternenkinder, die das Feuer gelegt hatten und jetzt zusahen, wie ein ganzes Dorf verbrennt. Das wurde mir zuviel und ich fiel in die Dunkelheit.

Gäa's VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt