Vanya - Verschwinden

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 Delvin P.O.V.
Ich schaute Lavenya nach. Ihre Schultern hingen mutlos hinunter und sie machte ihr 'Fingertraining', wie immer, wenn sie nervös war und nicht weiter wusste. Ich hätte ihr so gerne geholfen, aber das konnte ich nicht. Ich fragte mich, ob sie merkte, wie es mir ging. Sie hatte immer einen ganz speziellen Sinn dafür gehabt, wenn es jemandem aus ihrer Umgebung nicht gut ging. Wenn ich Probleme mit einem anderen Heimkind hatte, stand sie plötzlich da und hörte mir zu.
Nachdem ich sie nicht mehr sehen konnte, setzte ich mich wieder auf das Bett und las in einer der Biografien, die ich in der Bibliothek gefunden hatte. Nach einer Weile schreckte ich plötzlich aus meinen Gedanken auf, weil ich eine Sirene gehört hatte. Ich sprang auf und eilte zum Fenster, konnte aber nichts entdecken. Und dann sah ich sie für eine Millisekunde zwischen den Baumwipfeln hindurch. Die Angst kroch mir in den Nacken und mir wurde beinahe übel, als keine Minute später ein Polizeiwagen in dieselbe Strasse einbog. Was sollte ich jetzt tun? Erwischen würden sie Lavenya nicht, dafür war sie zu gerissen. Aber was wenn ihr doch etwas passierte? Alberto würde ich auf keinen Fall einweihen. Aber Nero, der hatte anscheinend einen Narren an ihr gefressen.
Ich eilte durch das Wohnzimmer einen Stock hinauf und klopfte an seine Zimmertüre. Er öffnete sie und sah mich erstaunt an. „Delvin, was für eine Überraschung!" „Na ja... Du kannst Lavenya gut leiden oder?" Er grinste. „Wenn ich das stört, ich halte mich von ihr fern. Sie gehört dir." Oh, das war schön zu wissen. „Kannst du sie suchen gehen?" Seine gute Miene verdüsterte sich. „Die Sirenen eben, das war nicht wegen ihr, oder?" Ich zögerte. Einen Moment zu lange. „Verflucht.", knurrte er. „Wohin ist sie gelaufen?", fragte er, während er zur Treppe stürmte und mich hinterher zog. „Keine Ahnung was da hinten ist. Vom Park aus Richtung Westen." Nero lachte. „Zum Campingplatz? Du hast echt eine kluge Freundin. Dort braucht sie sich nur in ein Wohnmobil zu schmuggeln und schon ist sie weg." Erschrocken blieb ich stehen. „Wie meinst du das, weg?" „Ein Wohnmobil ist ein fahrendes Haus, falls dir das nicht bekannt ist."
In diesem Moment beschlich mich das dumpfe Gefühl, dass Nero recht hatte. Ich spürte ihre Angst, entdeckt zu werden und die Wut auf sich selber. Verwirrt versuchte ich zu verstehen, warum ich ihre Gefühle spürte und warum ich wusste, dass es die Ihrigen waren und nicht meine eigenen. „Hey Kumpel, alles in Ordnung?", fragte Nero. Ich nickte und ging ihm nach. Er scheuchte Juls und Aurora auf, die ihm helfen sollten. „Wir gehen zum Campingplatz und suchen sie dort. Du bleibst hier, sonst finden sie dich auch noch. Wahrscheinlich laufen hier so oder so alle rum und suchen nach dir." Ich nickte dankbar, obwohl ich am liebsten mit ihnen gegangen wäre.

Aurora P.O.V.
Juls und ich sassen gemeinsam im Wintergarten und er erzählte mir gerade von einem seiner Aufträge, als Nero herbeigestürzt kam. "Lavenya steckt in Schwierigkeiten!", informierte er uns. Juls runzelte die Stirne. "Ernsthaft oder nur was Kleines?" "Die Polizei hat sie entdeckt, du darfst selber entscheiden." Wir hechteten beide gleichzeitig auf. "Worauf warten wir denn noch? Los!", rief ich und wollte mich an Nero vorbeizwängen dich er hielt mich zurück. "Wenn die merken, dass wir Interesse an einer Serienmörderin haben, kommen wir automatisch auf die Abschussliste." Ich warf einen vorsichtigen Blick zu Delvin, der die Augen verdrehte und wieder ins Haus ging. "Aberaberaberaberaberaberaber sie ist da draussen!", wiedersprach ich ihm und zeigte in Richtung Campingplatz. "Sie hat recht, wir sollten einfach mal zum Campingplatz gehen und uns umsehen." Die beiden Jungs eilten zur Türe. "Wir werden sie finden.", versuchte ich Delvin aufzuheitern. Er nickte und ging die Treppe hoch.
Als wir beim Campingplatz eintrafen stand bereits das gesamte Polizeiaufgebot der Halbinsel da und suchte mit Hunden in allen Wagen nach Lavenya. "Sie ist nicht mehr hier.", sagte Juls plötzlich. "Stimmt.", bestätigte Nero und ich stand daneben und kam mir vor wie ein Trottel, der noch nicht begriffen hatte, wie man in einer solchen Situation vorzugehen hatte.
"Wie seid ihr euch da so sicher?" "Lavenya hätte beinahe ihre Kräfte benutzt, um sich die Polizei vom Hals zu halten. Weil sie so kurz davor war und so ihre Kräfte sich an der oberen Fläche ihres Körpers befanden, hinterliess sie eine Spur. Du kannt sie spüren." Ich streckte meine Gedanken aus und suchte den Platz ab. Ein Schlag durchfuhr mich, als ich auf ihre Spur stiess. Keuchend öffnete ich die Augen. "Gibt das immer Stromschläge?! Ihr hättet mich auch warnen können!" Nero sah mich verwirrt an. "Such mal meine Spur." Als ich sie entdeckte, kribbelte es nur in meinen Fingern. "Das ist nicht dasselbe." "Such noch einmal Lavenyas Spur.", verlangte Juls und hielt mir seine Hand hin. Ich ergriff sie und tappte mich vorsichtig zu der Stelle, an der die Spur endete. Sobald ich sie berührte, durchfuhr mich ein noch heftigerer Schlag als vorher und mein Körper sackte einfach weg.

Nero P.O.V.
Die Reaktion von Aurora auf die Spur beunruhigte mich. Ich vermutete, dass wir es nicht spüren konnten, weil wir älter waren als sie. Aber wie auch immer, ich würde Alberto mit einbeziehen müssen.
"Warum habt ihr es mir nicht gleich gesagt?", fuhr er uns an. "Es musste schnell gehen und du hättest sie genauso wenig zurückbringen können wie wir!", entgegnete Juls. Al schnaubte wütend. "Wir müssen sie suchen, wieder einmal. Nero, du gehst mit Tay, Aurora mit Juls, Elionore kommt mit mir. Wir brauchen den Campingwagen, in dem sie ist, Überwachen von Polizeifunks un Europa und natürlich ihre Zeichen, die sie setzten kann anhand ihrer Macht.", begann er die Aufgaben zu delegieren.
"Sie wird ihre Kräfte nicht benutzen. Und auch sonst kein Zeichen von sich geben.", wiedersprach Delvin ihm. Erstaunt sahen wir ihn an. "Wie willst du das wissen?", schnauzte Alberto. "Al verdammt, er kann nichts dafür! Er weiss einiges mehr über Lavenya als wir alle zusammen. Er kann uns helfen!", verteidigte ich ihn. "Niemals, sonst kriegen die ihn auch noch in die Finger." Delvin, der merkwürdig bleich war, ging zu Al. "Wenn du sie auch nur in der kleinsten Art und Weise einschüchterst oder ihr Angst machst, bekommst du es mit mir zu tun." Ohne ein weiteres Wort ging er nach oben. Alberto sah uns fragend an. "Hab ich ihm was getan?" "Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, er hängt an ihr und du hast ihm gerade verboten nach ihr zu suchen. Der Schuss geht nach hinten los."
Elionore kam in den Raum. "Was ist mit Delvin los?", fragte sie. Juls erklärte ihr, was passiert war und sie nickte zustimmend. "Delvin wird sie suchen gehen. Ohne uns." Aber Al glaubte uns nicht. Wie immer dachte er nur daran, dass es nie jemand wagen würde, seine Befehle zu missachten. Irgendwann würde er es lernen müssen...

Gäa's VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt