Runya - Spur

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Delvin P.O.V.
Verwirrt setzte ich mich auf und massierte meine Schläfen. Entweder drehte ich jetzt völlig durch oder das war gerade kein Traum gewesen. Aber ich hatte eine Chance, sie vor Alberto zu finden. Ich wusste nicht, was mich wirklich an ihm störte, denn eigentlich meinte er es ja nur gut mit uns. Vielleicht hatte Gaia mir etwas über ihn gesagt, aber an ihre Rede konnte ich mich nur schwammig erinnern. Während ich da sass und mich zum wiederholten Mal versuchte zu Erinnern, fiel mir auf, wie still es im Haus war. Sie waren tatsächlich ohne mich gegangen und verlangten, dass ich hier blieb. Nero war bewusst was ich vorhatte, Elionore hatte es Alberto auch gesagt, aber er wollte nicht hören. Er würde lernen müssen, auf seine Familie zu hören.
Während der nächsten Stunde packte ich das Nötigste zusammen und ging dann nach draussen. Und wie sollte ich nach Schweden kommen? Autobahn sicher nicht, die Gefahr, erkannt zu werden, war einfach zu gross. Fliegen ebenfalls. Aber hallo? Jemand der die vier Elemente beherrscht, sollte sich doch eigentlich keine Gedanken machen wegen Fortbewegung! Ich eilte zum Strand und watete ins Wasser. Unterhalb des Wasserspiegels versuchte ich eine Luftblase um mich herum zu machen und siehe da, es funktionierte. Um voranzukommen trieb ich das Wasser hinter mir an und schon ging es los. Zum Glück hatte dieses ganze Sternenkindpaket einen inneren Kompass inklusive, sonst wäre ich wahrscheinlich sehr schnell irgendwo in einem Ozean und hätte keine Ahnung mehr, wo ich mich befand.
Die Fischschwärmen, denen ich ab und zu begegnete, schienen sich nicht an mir zu stören. Jedoch vergass ich, dass ich auf den Schiffsradaren trotzdem sichtbar war. Das wurde mir zu spät bewusst, erst ungefähr auf der Höhe zwischen Aalborg und Göteborg. An dieser Stelle war ein grosser Schiffsverkehr und leider auch Überwachungssysteme, wahrscheinlich um einen Unterwasserangriff zu verhindern. Ich vermutete, dass diese nur Alarm schlugen, wenn ein ungewöhnliches Objekt die Wasserstrasse passierte. Ein Objekt wie ich. Bevor ich die Sensoren entdeckte, schrillte der für menschliches Gehör kaum wahrnehmbaren Ton los. In meinem Kopf jedoch dröhnte es so laut, dass ich vor Schreck die Luftblase vergass und mich beinahe verschluckte. So schnell ich konnte schwamm ich an die Wasseroberfläche hinauf und schnappte hustend nach Luft. Die Wasserpolizei war schon unterwegs und schrie mir Befehle an den Kopf. Mist, schon wieder alles versaut. Würden sie mich schnappen, könnte ich alleine ausbrechen? Hätte ich überhaupt eine Chance ohne Lavenya? Wahrscheinlich nicht, also, so schnell weg wie möglich. So schnell wie ich mich entschieden hatte wurde ich von einer nicht definierbaren Kraft nach unten gezogen. Um mich herum begann das Wasser zu flimmern und vor mir stand Gaia. "Hallo Delvin.", begrüsste sie mich. "Gaia.", murmelte ich. "Du solltest das nächste Mal in betracht ziehen, deine Körpertemperatur und Körperbeschaffenheit dem Wasser anzupassen. Dann ist es für sie Menschen da oben etwas schwieriger euch zu finden.", schlug sie mir vor. Ich nickte. "Wo ist Lavenya?", fragte ich sie. Gaia zuckte die Schultern und strich sich eine silbrige Haarsträhne zurück, die ihr ins Gesicht gefallen war. "Sobald es Nacht ist, werde ich sie aufsuchen. Bis dahin begibst du dich in einen Wald und stellst nichts an. Danach sehen wir weiter." "Sie wird wütend auf dich sein." Gaia nickte wissend. "Ich weiss, und das ist sie ohne Grund." Verständnislos blickte ich sie an. "Aber..." Sie liess mich nicht ausreden. "Lavenya wird dir selber alles erklären." Und damit verschwand sie. Ich versuchte das Flimmern um mich konstant zu halten und entfernte mich so weit als möglich von den vielen Booten.
Im dänischen Nationalpark Thy fand ich mitten im Wald einen umgestürzten Baum, dessen Wurzeln wie ein Vorhang herabhingen und mich so, sehr gut versteckte. Ich schlief ein und im Traum erschien Gaia wieder. "Lavenya geht es gut, sie ist in Schweden auf der Flucht." Sonst sagte sie nichts und verschwand auch gleich wieder. Als ich erwachte, traute ich meinen Ohren nicht. Ich hörte tatsächlich die Stimme von Anouk.

Elionore P.O.V.
Alberto fuhr den schwarzen Van ohne Umwege auf die Autobahn. Ich sass im hinteren Teil und startete die Computer und die Funkgeräte. Die verschiedenen Frequenzen stellte ich ein und setzte mir die Kopfhörer auf. Zuerst knisterte es nur, doch nach kurzer Zeit hörte ich klar und deutlich die Stimmen der Polizisten. Dank unserer Hightech-Ausrüstung hatte ich mich schnell in die Systeme der Landespolizei der Niederlande, Dänemark, Schweden, Belgien und Norwegen gehackt. Dort überblickte ich auf vier Bildschirmen die Meldungen, die von Landesbedeutung waren. Es waren nicht sehr viele und für uns uninteressant.
Ich legte den Kopfhörer um meinen Hals und steckte mir das kleine Headset ans Ohr. Ich brauchte nur einen Knopf zu drücken und schon war ich mit der ganzen Familie verbunden. "Hat jemand was gefunden?", fragte ich an alle gerichtet. Tay plapperte mit Nero, der ihr entweder zuhörte oder versuchte den Campingwagen ausfindig zu machen, Juls und Aurora diskutierten über Delvins Aussage, Lavenya würde ihre Kräfte nicht benutzen. "Hallo!", hörte ich plötzlich Albertos Stimme im Ohr. Sofort waren alle still. "Tschuldige, wir haben herausgefunden, wohin der Campingwagen unterwegs ist. Ich sende dir gleich die GPS-Daten.", meldete sich Nero. Auf einem der Bildschirme ging das Fenster mit den GPS-Daten des Campingwagens auf und ich sah, dass der die Niederlande bereits verlassen hatte und schon in Dänemark war. Verdammt, hatten wir so lange gebraucht um aufzubrechen? Wenigstens fuhr Al in die richtige Richtung, aber der Abstand war riesig. Ich suchte den schnellsten Weg nach Dänemark hervor und schickte die Daten an Albertos Navigerät. Nach guten fünf Stunden hatten wir uns auf 10 Kilometer Entfernung genähert, doch plötzlich blieb der Punkt stehen. "Was ist denn jetzt los?", fragte ich mich selber. Kurz darauf wurde ich auf mehrere Polizeifunke aufmerksam, die einen Unfall bei dieser Stelle meldeten. Lavenyas Werk? Ich konnte es mir nicht vorstellen, aber möglich war es.
Als wir bei der Unfallstelle eintrafen, fehlte von unserer Vermissten jede Spur. Doch der Fahrer versuchte den Polizisten zu erklären, dass eine junge Frau aus dem Wagen geflohen sei, als der Unfall passierte.
"Entschuldigen Sie, sah sie so aus?", fragte Al und hielt ihm ein Bild von ihr unter die Nase. Er nickte eifrig. "Und wer sind Sie?", fragte der Polizist skeptisch, der das Bild nicht zu sehen bekommen hatte. "Agent des schwedischen Geheimdienstes, wir sind auf der Suche nach dem Mädchen. Wohin ist sie gerannt?", fragte Al ohne umschweife. Der Mann zeigte mit ausgestrecktem Arm in die Richtung, aus der wir kamen. "Dann hätten wir sie eigentlich sehen müssen.", wisperte ich ihm zu. Wir bedankten und bei ihm und gingen zurück zum Wagen.
Als ich auf die PC schaute, traute ich meinen Augen kaum. Anouk hatte dutzende Notgeheimcodes an uns geschickt. Ich piepste sie sofort an. "Was ist los?", fragte ich leise. "Ich bin mit meiner Einheit vom CIA im Norden von Dänemark auf die Spur von Delvin gestossen. Wir sind einer fast unmöglichen Spur gefolgt aber er ist verdammt nochmal hier! Was zum Teufel geht hier vor?"

Gäa's VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt