Mornië - Dunkelheit

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Das Schiff hatte doch tatsächlich einen Theatersaal. Die Stühle waren allerdings nicht in Reihen aufgestellt, sondern standen um runde Tische herum. Robert zog mich zu einem der Tische auf der Seite. Dort entdeckte ich Tabea, die in ihrem Abendkleid umwerfend aussah. "Mein Liebster, wen hast du da mitgebracht?", fragte sie. "Meine Cousine dritten Grades, Enya Lockwood." Sie kam zu mir und umarmte mich leicht. "Und jetzt Zickenkrieg.", wisperte sie mir ins Ohr und ich nickte.
"Robert, mein Herzstück, sie hat ja dasselbe Kleid wie ich." "Kann vorkommen, aber du trägst es ja nicht.", sagte er und bemerkte, dass er jetzt wohl in Schwierigkeiten geriet. "Hätte ich eines meiner eigenen Abendkleider anziehen sollen?", fragte ich an Roberto gewandt, der sehr wohl wusste, dass ich gar keine eigenen hier hatte.
"Ich dachte, man hätte den Kleiderschrank für mich bestückt." "Was machst du also in meinem Zimmer?", fuhr Tabea mich an. Ich überlegte und machte eine Handbewegung zu Robert. "Er hat mich dahin gebracht." Unschuldig blinzelte ich ihn an. "Glaube ja nicht, ich würde dir das Abkaufen! Rob würde nie jemanden in unser Zimmer lassen!"
"Und doch hat er es getan, denn dieses Kleid stammt aus dem Schrank, nicht aus meinem Gepäck." Tabea schoss einen gefährlichen Blick zu Rob ab. "Aber, meine Liebe, dein Stil gefällt mir. Ich hatte die Qual der Wahl und ist es doch nicht schön, dass wir die selbe Kleidergrösse haben?" Tabea stieg auf das vorgetäuschte Freundschaftsangebot ein und lächelte. "Wir wahr, ein richtiger Zufall. Wir sollten uns überlegen, gemeinsam eine Modeveranstaltung zu fahren. In Paris findet bald eine Fashion Week statt." Sie zog mich am Arm neben sich und sie platzierte sich zwischen Rob und mich.
Wir setzten uns und Robert stand perplex daneben. "Hol du uns etwas an der Bar, bevor das Stück beginnt.", verlangte sie von ihm. Noch immer überrascht ging er ohne Wiederrede. Sobald er ausser Höhrweite war, lachte Tabea los. "Dem haben wir es gezeigt.", freute sie sich.
Das 1 1/2 Stünige Stück hiess 'Diener zweier Herren', mitte 18. Jahrhundert von Carlo Goldoni geschrieben. Die Gesellschaft amüsierte sich prächtig daran, die Schauspieler erlaubten sich keinen einzigen Fehler.
Nachdem wir das Abendessen gegessen hatten und sich anschliessend alle in ihre Zimmer verzogen hatten, stand ich alleine am Bug vorne und beobachtete die Wellen, die gegen das Schiff klatschten. "Naré!", flüsterte ich und Flammen schossen augenblicklich aus meinen Händen. Ich bewegte meine Finger und schaute den Bewegungen des Feuers zu. 'Du spielst mit dem Feuer, Lavenya', mahnte ich mich selber.
Wie poetisch... Einerseits spiele ich wirklich mit dem Feuer und andererseits riskiere ich, dass jemand mich sieht. Frustriert fuhr ich mir durch die Haare, die prompt Feuer fingen und zu lodern begannen. Verflucht nochmal, warum passierten mir andauernd solche Missgeschicke?
In dem Moment kam es mir in den Sinn. Weil mir etwas fehlte! Natürlich, wie konnte ich nur so dumm sein, so blind ist ja nicht mal ein Maulwurf bei Tageslicht! Diese tiefe Einsamkeit und Dunkelheit in mir, das was mir fehlte, wenn ich in den Spiegel sah und bei jedem Schritt ich mich umdrehen wollte, um zu schauen, ober er da ist.
"Lavenya!", rief jemand und mein Herz setzte beinahe aus. Vor Schreck, nicht vor Erleichterung. Denn hinter mir stand Rob, der anscheinend wütend war. Sofort liess ich das Feuer verschwinden und hoffte, dass er nichts gemerkt hatte. "Was hast du dir dabei gedacht, mit Tabea Frieden zu schliessen?", fuhr er mich an.
Das brachte bei mir den Topf zum überlaufen. "Liebst du deine Verlobte überhaupt? Willst du den Rest deines Lebens mit irgendwelchen Sklavinnen verbringen, du mieser Kerl? Tabea ist wahrscheinlich die einzige Frau, die dich Arschgesicht jemals lieben wird. Keine andere wird sich je die Mühe machen, sich ihr Herz brechen zu lassen!", schrie ich ihn an. Er wollte etwas sagen, doch ich kam ihm zuvor. "Und du Idiot schleifst mich auf deine Verlobungsfeier, bringst mich in euer Zimmer und lügst dann auch noch, um deinen eigenen Kopf zu retten, wenn ich im Abendkleid von Tabea vor ihr stehe. Gibs doch wenigstens zu wenn du so einen Mist baust!" "Jetzt komm mal runter, ich habe nie gesagt dass du das anziehen sollst.", keifte er. "Oh, entschuldige, mein General, Befehlsmissachtung. Such dir eine andere, die es geniesst, deine Frau zum rasen zu bringen."
Ich wollte an ihm vorbeigehen, aber er hielt mich zurück. Ein Riesenfehler. Ich pfefferte ihm die freie Hand ins Gesicht, stiess den Ellbogen in seine Rippen und merkte, wie das Feuer ohne mein zutun auf ihn schoss und ihn binnen Sekunden einhüllte. Zuerst starrte Rob mich nur schockiert an, dann begann er zu schreien.
In meiner lähmenden Angst wich ich zurück, spürte die Reling hinter mir und dann fiel ich plötzlich.
Als ich in das kalte, schwarze Wasser fiel, spürte ich nichts mehr. Meine Wut auf mich selber war so gross, dass um mich herum das Wasser zischte. Langsam sank ich ab, immer tiefer, mit dem Gedanken: Ich habe schon wieder jemanden umgebracht.

Gäa's VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt