Kapitel 32

950 27 2
                                    

Flatternd öffnete ich meine Augen ein Stück und schloss sie wieder. Irgendwie drehte sich alles, mein Kopf dröhnte und mein Bein schmerzte höllisch. Langsam öffnete ich meine Augen wieder und sah um mich. Die Wände waren weiss gehalten, neben mir sass Ryder auf einem Stuhl, eine Art Schrank stand an einer Wand und gegenüber von mir hing ein Fernseher der lief. Moment! Ich sah wieder zu meiner Rechten wo Ryder sass. Sein Kopf lag auf dem Bett und es sah so aus, als ob er schlief.

Gedankenverloren fuhr ich mit meiner Hand immer wieder durch Ryders Haare. Ich vermutete stark, dass ich in einem Krankenhaus war, aber wieso? Krampfhaft versuchte ich mich an die letzten Stunden zu erinnern, aber das einzige was ich noch wusste war, wie ich von Zuhause weg ging. Danach war alles weg.

Erst als Ryder meine Hand in seine nahm, kam ich aus meinen Gedanken und sah ihn an. "Du bist wach." sagte er verschlafen, liess meine Hand los und streckte sich. Unwillkürlich sah ich auf seinen Bauch, als sein Shirt nach oben rutschte. Ryder bemerkte meinen Blick und grinste schelmisch. "Keine Angst, das gehört nur dir." sagte er und deutete auf seinen Oberkörper. Das klang wirklich verlockend, aber ich konnte jetzt nicht die Kontrolle über meine Hormone verlieren.

Seufzend fuhr ich mit der Hand durch meine Haare. "Wieso bin ich hier?" "Du kannst dich nicht daran erinnern?" stellte er mir die Gegenfrage. "Ich weiss nur, dass ich von Zuhause weg gegangen bin." "Das war gestern. Heute ist Dienstag, Sky." mit geweiteten Augen sah ich ihn an. Sollte das heissen, dass ich einen geschlagenen Tag geschlafen hatte? Vorsichtig nahm Ryder meine Hand in seine und sah zum Fernseher. "Sieh es dir an." murmelte er und schaltete den Ton an. Verwirrt sah ich auf den Fernseher wo gerade die Nachrichten liefen.

Gestern kam es in Miami Beach zu einem tragischen Unfall.

Eine 18-jährige Autofahrerin fuhr auf eine Kreuzung zu, bei der gerade zwei Schulklassen das richtige Überqueren der Strassen übte, wozu mehrere Fahrzeuge warten mussten.

Laut Augenzeugen raste die Fahrerin mit vollem Tempo auf die wartenden Fahrzeuge und Kinder zu. Im letzten Moment schwenkte sie nach rechts aus und fuhr ungebremst in eine Strassenlaterne. Sie wurde mit mittelschweren Verletzungen in das nahegelegene Krankenhaus gebracht.

Laut der Polizei wurde der Wagen so manipuliert, dass der Wagen nicht abbremste und die Airbags sich nicht auslösten.

Nur der Reaktion der Fahrerin ist es zu verdanken, dass nicht noch mehr Personen zu Schaden gekommen sind.

Nach und nach kamen die Erinnerungen wieder zurück. Die Erinnerungen, wie ich vergeblich auf die Bremse gedrückt hatte und geradewegs eine Strassenlaterne geküsst hatte. Wie sich zuerst ein Paar um mich gekümmert hatte und danach die Ärzte.

Kopfschüttelnd landete ich wieder im hier und jetzt und sah Ryder an. "Wieso vertraust du mir nicht?" verwirrt runzelte ich meine Stirn. "Wie kommst du darauf? Ich vertraue dir." sagte ich. "Nein, das tust du nicht. Sky, Quinn und ich wissen rein gar nichts über dich, weil du dich uns nicht anvertraust. Quinn wusste noch nicht einmal was für Allergien oder Vorerkrankungen du hast." irgendwie hatte Ryder recht, aber das hatte für mich rein gar nichts mit Vertrauen zu tun. "Ich vertraue euch, aber ich sage euch nur nicht alles. Das hat nichts mit Vertrauen zu tun Ryder. Ich kann und möchte nicht über meine Vergangenheit reden. Wieso könnt ihr das nicht akzeptieren?" wieder nahm Ryder meine Hand in seine. "Wir möchten dich doch nur verstehen." "Und ich möchte nach Hause." sagte ich, entzog ihm meine Hand und setzte mich auf.

Die Kopfschmerzen und Ryder ignorierend, stellte ich meine Füsse auf den Boden und stand auf, nur um im nächsten Moment den Boden zu küssen. Verdammt, was sollte das jetzt? Schmerzhaft stöhnte ich auf und sah auf meine Füsse. Meine Füsse waren aber keineswegs das Problem, sondern meine rechte Wade. Sie war komplett in einem Verband eingewickelt und schmerzte. "Alles okay? Warte, ich helfe dir." kaum hatte es Ryder gesagt, hob er mich hoch und setzte mich zurück auf das Bett.

Wortlos sah ich an mir runter. Wenn mein Bein schon so aussah, wollte ich nicht wissen, wie mein restlicher Körper aussah. Durch diesen Unfall bekam ich wieder Narben. Narben, die mich mein ganzes Leben lang verfolgen würden und mich an das Geschehene erinnern würde. Nie würde ich es vergessen können.

"Süsse, was ist los?" vorsichtig legte Ryder seine Hände in meinen Nacken und wischte mit seinem Daumen die Tränen aus meinem Gesicht. Mein Blick wanderte zu meiner linken Hand, wo ich auch eine Narbe hatte. Zwar war sie schon verblasst, aber für mich war sie sichtbar. Das waren sie alle.

"Es war mein fünfzehnter Geburtstag." sagte ich und fuhr unwillkürlich mit meiner Hand über die Narbe. "Ich hatte eine sechs in Geschichte geschrieben. Mom hatte das natürlich mitbekommen und war ausser sich. Erst scheuerte sie mir eine, aber wie immer war es ihr nicht genug. Immer wieder schlug sie auf mich ein. Es interessierte sie nicht einmal, dass ich schon lange auf dem Boden lag und fast bewusstlos war. Das war das erste Mal, als sie etwas anderes als nur ihre Hände und Füsse benützte. Als Strafe das ich so schlecht in der Schule war, nahm sie die Schere und stach sie in meinen Handrücken. Ich merkte weder den Schmerz, noch das sie durch meine Hand ging und im Boden stecken blieb. Marlon hatte mich eine halbe Stunde nachdem Mom gegangen war gefunden und sofort den Krankenwagen gerufen."

Wortlos nahm Ryder meine linke Hand in seine und küsste die Narbe auf meinem Handrücken. Das selbe machte er mit meiner Handfläche und sah schliesslich in meine Augen. "Ich werde nicht zulassen, dass sie dich noch einmal verletzt. Sie wird nicht einmal in deine Nähe kommen." flüsterte er. Sanft küsste er mich und liess gleich wieder von mir ab, als wir Quinn hörten. "Er hat recht. Wir werden dich nicht alleine lassen und wir werden herausfinden, wie sie immer wieder an deine Nummer kommt." wortlos sah ich Quinn an als er vor mir stehen blieb und umarmte ihn. Sofort schlang er seine Arme um mich. "Es tut mir leid. Ich hätte dir glauben sollen." murmelte er. "Ich wollte dich wegen Mom nicht anlügen, aber-" "Es ist in Ordnung Kleines. Marlon hat es mir erklärt." lächelnd löste er sich von mir und küsste mich auf die Stirn.

"Ich vertraue euch, aber ich kann nicht gleich über alles reden." "Das ist kein Problem Süsse." sagte Ryder. "Kannst du aufhören sie Süsse zu nennen?" "Wieso sollte ich? Alter, sie ist meine Freundin!" jetzt ging das schon wieder los. Kopfschüttelnd überliess ich sie ihrem pseudo Streit und stand vorsichtig auf. Wenn ich mein Bein nicht zu sehr belastete, kam ich langsam vorwärts. Langsam, aber ich kam vorwärts.

Humpelnd lief ich an ihnen vorbei und öffnete die Tür zu meiner linken. Gerade als ich einen Fuss auf den Flur setzte, hörte ich die beiden lachend abklatschen und nach mir rufen. "Keine Zeit. Ich gehe nach Hause." sagte ich nur. Gleich darauf schlangen sich zwei Arme von hinten um mich und hoben mich hoch. Seufzend schüttelte ich meinen Kopf und liess mich zurück auf mein Bett setzen. "Könnt ihr endlich aufhören mich immer wie eine Puppe zu behandeln?" entschuldigend sahen sie mich an. "Du bist halt so klein." empört schnappte ich nach Luft. Ich meine Hallo?! Ich war 1.75 und überhaupt nicht klein. Sie waren einfach zu gross.

Wütend schlug ich auf Quinns Brust. "Arschloch. Das bekommst du zurück!" knurrte ich und legte mich hin. "Oh ich habe ja solche Angst!" sagte er lachend. Auch Ryder schmunzelte nur und setzte sich wieder neben meinem Bett auf den Stuhl. "Gut! Challenge accepted. Sobald ich wieder gesund bin, wirst du dein blaues Wunder erleben." kopfschüttelnd nahm ich die Fernbedienung und schaltete auf einen anderen Sender. Quinn hatte so keine Ahnung auf was er sich hier einliess. Nathan hatte es schon gemerkt, als ich die Gabel zwischen seine Finger in den Tisch gerammt hatte und Reese ebenfalls, als ich seine Hand umdrehte. Quinns Lachen würde ihm noch vergehen.

"Was machen wir am Wochenende?" fragte ich die beiden ohne meinen Blbick vom Fernseher zu nehmen. "Keine Ahnung. Was möchtest du machen?" auf Ryders Frage zuckte ich nur mit meinen Schultern. "Irgendetwas cooles. So wie in LA." murmelte ich. "Lässt sich sicher einrichten." kurz sah ich zu Quinn der sich auf einen der freien Stühle setzte und wieder auf den Fernseher.

Was ich den beiden nicht gesagt hatte war, dass ich vermutete, dass Jeanette etwas mit meinem Wagen zu tun hatte. Klar, aus San Francisco konnte sie nichts machen, aber sie sagte es doch selber. Sie hatte ihre Leute überall und würde keine Ruhe geben, bis sie mich umgebracht hatte. Ich musste mir wieder eine neue Nummer besorgen und hoffen, dass sie sie dieses Mal nicht herausfinden würde, was ich aber stark bezweifelte.

Irgendwann. Irgendwann würde ich vielleicht Ruhe vor ihr haben. So einfach konnte sie mir jetzt nichts mehr anhaben. Immerhin hatte ich jetzt nicht nur Marlon und Scott auf meiner Seite, sondern auch Quinn und Ryder und darüber war ich mehr als froh. Ja, ich vertraute ihnen. Auch wenn sie es nicht wirklich glaubten.

SkyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt