[CW: Suizid, Depression, Stigmatisierung, Angststörungen, Soziophobie]
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_____________Eigentlich wollte ich diesen Text viel früher posten, doch er sollte nicht als einer der tausenden Texte nach Chester Benningtons Suizid enden, der von einem der tausend Leute, die über Mental Health schreiben und sich trotzdem null dafür interessieren, geschrieben hat. Ich weiß nicht mehr, wie viele Versionen hiervon ich bereits geschrieben habe, zehn mindestens, und ich glaube, der hier könnte sogar etwas werden, was ich veröffentliche.
Das, was ich hier erzähle, wissen die meisten meiner Freunde nicht und es tut mir furchtbar Leid, dass ihr es so erfahrt. Es ist nur so, dass man nicht einfach ganz normales Gespräch unterbricht, nach dem Motto "ach übrigens, ich hab Depressionen und war zeitweise suizidgefährdet", weil es unpassend ist. Und auch vor einem Gespräch ergibt sie nie eine passende Situation, es scheint immer fehl am Platz.
Es besteht allerdings kein Grund, beispielsweise den Support zu informieren, damit mir Hotlines geschickt werden, ich bin zurzeit in Therapie. Und nicht gefährdet.Gut, wo fang ich an?
Erstmal: was fällt den Leuten bitte ein, Suizid als egoistisch zu bezeichnen? Oder mit ihrem "der hatte doch alles und anderen geht's viel schlechter" anzukommen?
Ich finde keine Worte dafür.
Suizid ist nur bedingt eine Entscheidung, Depressionen verändern chemische Abläufe im Gehirn und lassen die Betroffenen teils nach außen hin irrational handeln, für diejenigen ergibt es jedoch Sinn, ist logisch.
Oder es ist, wie bei mir, pure Verzweiflung, weil man einfach nicht mehr klarkommt, überall gegen einen gerichtete Handlungen sieht.
Bei manchen ist es die Überforderung mit den eigenen plötzlich aufkommenden Gefühlen, wenn sie auf dem Weg der Besserung sind und diese innere Leere verschwindet.
Bei manchen lässt die Antriebslosigkeit einfach vor den Suizidgedanken nach.
Und das sind nur ein paar Gründe.
Suizid erscheint als der einzige Ausweg.Und egal, wie gut man es hat, wenn die Psyche kaputt ist, hilft einem das nicht.
Egal, ob man Freunde und Familie hat, man kann sich trotzdem allein gelassen fühlen.
Egal, ob man ein gesichertes Einkommen und einen festen Job hat, man kann trotzdem Unsicherheiten haben, weil man alles Überdenkt.
Egal, ob Kinder in Afrika hungern, der eigenen Psyche geht es dadurch nicht besser, verdammt! Das Leid anderer mindert das eigene nicht.Depressionen sind schlimm, Depressionen töten, auch wenn man sie nicht sehen kann. Wann sind wir endlich so weit, dass psychische Erkrankungen genauso ernst genommen werden wie physische? Depressionen sind keine Traurigkeit, die jeder mal hat, Depressionen sind kein Gesuche nach Aufmerksamkeit, Depressionen sind nichts, was man mal eben ausblenden kann, Depressionen beeinträchtigen einen genauso im Alltag, wie es gebrochene Knochen tun und trotzdem wird verlangt, dass man weitermacht, weil ja alles nicht so schlimm ist.
Und ja, man arrangiert sich damit, lernt, sich in die Gesellschaft einzugliedern, die völlige Antriebslosigkeit zu überwinden, weil man es muss, weil keiner Rücksicht nimmt. Man lernt, alles zu verdrängen bis es irgendwann über einem zusammenbricht und es einfach nicht mehr geht.Depressionen, die nicht ernst genommen werden, können in allem möglichen enden, sei es Suizid, Vertrauensprobleme oder weitere psychische Erkrankungen.
Und noch was, vermeidet wenn ihr über das Thema redet Worte wie "Freitod", "Selbstmord" oder "begehen". Ersteres romantisiert es zu sehr, stellt es zu sehr als Entscheidung dar, die letzteren Beiden sind Worte, die für Verbrechen genutzt werden, man begeht kein Verbrechen und ermordet Niemanden!
Weiter im Text: es gibt in der Regel immer wieder Phasen, in denen alles super ist und man ganz normal leben kann, dann gibt es aber auch noch Downphasen, in denen man einfach nichts fühlt, sich zu nichts aufraffen kann, müde von allem ist, einem alles egal ist und so weiter.
Und dieses "alles ist eh egal" ist bei mir oft so schlimm, dass ich einfach hoffe, dass ich nie bei einer wichtigen Klausur eine Downphase habe, da ich mir wirklich zutraue, nichts zu schreiben, weil es ja egal ist und ich ja eh nichts schaffen werde und diese eine Klausur es nicht besser machen wird und danach wird mich diese eine verhauene Klausur in meiner Meinung bestärken.
Bei mir werden sie durch konkrete Situationen ausgelöst, dieses eine Mal, als es eine Nebenwirkung eines Medikament war, ausgeschlossen, es geht mir nach und nach immer schlechter und mein Leben entgleitet mir langsam, ohne dass ich es zu Beginn wirklich merke, aber das sind nur meine Erfahrungen, über andere kann ich nicht sprechen. Inzwischen bin ich jedoch so weit, es relativ frühzeitig zu erkennen und etwas zu unternehmen, bevor es nicht mehr geht, mich zu Sachen zwinge, auf die ich mich vorher ewig gefreut habe, dann jedoch keine Lust auf nichts habe und am Ende froh bin, dass ich es getan habe.Es ist jetzt gar nicht mal so lange her, seit alles diagnostiziert wurde, vielleicht ein Jahr, und zu kämpfen habe ich damit seit mindestens drei, mit meinen Angststörungen schon weit länger. Mir selbst waren meine Depressionen und meine Soziophobie schon vorher klar, das einzige was für mich neu dazu kam, war Selektiver Mutismus.
Und vielleicht erzähle ich einfach mal, was es damit auf sich hat.
Nun gut, Depressionen habe ich hoffentlich zur Genüge erläutert.
Soziophobie in Mutismus spielen bei mir sehr ineinander über, sodass es schwer ist, sie einzeln zu erklären. Selektiver Mutismus beschreibt im allgemeinen, dass man in bestimmten Situationen nicht oder nur eingeschränkt sprechen kann. Auslöser hierfür kann alles mögliche sein, die Blicke anderer, eine unbekannte Umgebung, die Art, wie andere auftreten und reden, et cetera. Meine Soziophobie, dank der ich leider sehr viel als gegen mich gerichtet empfinde, hilft da nicht wirklich. Und ich weiß, dass es Blödsinn ist, zu denken, jeder der in Hörweite lacht, lacht einen aus, weil man irgendwas dummes tut, jeder der einen nur mit seinem Blick streift einen Anstarrt und alle Fehler, die man hat, analysiert, jeder der redet, schlecht über einen spricht. Ich hab das teilweise sogar bei Freunden. Und ich weiß, dass da nichts dran ist, aber ich kann es nicht abstellen, ich denke immer wieder daran. Und es fühlt sich so mies an.
Dass ich Freunden nicht traue schlägt teilweise auch in Paranoia um, mit der ich aber schon seit, naja, so ziemlich immer schon zu kämpfen habe und vor allem gelernt habe, sie vor anderen zu verbergen.
Oder Dinge, die ich vor Jahren getan habe, die mir urplötzlich wieder einfallen und ich mich frage, wie ich so blöd sein konnte.
Obwohl es dafür keinen Auslöser gab. Und ohne jede Vorwarnung muss ich mit Selbsthass kämpfen.Aber ich komme klar, ich habe die bislang schlimmste Phase meines Lebens ohne Hilfe durchgestanden und auch wenn ich einiges davongetragen habe, geht es mir verhältnismäßig gut. Ja, ich habe immer wieder Rückfälle, ja, ich muss immer wieder gegen meine Psyche ankämpfen, und ja, ich komme nicht so gut klar wie andere. Aber das ist okay für mich.
Ich habe auf die harte Tour lernen müssen, mit meinem Angststörungen klarzukommen. Bis vor einem Jahr war zu spät zum Unterricht zu kommen mit Panikattacken verbunden, jetzt ist es kaum mehr ein Unwohlsein.
Und bevor gefragt wird: Grund für diese etwas seltsamere Angststörung ist, dass ich in der ersten Klasse, wenn ich zu spät war, kollektiv ausgelacht wurde, Sprüche gemacht wurden und von Seiten der Lehrer nichts unternommen wurde.
Gut, ich habe immer noch extreme Höhenangst, doch das beeinträchtigt meinen Alltag nicht. Nur meine Angst vor Spritzen muss ich loswerden, da mir so circa alle existierenden Impfungen fehlen, weil man sich mir mit einer Spritze nicht mal nähern kann ohne dass ich eine Panikattacke kriege.Lg Robyn, die jetzt erst mal eine Auszeit braucht und von diesem Text echt fertig ist
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Zum Meinungsbuch mutiertes Etwas
SonstigesEigentlich als Buch für Unnötiges geplant, ist das hier recht schnell zu einer Plattform für meine Meinung geworden, wo ich mich aufregen kann und ein bisschen was aus meinem Leben erzähle. Inzwischen ist gefühlt die Hälfte über LGBTQIA+, wobei natü...