Wie ich bereits erzählte, habe ich Selektiven Mutismus und ich wollte einfach mal ein wenig mehr darauf eingehen, da das einfach eine psychische Erkrankungen ist, mit der die Wenigsten etwas anfangen können.
Erstmal: dieses nicht-reden-können ist unglaublich schwer zu beschreiben, es ist, als würde ein Schalter umgelegt werden und auf einmal bin ich nicht mehr in der Lage dazu. Nun gut, physisch wäre ich es theoretisch schon, dennoch bekomme ich keinen Laut über die Lippen. Es funktioniert einfach nicht mehr. Nonverbale Kommunikation dagegen schon.
Grund hierfür ist – bei mir, ich kann nicht für andere sprechen – meist die Atmosphäre. In einer offenen, gelassenen kann ich meist ohne Probleme mit mir fremden Leuten reden, beispielsweise auf dem CSD ging es. In einer eher angespannten, abweisenden funktioniert es halt weniger gut bis gar nicht. Teilweise spielen auch die Anwesenden Menschen mit rein. Tendenziell geht es besser, wenn mein Gesprächspartner mehr redet und nicht ständig darauf aus ist, was von mir zu hören.
Und ein wenig die Gesprächsthemen. Über Bands geht meist besser als über Sachen, die mich nicht interessieren.
Mit der Personengruppe – wie es in The Big Bang Theorie dargestellt ist – hat es allerdings überhaupt nichts zu tun.Eins der Probleme ist halt Interaktion mit Menschen, die nicht verstehen, wie ich nonverbal kommuniziere. Dabei ist das Ganze eigentlich recht leicht und was ich tue, sollte verstanden werden können: Nicken heißt "ja", Kopfschütteln "nein" und Schulterzucken "ich weiß nicht".
Sollte nicht kompliziert sein, oder? Scheinbar ist es das schon, gerade das Schulterzucken. Ich habe diese Bewegungen vorher für mehr oder weniger universell gehalten, zumindest innerhalb Europas, es gibt ja auch Länder, in denen man das anders kommuniziert.
Dazu kommen natürlich Menschen, die nicht verstehen, dass man mit den drei "Antwortmöglichkeiten" nur ja-nein-Fragen beantworten kann.Fremde Menschen anzusprechen, etwa nach dem Weg zu fragen, ist schwierig und teilweise irre ich lieber allein durch die Gegend als das zu tun. Essen bestellen ist furchtbar, geht aber inzwischen, wenn ich genügend Zeit habe, mich vorzubereiten. Problematisch wird es, wenn meine Eltern es für eine gute Idee halten, mir zu sagen, ich solle bestellen, wenn der Kellner schon am Tisch steht.
Außerdem wird Selektiver Mutismus gerne mal für Schüchternheit oder Introvertiertheit gehalten.
Allerdings heißt introvertiert sein einfach nur, dass man seine Kraft sozusagen wieder auftankt, wenn man Zeit alleine verbringt und sie verbraucht, wenn man unter Menschen ist. Zeit mit Menschen zu verbringen, ist zwar schön, aber auch anstrengend, während ich mich allein gut beschäftigen kann.
Schüchternheit dagegen ist eher diese klassische Unsicherheit in Gegenwart fremder Menschen. Doch sie verursacht keine Blockaden. Heißt: ich kann noch reden, traue mich aber nicht.Mündliche Mitarbeit in der Schule ist logischerweise ein bisschen schwieriger, wenn man kaum spricht, wobei da auch meine Schüchternheit ein wenig mit reinfällt, da ich ein Problem damit habe, vor vielen Leuten zu reden.
Das größere Problem ist, wenn ich von irgendwas aus der Bahn geworfen werde, gerade bei Vorträgen. Unterbrechungen sind furchtbar, allerdings fange ich mich da teilweise wieder. Etwa jemand, der sich nur um Raum geirrt hat, geht inzwischen, anders ist es bei Korrekturen, während ich rede. Meinen ganzen Konzept ist dann wegen eines kleinen inhaltlichen oder bloßen Formfehlers unbrauchbar und dann kann es passieren, dass ich einfach blockiere und keinen Ton mehr rausbekomme.Ein weiterer Punkt ist, dass der Nachteilsausgleich, den ich in der Schule habe, freundlich gesagt völliger Bullshit ist. Ich darf Hausaufgaben abgeben statt sie vorzutragen. Also wenn der Lehrer Zeit hat. Allerdings ist das zu Unrecht als "Nachteilsausgleich" betitelt, denn Schüchterne und Schüler, die einfach nur ihre Note aufbessern wollen, können das genauso machen. Es ist also nur ein "wir sind ja so für Inklusion und finden für jeden Schüler 'ne Lösung".
Ich glaube auch, das war's mehr oder weniger.
Noch eine kleine Anekdote von meiner letzten Therapie beziehungsweise diesen Stunden, die man hat, um zu schauen, ob man mit dem Therapeuten klarkommt: anscheinend hielt diese Frau es für sinnvoll, jemandem mit einer Kombination aus Soziophobie und Selektivem Mutismus durchgehend anzustarren. Eine Therapeutin. Und ich rede wirklich von anstarren, nicht von "jemand guckt ganz normal in der Gegend rum und ich fühle mich angestarrt". Ich habe keinen Ton rausbekommen. Und sie hat einfach nicht gemerkt, dass sie das auslöst. Ich bin da nur mit meinen Eltern reingegangen, die ihr dann auch gesagt haben, dass es nicht funktioniert, wenn ich angestarrt werde. Sie hat trotzdem so weitergemacht.
Ich habe mir also einen anderen Therapeuten gesucht.Lg Robyn
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