Dieser Text ist in ähnlicher Form bereits auf Insta erschienen (@/quia_arbor, folgt mir da (#Eigenwerbung)), allerdings habe ich ihn stark kürzen müssen und er ist halt auf Englisch.
Also: ich bin im Bezug auf mein Gender zurzeit noch Questioning beziehungsweise ich habe beschlossen, kein Label für mich zu verwenden, zum einen weil ich nicht viel von Labeln halte, zum anderen weil ich kein für mich passendes gefunden habe. Ich habe über Non-Binary nachgedacht, aber es fühlt sich nicht richtig an (Enby lustiger Weise irgendwie schon) und ist ohnehin nur ein Überbegriff, und auch über Gender-Nonconforming.
In meinem Fall ist es einfach so, dass es für mich kein passendes Pronomen gibt. Alle fühlen sich für mich in etwa gleich an, manchmal sind alle okay, manchmal alle gleich scheiße, aber nie etwas schlechter als das andere. Genderfluid ist also ausgeschlossen. Und meine Unsicherheit bezüglich der Pronomina führen oft dazu, dass ich nicht weiß, wie ich für mich selbst gendern soll, was beim schreiben solcher Texte oft genug zu Problemen führt. Bin ich jetzt Autor (als neutrale, nicht maskuline Form) oder Autorin?
Ich habe keine Probleme mit Disphoria, das trifft aber auch nicht auf jeden zu, hilft mir also auch nicht weiter.
Ich bin mit meinem weiblichen Körper recht zufrieden, hätte aber auch nichts dagegen, androgyner zu sein und irgendwo wäre es mir auch ein Stück weit lieber. Ich ziehe es vor, Sport-BHs in Kombination mit weiten Oberteilen zu tragen, weil ich dann flacher wirke, binden würde ich aber nicht.
Ich habe nichts dagegen, afab (assigned female at birth) zu sein und ich kann das zwar nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, doch ich schätze, wäre ich amab (assigned male at birth), sähe es nicht anders aus. Also bin ich wohl auch nicht cis.
Ich trage fast ausschließlich Jungenkleidung, da ich mich in Röcken, Kleidern, Tops, weit ausgeschnittenen Oberteilen, Hot Pants et cetera unwohl fühle. Und das obwohl ich sowas früher gerne getragen habe.Nur dann denke ich mir: wie kann es sein, dass ich das alles erst spät merke? Kann ich überhaupt nicht-cis sein, wenn ich erst so spät darüber nachdenken und es hinterfrage?
Diese typischen Fragen, die einem normalerweise Cishets nach einem Coming Out stellen. Man sieht, man muss da nicht nachhaken, wir tun das selbst genug.Wie dem auch sei, man muss sein Gender nicht vom Kleinkindalter an hinterfragen. Und man hinterfragt seine Identität auch nicht zwangsläufig, indem man jedes Klischee ausreizt. Ein FtM(Female-to-Male)-Trans muss nicht zwangsläufig der größte Macho sein und ein MtF(Male-to-Female)-Trans mag nicht unbedingt rosa, Nagellack und Schminke.
Verwechselt nicht Geschlechterrollen mit Geschlechtsidentität. Nicht bei jedem, der nicht cis ist, passen Gender Expression und Geschlechterrolle zusammen.
(Kurzer Exkurs: Geschlechtsidentität/Gender identity: das Geschlecht, das man ist (aber nicht zwangsläufig auch biologisch!); Gender Expression: wie man sein Geschlecht nach außen hin zeigt; Geschlechterrollen/Gender Roles: das Verhalten, das die Gesellschaft aufgrund des Geschlechts von einem erwartet.)
Viele hinterfragen ihr Gender auch nicht, weil ihnen nur FtM und MtF bekannt sind und wenn sie das nicht sind, gehen sie davon aus, dass sie cis sind.
Noch ein Grund, weshalb wir dringend Aufklärung in den Schulen brauchen.Aber genug dazu, machen wir mit Labeln weiter oder genauer, warum ich sie ablehne:
1) Label vereinfachen einen komplexen Sachverhalt und können nicht mal ansatzweise ausdrücken, was in einem vor sich geht.
2) Label ebnen den Weg für Klischees und Schubladendenken. Leute scheren alle, die dasselbe nutzen, über einen Kamm.
3) Label zwingen einen, sich einzuordnen und nicht alle können das.
4) Label können von anderen als Ausschlusskriterium oder Beleidigung genutzt werden (ich habe oft genug mit aroace erlebt).
Das sind aber nur meine Gründe, wenn ihr für euch selbst Label benutzen wollt, tut das. Und ganz ehrlich, dafür gibt es auch genügend gute Gründe:
1) Label vereinfachen das Coming Out um einiges, da ihr nicht darauf angewiesen seid, dass die andere Person eure Umschreibung richtig deutet. (Mein erster Coming Out Versuch – ohne Label – ging komplett in die Hose. Der zweite war um Längen besser, auch wenn mich meine Eltern nach einem Treffen mit einem Jungen mehr ausfragen als nach einer Verabredung mit einem Mädchen, auch wenn ich von gar keinem Geschlecht was will.)
2) Label machen es einem einfacher, einen Ansprechpartner zu finden (also wenn dieser ein Label verwendet).
3) Label schaffen ein gewissen Community-Gefühl, man fühlt sich nicht alleine und merkt vor allem, dass man ganz normal ist.
Entscheidet das einfach selbst und guckt, womit ihr euch wohl fühlt, alles andere ist irrelevant. Und ihr könnt auch nur teilweise Label benutzen, etwa für sexuellen und romantische Orientierung aber für Gender nicht, ihr könnt euch auch umentscheiden und anfangen beziehungsweise aufhören, Label zu benutzen. Ihr könnt Label nur fürs Coming Out benutzen und danach nicht mehr, ihr könnt es in eure Bio schreiben, um ein potentieller Ansprechpartner zu sein oder wegen der Cisheteronormativität (heißt einfach, dass andere annehmen, ihr wäret cis beziehungsweise heterosexuell/-romantisch ohne dass ihr jemals was in die Richtung gesagt habt) doch ansonsten keine zu verwenden.Eine weitere Sache, über die ich noch schreiben will, ist dieses "LGBTQIA+ (in diesem Fall Non-Binary) als Trend" wie man es neulich in der Zeit lesen konnte.
Keine Sexualität und kein Gender ist ein Trend! Es ist keine Mode, es ist nicht cool und wir suchen uns das nicht aus! Denkt doch mal nach, warum sollten wir uns etwas aussuchen, wofür wir diskriminiert werden, wofür uns unsere Existenz abgesprochen wird?
Der Grund, weshalb sich immer mehr Leute outen ist einfach, dass wir endlich Begriffe dafür haben, dass wir uns endlich informieren können (es geht nun mal fast ausschließlich übers Internet und größtenteils auf Englisch), dass wir endlich nicht mehr als psychisch krank gelten.
Und in Kreisen, in denen es ohnehin viele queere Leute gibt, hinterfragt man seine Sexualität/sein Gender viel öfter und man traut sich eher, sich zu outen, weil man weiß, dass man akzeptiert wird.
Wenn es einen Trend (im Sinne von Entwicklung) gibt, dann einen Trend zur Selbstfindung.
Und noch mal ganz klar: Enbys lehnen die Zweigeschlechtigkeit nicht zwangsläufig ab, es ist keine Haltung, sie wollen sich nicht nicht einordnen sondern können es im binärgeschlechtlichen System einfach nicht, weshalb sie sich als Non-Binary einordnen.Und zu guter letzt zum Thema Pride. Neulich kam auf Twitter die Frage auf, ob wir denn nicht lieber stolz auf Dinge sein können, die wir geleistet haben als auf angeborene. Berechtigter Einwand und ich stimme ihr da auch teilweise zu. Wir sind aber nicht nur stolz auf angeborenes sondern auch darauf, dass wir uns entschieden haben, unsere Identität öffentlich zu zeigen und so riskieren, diskriminiert zu werden.
Außerdem sorgt Pride für Sichtbarkeit, dafür, dass wir auch als normale Menschen angesehen werden.
Wir brauchen Pride solange Cisheteronormativität existiert.
Wir brauchen Pride solange Schwule in "normalen" Clubs beschimpft oder gar verprügelt werden, nur weil sie flirten.
Wir brauchen Pride solange hetero Männer nicht akzeptieren, dass die Frau, die sie anmachen, lesbisch oder ace ist.
Wir brauchen Pride solange Transmysogynie existiert.
Wir brauchen Pride solange Queers ihre Existenz abgesprochen wird.
Und ich wünsche mir wirklich, wir bräuchten kein Pride und keine Safe Spaces mehr.Noch einen Sache, ich habe sie ganz bewusst an den Schluss gepackt, damit es nicht vergessen wird:
Ich bin momentan auf der Suche nach einem gender neutralen Namen doch irgendwie will keiner passen. Wenn euch welche einfallen, bitte in die Kommentare damit.
DU LIEST GERADE
Zum Meinungsbuch mutiertes Etwas
De TodoEigentlich als Buch für Unnötiges geplant, ist das hier recht schnell zu einer Plattform für meine Meinung geworden, wo ich mich aufregen kann und ein bisschen was aus meinem Leben erzähle. Inzwischen ist gefühlt die Hälfte über LGBTQIA+, wobei natü...