Kraftlos

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Kapitel 6/Kraftlos

Es hatte lange gedauert bis sie einen festen Entschluss fasste.
Sie würde fliehen, sie wusste zwar nicht wohin, aber sie musste weg.
Weg von diesem Haus dessen Wände ihr näher zu kommen schienen um sie anschließend einzuengen.


Sobald alle Lichter aus waren und kein Mucks mehr zu hören war, stieg sie aus ihren Bett und wanderte zum Kleiderschrank.
In aller Eile zog sie sich einen Pullover über, darüber einen flaumigen Mantel der ihr Körper warm halten sollte.
Hastig band sie sich einen Schal um den Hals und schlüpfte in ihre Stiefel. Asya setzte ihre Mütze auf und kramte im Kleiderschrank herum.
Es dauerte eine Weile bis sie ihren alten Koffer wieder fand und nahm ihn mit.
Sie würde all ihren Besitz verkaufen und sich mit dem Geld ein Proviant für die Woche besorgen, bis sie eine Lösung fand wie es jetzt weiterging.
Mit leichten Schritten ging sie auf die Tür zu und öffnete diese vorsichtig.
Als hätte diese es auf sie abgesehen, öffnete sie sich mit einem lauten Quitschen, sodass Asya befürchtete, dass es jemand aufgeweckt haben könnte.
Ihr Herz hämmerte ihr gegen der Brust und Schweißperlen kennzeichneten ihre Anspannung. Sie musste vorsichtig sein, wenn sie nicht erwischt
werden wollte. Mit leisen Schritten stahl sie sich den Flur entlang und spähte vorsichtig in allen Richtungen um sich zu vergiwissern, dass ihr niemand
auf den Fersen war. Als sie an der großen Treppe ankam stieg in ihr die Panik. Es war dunkel und sie konnte kaum etwas sehen, was wenn sie eine Stufe
mit ihrem Fuß nicht warnahm? Asya schüttelte den Kopf, es war die perfekte Chance und die würde sie sich nicht entgehen lassen.
Mit sicheren Schritten, als ob sie es einstudiert hätte schritt sie die Treppe hinunter.
Ihre Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit und sie fand sich nun viel besser zurecht.
Das Haus war groß und Asya kostete es viel Überwindung nicht aufzugeben.
Es gab Abzweigungen,hunderte Gänge und tausende von Türen die einander gleichten.

Aber ihr Wille war stärker.
Nach einiger Zeit stand sie vor den Eingang.
Ihre Hand zitterte und ihr Atem bebte. Sollte sie es wirklich tun?
Würde Davut sie suchen und wieder zurückbringen, oder ist ihr Verschwinden ihm gleichgültig?
Würden sich Semih und Jamila sich Sorgen um sie machen? Auch wenn sie es ungern zugab, Davut's Eltern waren ihr die letzten Tage so richtig ans Herz gewachsen.
Semih, aus dessen Gesicht nie das Lächeln wich. Seine Witze die sie schmunzeln ließen - egal wie sehr sie sich dagegen sträubte.
Jamila dessen Augen sie jedesmal liebevoll betrachteten, als sei sie ihre eigene Tochter. Selbst ihre Komplimente ,die Asya jedes mal rot werden ließen würde sie vermissen.
Entschlossen ließ sie ihre Hand der Türklinge näher kommen, die Familie war nett, das war klar.
Aber die Freiheit die da draußen auf sie wartete klang verlockender.
Die Freiheit die sie schon seit mehreren Jahren anstrebte, aber nie an sie herankam. Sie gab sich ein Ruck und drückte die Klinge herunter.
Nichts konnte sie jetzt noch hindern. Sie schloss die Tür hinter sich und sah gerade aus.
Sie beschloss nicht zurückzuschauen, denn je weniger sie nachdachte, desto leichter fiel ihr es.
Asya setzte einen Schritt nach den anderen. Sie konnte es kaum fassen, sie war frei.-Nach all den Jahren.
Ein Lächeln kräuselte sich auf ihren Lippen und vor Vergnügen beschleunigte sie ihr Tempo.

Vor lauter Vorfreude vernahm sie die Gestalt die neben ihr stand nicht wahr.
Erst als sie dagegen stieß sah sie überrascht auf und wich zurück als sie bemerkte wer das ist.
"Wohin willst du so spät?"
Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und die Tränen sammelten sich.
Sie war kurz davor es zu schaffen, wieso ausgerechnet in dem Moment ist ER aufgetaucht?
Davut kam ihr näher. Seine grauen Augen funkelten sie wütend an und seine Augenbrauen zogen sich zusammen.
"Ich hab dich was gefragt!",seine Stimme klang wütend, aber wenigstens schrie er nicht.
"Nichts, ich-"
"Wohin wolltest du so spät? Und wehe du lügst mich an!",fragte er diesmal lauter.
Asya sah auf den Boden, sie traute sich nicht in seine Augen zu sehen. Seine Blicke machten sie fertig.
Er kam ihr näher und sie konnte seinen Atem spüren.
"Du wolltest flüchten nicht wahr?"
Seine raue Stimme ließ sie zusammenzucken. Sie klang vorwurfsvoll und wütend.
Davut's Hände ergriffen die ihre und er zerrte sie wieder ins Haus. Sorgfältig schloss er die Tür und überprüfte sie ehe er sie weiter hinterherführte.
Asya versuchte sich aus seinem starken Griff zu befreien doch anstatt ihn zu lockern drückte er sie fester. Asya stöhnte vor Schmerz auf und verzog hr Gesicht.
Er brachte sie in seinem Zimmer und schloss auch die ab. Endlich ließ er von ihr ab und Asya rieb sich mit schmerzverzerrten Miene an ihrem Handgelenk, dass mittlerweile rot angelaufen war.
Davut ging auf und ab. Man sah ihm die Wut an. Asya zitterte und fragte sich was wohl jetzt mit ihr geschehen würde. Sie erinnerte sich noch an die Wörte von Davut:
"Ein Fehler, ich schwörs dir und du bist Tod. HABEN WIR UNS VERSTANDEN?!"
Den Blick von damals hatte sich in ihrem Gedächnis eingeprägt und ging kaum wieder weg.
Würde er sie umbringen? Oder foltern?
'Er ist zu allem Imstande' schaltete sich ihr Verstand ein.
Aber ihr Herz riet ihr nicht vorher über ihn zu urteilen. Hakan war am Ende auch kein schlechter Mensch gewesen.
Aber den Gedanken, dass er sie in wenigen Minuten umbringen wird, ließ ihr einfach keine Ruhe.
"BIST DU NUN VÖLLIG BESCHEUERT!?! Was fällt dir ein, Mädchen? Ist dir klar was du ausgelöst hättest, wenn du spurlos verschwunden wärst?"
Asya zuckte zusammen und sie kämpfte mit den Tränen. Sie war es eigendlich gewohnt angeschrien zu werden, aber es von einem Fremden zu werden ist einfach demütigend.
Nein,sprach sie sich selber zu. 'Ich werde nicht weinen, nicht vor ihn'
Davut kam ihr näher und packte sie schmerzhaft am Kinn. Ein Schrei gellte über ihre Lippen, versiegte aber dann so schnell wie es gekommen war. Davut ließ sie los und sie fiel nach hinten.
Die Tränen liefen ihr über das Gesicht und sie brach in ein bitterliches Weinen aus. Ihr Körper bebte bei jeden Schluchzer den sie herausließ und sie könnte sich selber im Moment schlagen.
Zwei starke Hände hoben sie hoch. ""Hey-", begann er aber sie unterbrach ihn.
"Bitte setz allen ein Ende, Davut.", ihre Stimme klang brüchig und man hörte sie kaum.
"W-was?",fragte er verwirrt.
"Töte mich bitte. Setz allen ein Ende, ich kann so nicht Leben. Bitte tu es."
Er schüttelte entschlossen den Kopf. "Komm steh auf!"
"K-keine Kraft",flüsterte sie.
Davut half ihr hoch, sodass sie auf eigenen Füßen stand. Seine großen Hände verweilten auf ihre Taille um sie zu stützen.
Er hob mit einer Hand ihr Kinn hoch, damit sie ihm ins Gesicht sah.
"Hör auf zu weinen",sprach er sanft.
Asya wunderte sich über seinen leisen Tonfall.
Mit ihren Händen fuhr sie sich über die Wangen, die mittlerweile vor Tränen trieften.
"Komm ich bring dich in dein Zimmer",teilte er ihr mit und Asya nickte.
Sie schwankte ein paar Schritte, aber kam nicht mehr weit voran. Ehe ihre Beine nachgaben stützte sie Davut.
"Pass auf. Komm ich trag dich."
"N-nein", versuchte sie ihm zu wiedersprechen, doch schon im nächsten Moment fand sie sich in seinen Armen wieder.
"D-davu- aaaaaah" Ein herzhaftes Gähnen brachte sie dazu den Satz nicht zu vervollständigen.
Er lächelte und bog in den Korridor wo ihr Zimmer lag ein.
"Gleich kannst du einschlafen."
Asya nickte und vergrub ihr Gesicht in seine Brust. Sie atmete seinen wundervollen Duft ein, der ihre Sinne benebelte.
Davut öffnete ihre Zimmertür und lag sie vorsichtig auf das Bett. Er zog ihr die Schuhe aus, ihren Mantel und den Schal.
Dann deckte er sie sorgfältig zu und machte das Licht aus.
Das leise Quitschen der Tür verriet, dass er ihr Zimmer verlassen hatte.
Asya's Augenlider wurden schwerer, bis sie entgültig zuklappten und sie in einen traumlosen Schlaf fiel.

AsyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt