Ein Stein

2.1K 79 5
                                    

Kapitel 26/ Ein Stein

„Und du bist dir sicher, dass es dir gut geht?", seufzte Pinar heikel und Asya nickte. „Er vermisst dich wirklich, weißt du?" Eine peinliche Stille trat ein und eine Weile lang wussten beide nicht, was sie sagen sollten. „Wie geht es Jamila, Leyla und Semih?", fragte Asya um das Thema in eine andere Richtung zu lenken. „Asya, nein, wir reden jetzt und klären das! Beantworte meine Fragen jetzt ehrlich", entgegnete Pinar etwas säuerlich, weil sie ständig ins Schwarze traf, wenn sie mit Asya über Davut reden wollte. „Was empfindest du für Davut?" „Ich weiß es nicht", flüsterte sie und spielte etwas verlegen mit ihrer Hand, während das Blut in ihrem Kopf schoss. „Wieso wolltest du ihn überhaupt verlassen?", fragte Pinar wütend und hob Asya's Kinn hoch, damit sie ihr Gesicht nicht mehr vor ihr versteckte. Als sie nicht antwortete, schüttelte Pinar nur ihren Kopf, spannte ihre Schultern an und biss sich auf die Unterlippe. „Er würde dich gerne noch einmal sehen, wenn du damit einverstanden wärst. Ich weiß, deine Mutter wird nicht gerade begeistert davon sein, aber überleg es dir bitte gut. Das Davut und Semih getan haben war falsch, dabei pflichte ich deiner Mutter zu, aber Davut hat sich wirklich verändert, seitdem du in sein Leben eingetaucht bist. Er behandelt seine Mitmenschen nicht mehr kalt wie früher, sondern nimmt jetzt mehr Rücksicht auf sie", sagte sie etwas verzweifelt und blickte Asya nun in die Augen. „Ich weiß, dass du endlich deine Eltern gefunden hast, Asya. Du bist nun glücklich, aber denk doch gründlich darüber nach. Du kannst Davut und deine Familie haben, damit machst du nicht nur dich, sondern auch andere glücklich. Bist du einverstanden?" „Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist", setzte Asya an, doch Pinar unterbrach sie abrupt. „Es ist mir egal, du wirst dort hingehen. Deiner Mutter sagen wir nichts, ich werde am Abend wieder hier sein und passende Kleidung für dich heraussuchen. Dann wirst du zu Davut hingehen und ihr beide werdet euch ausprechen, dann kommt ihr wieder zusammen, werdet glücklich und bekommt lauter kleine Babys." Ihre Stimme klang so selbstsicher, dass Asya zu lachen anfangen musste. „So schnell?" Pinar nickte und griff zu ihrer Handtasche. „Ich muss jetzt wirklich gehen, sonst rastet meine Tante noch aus", sagte sie nicht gerade begeistert und erhob sich vom Bett. „Bis nachher", murmelte Asya, doch Pinar hatte sich schon längst aus dem Zimmer geschlichen und die Tür hinter sich geschlossen.

Sie wusste nicht weshalb sie den Dachboden betrat; vielleicht hatte die Neugier dazu bewegt, die alte Tür aufzumachen und sich die vielen Kisten anzusehen, die mit der Zeit von einer dicken Staubschicht überzogen wurden. Und doch tat sie es. Ein mulmiges Gefühl in ihr verriet, dass sie hier nicht hätte sein dürfen. Asya zog die Tür hinter sich zu und ließ sie einen kleinen Spalt offen, aus dem ein goldener Streifen, den schwarzen Felsboden erhellte. Allmählich gewöhnten sich ihre scharfen Augen an die Dunkelheit und mit der Zeit konnte sie die Konturen der verschiedensten Gegenstände ausmachen. Doch ein dickes, eingebundenes Buch zog ihre ganze Aufmerksamkeit an sich. Vielleicht lag es an dem schönen Einband, oder an der schönen goldenen Schrift, doch anders als all die anderen Sachen dort, war dieses nicht mit Staub überdeckt. Jemand hatte es vor kurzer Zeit durchgeblättert. Sie fuhr mit ihren langen Fingern die Kanten des Buches entlang, bevor sie es aufklappte und ein paar alte Fotos erblickte. Das erste zeigte zwei kleine Kinder auf einer Schaukel, die sich gegenseitig die Zunge ausstreckten. Eines der beiden Kinder, war ein Junge der eine dunkle Ballonmütze trug, das andere ein Mädchen, welches welliges, glänzendes und langes Haar hatte, trug im Gegensatz zu dem Jungen ein geblümtes Kleid, welches sie vielleicht süß hätte aussehen lassen, wenn sie nicht so eine blöde Schnute gezogen hätte. Es dauerte eine Weile, bis sie bemerkte, dass die beiden Kinder Yasmin und Adnan waren. Sie blätterte die Seiten durch und konnte dadurch einen groben Einblick auf das Leben ihrer Eltern erhaschen. Als sie bei der letzten Seite angelangt war, hielt sie inne und betrachtete das letzte Bild, wo Adnan ein kleines Bündel sanft in seinen Händen trug und Yasmin glücklich anlächelte. Es war ein kleines Kind, welches nicht älter als ein paar Monate alt sein dürfte. Am Rand des Bildes war in schwarzer Schrift etwas hinzugefügt worden: S. M. 1979-1980. Das konnte unmöglich sie sein, denn Asya war gut zehn Jahre früher geboren worden. „Scheint so, als hättest du unser Fotoalbum entdeckt", meinte eine Stimme hinter ihr und Asya ließ erschrocken das schwere Buch aus ihrer Hand fallen, welches mit einem dumpfen Knall auf den Boden landete. „Tut mir leid", meinte sie, nachdem sie sich von ihrem Schock erholt hatte. „Ich wollte nicht rumschnüffeln." „Schon gut", lachte Yasmin abwehrend und legte sanft eine Hand auf ihre Schulter. Sie warf einen Blick auf das Buch und hob es wieder auf; die Seite in der Asya stehen geblieben war, stand offen da. „Wer ist das?", fragte Asya etwas vorsichtig, doch Yasmin gab keine Antwort. „Samir Mahmoud", flüsterte sie daraufhin und beantwortete somit selbst ihre Frage. „Woher weißt du das?" In Yasmin's Gesicht war blankes Entsetzen zu sehen. „Ein Grabstein, in der Nähe von unserem Haus", flüsterte sie versonnen vor sich hin und scharrte mit ihren Füßen auf den Boden. Yasmin schien zu merken, das sie die Wohnstätte von Davut meinte. Ein dunkler Schatten legte sich über ihr Gesicht und ihre schönen Augen verengten sich zu Schlitzen. „Lass uns nach unten gehen, Asya. Mir ist hier nicht behaglich zumute!", murrte sie und sprintete die Stufen hinunter - Asya im Schlepptau. Als sie unten angekommen waren, stieß sie die Zimmertür auf, ließ Asya eintreten und schloss sie dann wieder. Sie linste einen Moment aus dem Schlüsselloch zum Flur; als sie bemerkte, dass sie ungestört bleiben werden, ließ sie sich auf das Bett fallen und lächelte Asya beruhigend zu. „Setz dich, Liebes", forderte sie auf und Asya befolgte ihre Bitte. „Du scheinst mit mir über etwas reden zu wollen", meinte Asya und runzelte die Stirn. „Davut", begann Yasmin sofort und tat so, als wäre ihr der letzte Satz von Asya entgangen. „Er ist nicht gut für dich." „Mutter!" Asya stöhnte genervt auf. Sie hatten das Thema so oft durchgekaut, und doch wollte Yasmin nicht locker lassen. „Das ist ein ernstes Thema, meine Liebe", entgegnete sie finster. „Du kennst Davut-" „Das ist es ja! Ich kenne ihn und das ist der Grund, weshalb ich nicht möchte, dass ihr länger verheiratet bleibt-" „Woher erkennt man, dass man eine Person liebt, Mutter?" Die Frage kam so überraschend, dass Yasmin sie überrascht ansah und einen Moment lang ihre Fassung verlor. „Wieso möchtest du das wissen?", fragte sie etwas misstrauisch und als Asya ihre Schultern zuckte, seufzte diese nur und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. „Es ist einfach ein seltsames Gefühl. Man denkt nur an die eine Person, weil sie einem nicht mehr aus dem Kopf gehen möchte. Wenn die Person einem nahe kommt, scheint das Herz still zu stehen. Deine Lunge zieht sich zusammen und dein Magen scheint unzählige Saltos zu schlagen. Man erkennt, dass man eine Person liebt, indem man merkt, dass man ohne sie nicht leben möchte." Ich liebe dich Davut, fügte sie im Stillen hinzu, hatte aber Angst es laut zu sagen, weil es Yasmin hören könnte. „Davut hat angerufen", meinte sie mit grimmiger Genugtuung. „Und ich musste leider euer kleines Treffen absagen, Asya. Unglaublich, dass er sich nach allem noch getraut hat hier anzurufen!" Nein.

Eine sanfte Brise ließ die langen, hellen Vorhänge sanft hin und her wiegen. Asya schlief felsenfest, als sie von außen ein leises Klopfen hörte. „Mutter?" Das Knacken kam von dem Balkon und Asya's Müdigkeit verflog auf der Stelle. Sie eilte zu der gläsernen Balkontür, lehnte sich über die Brüstung und spähte in die Dunkelheit. Ein kleiner Stein traf sie mitten ins Auge und sie begann zu fluchen. „Asya?" Seine Stimme ließ ihr Herz höher schlagen, beinahe stillstehen. „Davut?", flüsterte sie unsicher in die Dunkelheit und der dunkle Schatten, der sich vorher im Schutz der Bäume gekauert hatte, trat an das Mondlicht. „Kannst du herunterkommen?", raunte er, doch Asya schüttelte nur traurig den Kopf. „Davut, geh. Bevor dich noch jemand sieht!", drängte sie, doch er schüttelte nur wütend seinen Kopf. „Ist mir egal. Komm sofort runter, oder ich schreie", drohte er und in Asya keimte Panik auf. „Schrei nur, dich wird sowieso keiner hören", entgegnete sie, doch das schien ihn noch mehr in die Sache reinzusteigern. „Dann klingle ich eben, deine Wahl", gab er gleichmütig zurück und steuerte ernsthaft auf die Haustür zu. Lebensmüder, kranker Idiot. „Schon gut", zischte sie. „Ich muss mir nur etwas anderes anziehen." „Nein, dafür habe ich keine Zeit. Zieh einfach eine Jacke drüber." Sie nickte nur und bemühte sich, alles schnell und leise zu tun, um den Idioten keine Möglichkeit zu geben, etwas Dummes anzustellen. Ihr weißes Nachthemd reichte ihr gerade noch bis zum Knie und war so dünn, sodass sie zu zittern anfingen als ihr die eisige Luft zwischen den Ohren pfiff. Ihre Füße hatte sie in ein Paar schwarzer Ballerinas verfrachtet und ihre Haare waren von dem Schlaf zersaust. „Davut?", flüsterte sie vorsichtig und suchte die Gegend nach ihm ab, konnte ihn jedoch nirgens sehen. „Davut, bist du noch da?" Als Antwort, hoben sie zwei kräftige Arme hoch und warfen sie über die Schulter. „Schrei nicht, oder du weckst noch die anderen auf", kreischte Davut etwas mädchenhaft und begann vergnügt zu lachen. Er steckte sie in seinen Wagen, schnallte sie an, ehe sie etwas dagegen ausrichten konnte und setzte sich schnell auf den Fahrersitz. „Was hast du vor?", fragte Asya ihn etwas aufgebracht und Davut lächelte. „Ich entführe dich, mal sehen, was deine lieben Eltern davon halten." Er startete den Motor und fuhr los.
***
Nein, sie werden im Auto nicht anfangen, ein Kind zu zeugen
Hoffe euch hat das Kapitel gefallen, meine Süßen. Kommentiert bitte, wie es euch gefallen hat, damit ich weiß, was ich nächstes mal besser machen könnte. Bei Rechtschreibfehlern, es tut mir leid, mein Word funktioniert nicht richtig und meine Augen sind nicht die Besten, deshalb mag ich es nicht die Kapitel durchzulesen.
Bei Fragen, ich stehe euch jederzeit zur Verfügung: http://ask.fm/JetteJemima

AsyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt