Vergangenes

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Kapitel 14/ Vergangenes

"Du bist mir noch eine Antwort schuldig!", sprach Davut finster und zeigte wütend auf das Foto von ihrem Vater, welches an der Kette von Asya angebracht war.
Asya richtete sich langsam auf und rieb sich müde die Augen.
"W-Was?", gähnte sie und sah ihn verschlafen an.
"Wer ist das?", flüsterte Davut jetzt mit einen Ton, der keine ehrliche Antwort nicht dulden würde und deutete abermals mit seinem Zeigefinger auf die Kette, die sie im Schlaf an sich geklammert hatte.
"I-Ich-", stammelte Asya erschrocken und klappte die Kette zu, damit er keinen weiteren Blick darauf erhaschen konnte.
"Ich dachte du wärst in der Arbeit?", stotterte sie verzweifelt und mied jeglichen Blickkontakt.
"War ich auch", grinste Davut, "Und jetzt bin ich wieder zurück!"
Verwundert sah sie zur Uhr und stellte fest das er völlig Recht hatte: Es war bereits Nachmittag geworden.
"Wie war den die Arbeit?", fragte sie und sah ihn mit unschuldigen Augen an.
"Wechsel jetzt bloß nicht das Thema!", rief er wütend und sah sie mit zusammengezogenen Augen an.
Asya seufzte vernehmlich und rollte genervt mit ihren Augen.
"Und?", sprach Davut erwartungsvoll, doch Asya brachte kein einzigen Mucks zustande.
"Asya, wer ist dieser Mann?", wiederholte er seine eindringlichen Wörter und kam ihr dabei gefährlich nahe.
"Was schert es dich, wer er ist!", fauchte sie gereizt und senkte ihre mittlerweile feuchten Augen um ihre Trauer zu verbergen.
Stille. Davut schien bemerkt zu haben das sie zutiefst entrückt ist, und sagte einen Moment garnichts.
"Liebst du ihn immer noch?", fragte er vorsichtig und Asya schreckte hoch.
"Wovon redest du?"
"Na von den Jung-", begann er, doch Asya unterbrach ihn.
"Das ist mein Vater du Dussel!", sie schien zutiefst bestürzt.
"Dein Vater?", fragte Davut verwundert und sah sie neugierig an.
"Ich dachte deine Eltern wollten dich loswerden?", begann er vorsichtig doch Asya schüttelte verletzt über seine Worte den Kopf.
"Du weißt gar nichts!", flüsterte sie traurig, doch Davut schien es gehört zu haben.
Er hob die Decke etwas hoch und saß sich eng neben ihr.
"Dann lernen wir uns ein wenig besser kennen, ich habe eigendlich nichts vor!", sagte er nachdenklich.
Asya wollte wegrücken, doch Davut zog sie wieder an sich und schlang seine großen Arme um sie.
"Bist du völlig verrückt?", rief sie wütend und versuchte sich von ihm loszureißen, doch anstatt von ihr abzulassen drückte er ihren kleinen Kopf an seiner Brust, damit sie aufhören musste zu fluchen.
Als er sich endlich vergewissert hatte, dass sie sich nicht ihm entziehen würde, ließ er seine Hand von ihrem Kopf und sah sie unschuldig an.
Sie zappelte herum:"Lass mich los!"
"Und was wenn nicht?", informierte er sich äußerst desinteressiert.
"Dann schlag ich dich Bewusstlos, sodass dir Hören und Sehen vergeht!", drohte sie ihm und Davut lachte über ihre lächerliche Aussage.
"Blödmann!", meinte sie daraufhin und zwickte ihn so lange, damit er sie losließ, bis er sich aufregte.
"Asya, reiz bloß nicht das Tier in mir!", rief er wütend.
"Du denkst doch nicht ernsthaft, dass ich Angst vor einem Esel hab!", entgegnete sie und sah ihn finster an.
Davut ignorierte diese Aussage und widmete sich erneut seinem eigendlichen Ziel zu.
"Also, wo war ich stehen geblieben?", er überlegte eine Weile, bis sich sein Gesicht wieder aufhellte,"Achja stimmt, also lernen wir uns etwas besser kennen."
Asya seufzte vernehmlich und wusste das ihr jetzt eine unangenehme Diskussion bevorstand.
"Ich heiße Davut", meinte er daraufhin und Asya die gedacht hätte jetzt käme seine Lebensgeschichte, prustete los.
"Was ist?", fragte er verärgert als er sah, dass sie ihn auslachte.
"Nichts?", grinste Asya und vergrub ihr Gesicht in Davut's Brust um ihr Lächeln zu verbergen. Als sie bemerkte, was sie da tat, hob sie erschrocken ihr Kopf, wobei sie gegen sein Gesicht aufschlug.
"Jetzt bist du dran!", meinte er immer noch wütend, das sie ihn nicht ernst genommen hatte und das Lächeln, das sie vor einer Weile noch auf den Lippen trug erstarb.
"Erzähl mir einfach wie du aufgewachsen bist", ermutigte er sie, Wörter aus ihren Lippen zu entlocken, doch Asya war immer noch nervös.
"Kannst du mich wieder loslassen?", raunte sie und Davut schüttelte den Kopf.
"Erst wenn ich alles über dich weiß!"
"Ich-"
"Du vertraust mir nicht?", fragte er ohne eine Spur der Verwunderung.
Asya schüttelte den Kopf und Davut ließ sie für einen Moment lang los. Er hob die Decke hoch, legte sich wieder hin, doch diesmal sitzend.
Dann nahm er sie wieder in die Arme, sodass sie sich an seiner Brust lehnte.
Asya schrie empört auf und sträubte sich einen Moment lang gegen seine Berührungen.
"Was soll das?"
"Wenn du in beim Erzählen in Tränen ausbrichst, muss dich jemand trösten und dir deine Tränen wegwischen. In diesem Falle bin es ich und das geht sehr schlecht, wenn du mir den Rücken zuwendest!"
"Wer hat gesagt., dass ich dir etwas erzählen werde?"
Einen Moment lang verschmolzen ihre Blicke ineinander und Asya die es nicht mehr standhalten konnte sah zu der Decke runter.
"Vielleicht fühlst du dich besser, wenn du mit jemanden dein Schmerz mitteilst, den du erlebt hast!", er runzelte die Stirn und Asya musste feststellen, dass er Recht behielt.
Sie nickte und atmete tief durch ehe sie zu erzählen begann. Wer hätte gedacht, dass sie Davut, den Mann den sie von Anfang an nicht ausstehen konnte, etwas über ihre Vergangenheit erzählen würde?
"Ich wuchs bei meinen Großeltern auf. Tag und Nacht musste ich hart für mein Essen schuften, während ich den anderen Kindern dabei zusah wie sie draußen miteinander spielten. Ich hatte im Dorf keine Freunde, keine Familie und keinen der mir das Gefühl gab ein Mensch zu sein.
Ich litt jeden Tag, psyschich sowie körperlich. Meine Großmutter machte mich jeden Tag fertig und warf mir Vorwürfe gegen den Kopf, dass ich angeblich der Grund für ihre Armut sei.
Ich hatte niemanden der mir half und langsam wuchs ich auf. Die Dorfmädchen haben mich verabscheut und niemals mit mir geredet, so als sei ich Abschaum. Ein Stück Dreck das man weggeworfen hätte und man es nicht einmal einen Blick würdigte.
Also war ich allein. All die Jahre lang. Die Einzigen Menschen mit denen ich redete waren meine Großeltern und manchmal...manchmal hatte ich vergessen wie meine Stimme klang. Ich hatte vergessen wie man lachte oder lächelte.
Ich habe es verlernt Menschen zu lieben, man hat mir jedes kleines bisschen Menschlichkeit das ich in mir besaß weggenommen. So kam es mir vor. Manchmal stand ich an den Fenster und dachte mir wann es endlich vorbei sein würde. Wie es sein würde endlich frei zu sein, etwas außer diesen Dorf zu sehen.
Ich wurde geschlagen gedemütigt. Man verbat mir in die Schule zu gehen, doch ich gab nicht auf. Ich fand ein Buch auf der Straße und nahm es mit nach Hause. Ich brachte mir selbst bei wie man liest und schreibt. So gingen die Jahre dahin."

Asya sah zu Davut der die ganze Zeit gelauscht hatte ohne sie zu unterbrechen. Mit einem Nicken trieb er sie förmlich dazu an ihn mehr zu erzählen.

"Doch dann kamst du!", ihre Stimme zitterte, "Als ich hörte, dass ein reicher Junge aus der Stadt käme, war es mir egal. Doch die Mädchen um mich herum schienen entzückt vor lauter Begeisterung.
Ich hatte versucht mich aus dem Bild zu halten, damit du mich nicht bemerkst, weil ich ganz genau wusste das du nie im Leben Zeit hättest die ganzen Mädchen haargenau zu betrachten.
Ich war nicht bereit einen Jungen zu heiraten, dessen Namen ich nicht einmal kannte und von dem ich weiß, dass er die Mädchen nur aufgrund ihres Aussehens auswählte.
Es war ein Fehler von mir zu lachen. Vielleicht wärst du dann einfach an mir vorbeigerannt und somit wärst du jetzt glücklich", erzählte sie kleinlaut und atmete tief durch ehe sie fortfuhr:"Kurzer Zeit später fand ich heraus, dass der Dorfanführer Hakan
meiner Mutter versprochen hatte auf mich aufzupassen. Er überredete mich dazu die Heirat einfach an mich ergehen lassen. Hakan dachte das ich in besseren Händen sei und dass er nicht lange genug überleben würde um sich um mich zu kümmern.
Ich musste ihm versprechen, dass ich dich heiraten werde. Als Gegenleistung dafür erzählte er mir etwas über meine Eltern. Sie hatten mich verlassen als ich klein war. Doch das gegen ihren Willen.
Hakan starb am Tag danach, der einzige Mensch den ich Zuneigung verspürte starb. Als ich mich mit dir stritt fand ich diese Kette an meinem Koffer mit einem Brief von meinen Eltern, dass sie mich immer lieben würden, egal was geschieht."

Stille.
"Bereust du es, das wir geheiratet haben?"
Asya hob den Kopf und zuckte mit den Schultern
"Es hat ein paar Vorteile doch Nachteile ebenso!", wählte sie ihre Wörter mit Bedacht.
"Du hasst mich?", fragte er beleidigt.
"Nein i-"
"Du liebst mich?", lächelte er als er ihr verdutzten Blick auffing.
"Nein!"
"Was empfindest du dann gegenüber mir?", trieb er sie in die Weißglut.
"Gar nichts!", meinte Asya gleichgültig und wischte sich mit der Spitze des Lakens die Tränen weg, die ihr beim Erzählen in die Augen getreten sind.
Jedoch war kaum noch etwas was man ausrichten kann, denn Davut hatte sein Wort gehalten und hatte ihr beim Erzählen sämtliche Tränen mit seinen warmen Händen abgetrocknet.
Sie bemerkte, dass sich sein Griff um ihr gelockert hatte und riss sich von ihm weg.
Ehe er es sich versah, landete ein Kissen mitten in sein Gesicht und zwei wütende Augenpaare sahen ihn an.
"Das war dafür, dass du mir wieder zu nahe gekommen bist!", rief Asya verärgert und funkelte ihn wütend an.
"Das wird mich trotzdem nicht hindern dir zu helfen!", sagte Davut entschlossen und ballte seine Hände zu Fäusten.
"Womit?", informierte sich Asya und sah ihn mit fragenden Blicken an.
"Dir helfen deine Eltern zu finden.", antwortete Davut als sei es das selbstverständlichste auf der Welt.

AsyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt