Kapite 21/ Entscheidente Worte
Er faltete seine Hände zusammen, ließ sich auf den Sessel nieder und fixierte Davut mit einem strengen Blick. Seine dunklen Augen wanderten unsicher über den Raum, so als ob er versuchte eine Möglichkeit zu finden das Gespräch nicht führen zu müssen. »Du wolltest mich unbedingt sehen«, flüsterte Davut heiser und sah auf seinen Füßen. In den letzten Wochen hatte sich sein Aussehen mächtig verändert, sodass er kaum wieder zu erkennen war; seine Kleidung hatte er einfach zusammengewürfelt, sein Bart war beträchtlich länger geworden und er machte einen besonders schwachen Ausdruck. Davut sah auf. »Wieso?« Semih schluckte und wagte es endlich in die Augen seines Sohnes zu sehen. »Davut, ich...«, setzte er an, doch vervollständigte seinen Satz nicht. Er konnte es nicht über sich bringen es ihm zu sagen, er konnte nicht das Herz seines Sohnes brechen. Semih wusste was Davut zu Asya hegte, er kannte seine Gefühle, auch wenn dieser sie nicht zu äußern pflegte. »Asya«, brachte er nach einer Weile über seine Lippen und Davut fuhr unwillkürlich zusammen. Sein Herz pochte bei dem Klang ihres Namens, schnell gegen seine Rippen und die Luft um ihn herum begann zu knistern. »Was ist mit ihr?«, fragte Davut und versuchte vergebens eine gleichgültige Miene aufzusetzten, als ob dies eine beiläufige Frage wäre und es ihm nicht interessierte. Als Semih sah, welch kindisches Verhalten sein einundzwanzigjähriger Sohn zeigte, schüttelte er den Kopf und lächelte milde. Er war nicht fähig dazu ihn mit der Wahrheit zu belehren; es würde ihn fertig machen, ihn in einen schlimmeren Zustand versetzten, als der in dem er schon war. Er wollte nicht, dass sein Sohn aufgrund eines Mädchens litt. »Davut«, Semih schluckte schwer ehe er fortfuhr, »Davut, Asya braucht dich.« Diese Wörter hallten in seinen Kopf mehrmals wieder, ehe er begriff was sie zu bedeuten hatten. »Asya kann gut auf sich selber aufpassen«, sagte Davut kalt und fuhr sich über den länglichen Bart. »Ihre Abwesenheit hat dir nicht gutgetan, mein Junge«, flüsterte Semih und seine braunen Augen hafteten immer noch auf seine zusammengefaltenen Hände. Davut lachte auf. »Ich komme auch ganz gut ohne sie klar, okey?«, rief er wütend und war nun aufgestanden. »Ich bin nicht der kleine, verzweifelte Junge der ich damals war, Vater. Ich bin erwachsen geworden und ich frage mich, wann ihr das wohl einsehen werdet.« Semih hatte sich ebenfalls aus seinen Sessel erhoben und schritt nun auf Davut zu. Er legte einer seiner Hände väterlich auf die Schulter und klopfte ihn anerkennend zu. »Ich weiß es, und genau deswegen versuche ich dir zu helfen.«
»Ich brauche deine Hilfe nicht«, wütete Davut und schlug die Hand von Semih von seiner Schulter, seine Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. »Du hast schon genug angerichtet!« Diese Wörter trafen Semih wie ein Schlag, genau auf diese Sätze hatte er sich am meisten gefürchtet. Genau diese Sätze gaben ihm das Gefühl kein richtiger Vater zu sein - es verletzte ihn. »Es tut mir leid«, flüsterte Semih leise und zog seine Jacke an. Er drehte sich auf seinen Absätzen um und wollte schon gehen, als Davut ihm am Arm festhielt. »Nein, es tut 'mir' leid«, sagte er leise und in seinen Augen glänzten die Tränen. »Bitte geh nicht, lass mich nicht alleine.« Semih betrachtete erst den Arm seines Sohnes, dann seine Augen. Er konnte seinen Ohren kaum Glauben schenken und glaubte schon sich verhört zu haben. »Bitte«, flüsterte Davut wieder und eine kleine Träne sickerte seine Wange entlang und verschwand in seinem Bart.
»Nein«, sagte Semih und umarmte seinen Sohn zum ersten Mal seit Jahren. »Diesmal lasse ich dich nicht alleine, Davut.«
***
Jeder Mensch besitzt Gefühle, auch wenn er sie nicht zu Äußern pflegen möchte. Manchmal verspürt man den Drang alleine gelassen zu werden, es keinen Menschen ermöglichen einem zu nähern, weil man diese eine Angst hat verletzt zu werden. Jeder Mensch gibt vor stark zu sein, obwohl er innerlich zusammenfällt, obwohl er innerlich verwest. Doch egal wie sehr man sich die Mühe gibt seine Gefühle zu verheimlichen, eines Tages wird der Tag kommen an dem man ausbricht, an dem deine Tränen hinaussickern, ohne, dass man sich dagegen wehren kann. Eines Tages wirst du erkennen, dass die Gefühle eines Menschen, die wichtigste Waffe ist, die man in der Hand hält und man nicht damit spielen sollte.
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Asya
RomanceAsya ist ein junges Dorfmädchen, das schon in jungem Alter aufgrund den Tod ihrer Eltern, bei ihrer Großmutter auf einem Bauernhof lebt, das sie von der menschlichen Zivilisation fernhält. Ihr wird Schmerz und Leid zugefügt; der Verlust ihrer Eltern...