Kapitel 9/ Gefangen
Sie drehte sich um ihre eigene Körperachse und blieb schließlich vor dem Spiegel stehen, wo sie sich eingehend betrachtete.
Die Friseurin hatte gute Arbeit geleistet, ihr welliges Haar wurde hochgesteckt und sah einfach zauberhaft aus.
Sie wurde nur dezent geschminkt, da sie strikt dagegen war, das man sie mit Schminke vollkleisterte. Außerdem trug sie ein wunderschönes, lavendelfarbiges Kleid, dass am Ende zu einem
dunkleren Ton überging. Die Ärmel reichten ihr bis zu ihrem Ellbogen und an den Hüften trug sie einen silbernen, schlichten Gürtel, der das Kleid wunderschön wirken ließ.
Ihr zierliches Gesicht sah wunderschön aus und sie erntete viele Komplimente von den Umstehenden die sich im Raum befanden.
Asya setzte ein gequältes Lächeln auf, und ertappte sich dabei wie sie versuchte die anderen zu überzeugen, dass alles in Ordnung sei.
"Du siehst wunderschön aus", flüsterte Jamila liebevoll, als die Leute langsam den Raum verließen und lächelte sie an.
Asya nickte ihr schüchtern zu und hoffte insgeheim, dass sie den Raum verlassen würde, denn sie wollte noch einen kurzen Moment alleine sein.
Als sie dann endlich nach unzähligen Freudetränen und Umarmungen endlich den Raum verließ, schloss Asya die Tür vorsichtig zu und spürte wie sich die Tränen aufstauten.
Ein trockenes Schluchzen drang aus ihrer Kehle und sie blinzelte mehrmals um ihren Tränen keinen freien Lauf zu geben.
Ihre Augen brannten fürchterlich und ihr Magen zog sich krampfhaft zusammen. Sie schüttelte den Kopf und versuchte einen klaren Kopf zu bewahren, doch die unerträglichen
Gedanken zerrten an ihr herum, sodass man sie kaum verdrängen konnte. Asya sackte zusammen und vergaß alles um sich herum.
Konnte es wirklich sein, dass das Spiel zu Ende ist? Kann es sein das sie erneut verloren hatte? Ihr Kopf dröhnte und fühlte sich unerträglich schwer an.
Es klopfte an der Tür und Asya zuckte zusammen. Jemand rüttelte an der Türklinge, merkte jedoch das sie abgeschlossen war.
"Asya?", drang die verdämpfte Stimme von Semih, durch die Tür und sie stand schnurstracks auf um ihn die Tür zu öffnen.
"Ist alles in Ordnung?", fragte er sie und hatte eine besorgte Miene aufgesetzt.
Lächeln nickte sie und blickte ein allerletztes Mal zum Spiegel wo ihre trüben Augen, ihre Gefühle verrieten.
Dann hakte sie sich bei Semih ein und schritt vorsichtig über die Treppe. Sie musste aufpassen um nicht über ihr Kleid zu stolpern, doch schon kurze Zeit später stand sie unversehrt unten wo sie die Gäste mit einem herzlichen Lächeln empfing.
Die Aufmerksamkeit galt ganz allein Asya, die es aber wiederrum hasste von anderen Menschen angestarrt zu werden.
Aber trotzdessen ließ sie sich nichts anmerken und blieb stets höflich.
Als sich alle dann am Esstisch begaben, und sämtliche Besucher sich ruhig niedergelassen haben, stellten sie sich gegenseitig vor und Asya musste sich eingestehen
das sie manche wirklich ans Herz geschlossen hatte. Davut saß den ganzen Abend neben ihr am Esstisch und betrachtete sie manchmal schielend von der Seite.
Die Erwachsenen hatten sich in ein Gespräch vertieft und die kleine Leyla stritt sich lauthals mit einem Jungen ihres Alters, um einen Pudding.
Asya musste bei diesem Anblick schmunzeln und schüttelte lächelnd den Kopf.
"Und wo sind deine Eltern?", fragte plötzlich Davut's Großvater und reckte neugierig sein Kinn hervor.
Davut verschluckte sich an seinen Gedränk und Asya ließ ihr Besteck vor Schock, klirrend runterfallen.
Sie hatte sich auf solche Fragen nicht gefasst gemacht und schluckte den dicken Kloß an ihrem Hals hinunter.
"Sie konnten unter bestimmten Umständen nicht kommen", stotterte sie verzweifelt und wich den neugierigen Blicken aus.
Einen Moment lang befürchtete sie noch mehr dieser unangenehmen Fragen, doch die anderen hatten gemerkt, dass sie lieber nicht auf dieses Thema zusteuern sollten.
Sie beließen es dabei und schnappten erneut ein intensives Gespräch auf.
Als später die öffentliche Verlobungszeromonie stattfand und die Ringe angesteckt wurden, blickte Asya sehnsüchtig aus den Fenster der mittlerweile dunkel geworden war und fragte sich wie es sein würde wie früher unter der freien Natur zu leben. Wie es war unter der Landschaft frei gewesen zu sein, für einen kurzen Moment sich am Gras hingelegt zu haben und den wölbenden, blauen Himmel dabei betrachtet zu haben wie es die Wolken mit sich zog. Semih's Augen wanderten unablässig über den Raum und als später zwei kleine Kisten gebracht wurden, verspürte Asya den Drang wegzulaufen.
Davut zwickte sie von der Seite und sie zuckte augenblicklich zusammen.
"Was?!", zischte sie, bekam aber zur Antwort nur ein leichtes Lächeln.
"Denk nicht mal dran", flüsterte Davut und Asya machte einen Schritt zur Seite, damit sie nicht in seine Nähe sein musste.
Als Semih einen der Kästchen Davut, und Jamila den anderen Asya überreichte sahen sie die zwei mit glänzenden, erwartungsvollen Augen an.
Davut der zu Verstehen begriff öffnete das Kästchen und brachte einen wunderschönen Ring zum Vorschein. Er griff nach Asya' s Hand die diese Berührung erst nach langer Überwindung erlaubte.
Davut lächelte sie unsicher an, doch seine Augen verrieten ihn. Sie brachten seine Wut, Verwirrung und Unsicherheit genau zur Geltung als er den Ring endlich an den Finger von Asya aufgesetzt hatte. Jetzt war sie an der Reihe. Asya öffnete mit zittrigen Händen ihr Kästchen und zögerte eine Weile.
Sie sah zu Jamila deren Augen vor Freude anfingen zu glänzen, und Semih stolz zu ihnen Beide hinuberschaute.
Asya' s Blick wanderte über den Rest des Saales. Sie alle waren glücklich, man konnte es an den Gesichtern und den erhobenen Mundwinkel erkennen.
Zitternd steckte sie den Ring an Davut' s Finger und die gesamte Menschenmenge brach unter tosenden Applaus.
Alle kamen zu ihnen und gratulierten ihnen, doch nur die beiden konnten die Trauer von den anderen spüren.
Leyla kam zu ihnen in ihrem rosanen, flauschigen Prinzessinenkleid und sah Asya mit kugelrunden Augen an.
"Du bist wunderschön, Abla. Kein Wunder das Davut die Augen kaum von dir wenden kann!", kicherte sie und rannte sogleich von dannen damit Davut sie nicht wieder
auf die Schulter werfen konnte. Asya lief rot an und entschuldigte sich höflich ehe sie den Raum verließ und sich zum Garten begab.
Asya lehnte sich gegen den Brunnen und betrachtete die sternklare Nacht. Die Wasserfontäne die den Brunnen angehörte war in der Dunkelheit, im fahlen Licht des Mondes
atemberaubend schön.
"Hey."
Asya wirbelte herum und sah ein schüchterndes Mädchen auf sie zukommen. Sie hatte sie schon vorher bemerkt, wie sie den beiden verträumte Blicke zugeworfen hatte und war von ihrem
plötzlichen Erscheinen zutiefst erschrocken.
"Hey", antwortete Asya etwas unsicher und machte eine ungeschickte Geste mit den Händen.
Das Mädchen kicherte leise und Asya sah sie fragend an.
"Oh, Gott bist du aber süß. Kein Wunder das Davut dich als seine Frau haben will!", antwortete sie mit einem Lächeln und entblößte ihre weißen Zähne, die im Dunkeln hell aufleuchteten.
Asya errötete erneut und senkte ihren Blick zu Boden. Ihr war es unangenehm, wenn jemand mit ihr über Davut redete, wieso wusste sie selbst nicht.
"Ich bin Pinar, und du bist Asya. So heißt du doch?"
"Ja", antwortete Asya.
Kurze Zeit später vertieften sie sich in ein Gespräch und die Beiden Mädchen schlossen innerhalb dieser kurzen Zeit eine gute Freundschaft.
Sie tauschten sich gegenseitig Geheimnisse und kicherten hin und wieder zusammen. Asya erfuhr das Pinar Davut's Cousine war und sie sie deshalb nicht zu Gesicht bekommen hat, weil sie mit ihren Eltern
für ein paar Wochen bei ihrer Tante verweilt war. Pinar war gerade dabei ihre schrecklichen Wochen mit ihrer Tante zu schildern als Davut über den Rasen geschritten kam.
"Ich geh dann lieber mal", flüsterte sie und zwinkerte Asya zu.
"Nein, Pina-" Doch schon war sie weg.
Asya betrachtete Davut wie er ihr immer näher kam und wirkte unbeholfener den je.
Jetzt stand Davut genau vor ihr und seine Augen funkelten in der Dunkelheit.
"Ich wollte dir noch etwas geben", flüsterte er leise und brachte hinter seinem Rücken etwas zum Vorschein.
"Mach die Augen zu!", befahl er ihr sanft und Asya befolgte zögernd seine Anweisungen.
Schon im nächsten Moment spürte sie ein kaltes Metall an ihren Hals und schauderte unwillkürlich.
"Du kannst deine Augen wieder aufmachen." Asya' s Augenlieder öffneten sich und sie sah wie Davut ihr näher gekommen war.
Mit seichten Bewegungen, brachte er sie dazu in den Brunnen zu sehen, der sie dank des Lichtes vom Mond sie spiegelte.
Asya stockte den Atem als sie die wunderschöne silberne Kette sah, die mit smaragdgrünen Steinen besetzt war.
Sie wusste das die Kette ein Vermögen gekostet hat und wollte sie ausziehen um sie Davut erneut zu überreichen, doch dieser schüttelte den Kopf und hielt ihre Hand fest.
"Denk nicht mal dran", hauchte er und schlang seine Arme von hinten um sie.
Asya der das zu viel wurde entzog sich aus seinem Griff und sah ihn wütend an.
Auch seine Miene hatte sich versteinert und er sah sie wieder mit seinen kalten Augen an.
"Hör auf mir so nahe zu kommen", schrie sie ihn an und konnte sich diese Wut nicht erklären.
Was war in ihr gefahren? Asya zog ihr Kleid ein wenig hoch und lief zum Haus.
Die Verlobungsfeier dauerte noch etwas und als sie endlich vorrüber war, nach etlichen Glückwünschen und Umarmungen zog sich Asya in ihr Zimmer zurück.
Wütend zog sie die Kette sie ihr Davut geschenkt hatte aus und warf sie auf die Kommode.
Asya warf sich auf das Bett und vergoss unzählige Tränen.
Diese Verzweiflung sie sie in diesem Moment verspürte war kaum auszuhalten.
Sie war gefangen zwischen zwei Welten. Eine der Träume wo sie sich selber ausmalen konnte was sich in ihr Leben abspielen sollte und was nicht.
Und eine der Wirklichkeit, wo man nie weiß was auf einem zukommt. Wo alles nicht deinen Vorstellungen entspricht und du verzweifelt versuchst trotzdessen auf deinen Füßen zu stehen um dich
den anderen nicht niedergeschlagen zu geben.
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Asya
RomanceAsya ist ein junges Dorfmädchen, das schon in jungem Alter aufgrund den Tod ihrer Eltern, bei ihrer Großmutter auf einem Bauernhof lebt, das sie von der menschlichen Zivilisation fernhält. Ihr wird Schmerz und Leid zugefügt; der Verlust ihrer Eltern...