Kapitel 17/ Die Rückkehr
Es war hell geworden und außer das Brummen des Autos war gar nichts zu hören. Asya saß auf der Rückbank des Autos und zog ihren karierten Mantel enger an sich. In ihrer rechten Hand hielt sie den grünen, zerbeulten Koffer, den sie auch vor der Begegnung mit Davut besaß. Semih saß auch an den Vordersitzen und blickte traurig zu Asya. „Bist du sicher, dass du das durchziehen möchtest?", fragte er leise und als Antwort nickte sie entschlossen. Ihren Blick senkte sie zu Boden, um die Enttäuschung aus Semih' s Gesicht nicht sehen zu müssen. „Wir sind bald da!", fiel ihnen Davut heiser ins Wort und umklammerte das Lenkrad fester. Er hatte seinen Kiefer angespannt und wippte unsicher auf seinen Sitz vor und zurück. Seine Augen wanderten ständig zum Rückspiegel, wo Asya saß. Ihre dunklen Locken hingen lose über ihren Rücken und ihre mandelförmigen Augen starrten die vorbeiziehende Landschaft traurig an. Ihr ovales Gesicht hatte einen hellen Teint, das ihre dunklen Haare sehr gut betonte und ihre dunkelrosanen Lippen waren prall; ihre von Natur aus geschwungenen Augenbrauen und die feine Nase, verliehen ihr das Aussehen einer Märchenprinzessin. Das Auto ruckelte und Asya fasste sich erschrocken ans Herz.
„Pass auf wo du hinfährst, mein Junge!", riet ihm Semih, der sich von seinem Schreck erholt hatte.
„Tut mir leid", antwortete Davut leise und wich den Blicken von den Beiden aus. Asya hoffte, dass es jetzt wieder still sein würde, damit sie in Ruhe über alles nachdenken konnte, aber das Einzige was passierte nachdem sie verstummten, war das ein monotones Summen, welches in ihrem Ohr anhob und ihr keine Möglichkeit ließ, nachzudenken.
„Ich kann das Dorf sehen", rief Asya nach einer Weile und presste ihr Gesicht gegen die Fensterscheibe, wo sie die vertrauten Umrisse der Hütten sehen konnte.
Die Räder des Wagens knirschten unter den Kieselweg, ehe sie endgültig zum Stillstand kamen und der Motor erstarb. Davut riss die Tür auf und stieg aus, sein Vater tat es ihn gleich. Das vertraute Morgengetummel machte sich erneut vor ihren Augen breit. Dutzende schnatternde Mädchen scheuchten Hühner in die Ställe, Mädchen und Frauen trugen schwere Körbe auf ihren Kopf und versuchten den Vorbeigehenden ein paar Leckereien zu verkaufen. Die Mädchen kieksten und begannen zu kichern als Davut an ihnen vorbeilief, doch als sie sahen wer ihm gefolgt war, verschwand das heimtückische Lächeln sofort. Erregt deuteten sie auf Asya die den Koffer in der Hand hielt und begannen zu tuscheln, wobei sie ihr gehässige Blicke zuwarfen.
„Was sie hier wohl macht?", wisperte eine von ihnen mit aufgeregt, heiserer Stimme.
„Ich glaube ihr Mann will sie wieder zurückgeben", tippte eine von ihnen und lächelte weise. „Hat wohl erkannt, was für eine Schlampe sie ist." Asya warf ihnen einen finsteren Blick zu und rannte zu Davut. „Was ist?", zischte er aber Asya zuckte nur mit den Schultern. Sie griff nach seiner Hand, die sie mit ihrer kleinen, fest umklammerte. Davut zuckte zusammen und schüttelte sie ab. „ich bin kein Objekt, das du dazu verwenden kannst um die anderen einzuschüchtern!", fauchte er und Asya wich seinen Blick aus. „Du bist sauer, weil ich zurückwollte nicht wahr?", flüsterte sie niedergeschlagen und Davut antwortete nicht. Stattdessen schritt er zu seinen Vater ohne ihr eines Blickes zu würdigen. Auf dem Weg zu dem schmalen Bauernhof, deuteten jede Menge Leute auf Asya dann auf Davut und warfen ihnen verachtende Blicke zu, um sie daran zu erinnern, was sie von ihnen hielten. Davut stieg auf die Türschwelle und klopfte ein paar Mal sachte gegen die Tür. Die Tür öffnete sich und eine runzlige, alte Dame erschien vor ihnen und betrachtete ihre ungebetenen Gäste nur halbherzig. Ihr Blick verfinsterte sich, als sie Asya erblickte und ihre buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen. „Kann ich Ihnen auf irgendeine Weise behilflich sein?", fragte sie höflich, aber ihre Wangen zuckten verräterisch.
„Wollen sie uns nicht hineinbitten?", fragte Semih ernst und das stattliche Gesicht der alten Frau, verdüsterte sich noch mehr, falls dies noch möglich war.
„Natürlich, kommen sie rein!", nuschelte sie und ging etwas zur Seite um ihnen Eintritt zu verschaffen. Bei Asya hielt sie kurz inne und musterte höhnend die teuren Sachen, die sie am Leibe trug. Sie öffnete ihren Mund um eine Bemerkung loszuwerden, aber im selben Augenblick rief Davut nach ihr. Als alle sich endlich zum Wohnzimmer begaben, wo ein heiteres Feuer im Kamin knisterte, räusperte sich die Großmutter vernehmlich um sämtliche Aufmerksamkeit aus sich zu richten. „Dürfte ich nun auch den Grund erfahren, weshalb sie sich hier blicken lassen?", sprach sie in barschen Ton und Davut betrachtete die alte Dame mit einer Mischung aus Verachtung und Hass.
Semih faltete seine Hände zusammen und beugte sich etwas nach vorne. „Asya Kind, geh du schon mal in dein altes Zimmer." Asya nickte gehorsam, stand auf, nahm ihren zerbeulten, alten Koffer in die Hand und warf Davut einen flüchtigen Blick zu, ehe sie sich auf ihren Absätzen drehte und in ihr Zimmer nebenan verschwand. Eine dünne Staubschicht bedeckte das Bett in dem sie einst geschlafen hatte, doch in diesem Moment war es ihr gleichgültig. Mit angestrengter Miene, presste sie ihr Ohr gegen die Tür und konnte die gedämpfte Stimme von Semih ausmachen. „Wir wollen Ihnen Asya zurückgeben!"
Einen Moment lang herrschte bedrückende Stimme und Asya meinte schon taub geworden zu sein, weil sie keinen einzigen Mucks hören konnte. „Was soll das heißen, Sie wollen sie zurückgeben?", rief ihre Großmutter empört und die Entrüstung in ihrer Stimme war deutlich herauszuhören. „Ist Ihnen klar, was das heißen soll? Ich muss mich jetzt um sie kümmern, sie versorgen. Ist Ihnen eigentlich bewusst, was das alles kostet?"
„Es hat Sie sowieso nie interessiert, wie es ihr ging, nicht wahr?" Asya konnte deutlich aus seiner Stimme heraushören, dass er wütend aufgestanden war und sich mit aller Mühe zurückhielt, ihre Großmutter nicht anzuschreien. „Davut, setz dich wieder hin!", sagte Semih mit beschwichtigter Stimme und jetzt konnte sich Asya deutlich ausmalen, wie sich Davut wieder auf den alten Sessel niederließ. „Aber ihr seid doch verheiratet, oder nicht?", meinte sie und Asya konnte das zustimmende Murmeln der beiden Männer hören. „Und jetzt wollt ihr sie einfach zurückgeben und euch scheiden lassen?", fragte sie erstaunt.
„Nein!", sagte Davut laut und riss sich dann wieder zusammen. „Wollen Sie sie jetzt haben oder nicht?", meinte er zähneknirschend und wieder hatte sich eine Stille über den Raum gelegt. „Keine Angst", sagte Semih der langsam zu Verstehen schien, was hier vor sich ging. „Wie werden natürlich die Kosten der Versorgung begleichen."
„Na gut", meinte sie nach langem Zögern, weil sie wusste das etwas Gutes dabei für sie raussprang. „Ich werde sie wieder bei mir aufnehmen."
„Schön, jetzt müssen wir aber los, nicht wahr Davut?", drang die fröhliche Stimme von Semih in ihren Ohren.
Nach einer Weile wurde die Haustür geschlossen und Asya lehnte sich gegen die Wand.
Hatte sie die richtige Entscheidung getroffen? Klobige Schritte aus dem Flur, kündigten die Rückkehr ihrer Großmutter an und schon im nächsten Moment öffnete sich die Tür.
„So so." Asya schluckte und blickte in das alte Gesicht, das von einer Schicht feiner Falten übersät war. Ihre Großmutter kicherte bei dem Anblick ihrer verschreckten Miene und packte sie an den Haaren. „Was ist der wahre Grund, weshalb sie dich wieder hergebracht haben? Hat er bemerkt, dass du eine genauso große Schlampe wie deine Mutter bist?"
Asya wusste nicht woher dieser plötzliche Mut kam. Dieser große Hass, den sie seit achtzehn Jahren mit sich trug, pulsierte in ihren Adern und wartete nur darauf etwas zu unternehmen. Jedenfalls tat sie etwas, dass sie sich selbst nie zugetraut hätte. Sie spuckte ihr mitten ins Gesicht und rief die Worte des Hasses: „Wenn hier jemand kein Stolz besitzt, dann bist es du!"
Was danach passierte, konnte sie sich nur verschwommen erinnern. Ihre Großmutter prügelte auf sie ein, trat gegen ihren Kopf und schlug sie mit allem was sie in den Händen bekam.
„Glaub mir ich mach dir das Leben zur Hölle!", schrie sie wobei ihre Augen aus den Höhlen hervortraten. Sie spuckte ihr ins Gesicht, verpasste ihr einen letzten Tritt und verließ sogleich das Zimmer und hinterließ eine Asya, die auf dem Boden kauerte und sich schwor, dass sie nicht so einfach davonkommen würde.
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Asya
RomanceAsya ist ein junges Dorfmädchen, das schon in jungem Alter aufgrund den Tod ihrer Eltern, bei ihrer Großmutter auf einem Bauernhof lebt, das sie von der menschlichen Zivilisation fernhält. Ihr wird Schmerz und Leid zugefügt; der Verlust ihrer Eltern...