Erinnerung

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Kapitel 28/ Erinnerung

"ich liebe dich", flüsterte er und strich mit seiner rauen Hand über ihr langes Haar. Sie schlug ihre Augen nieder und bemühte sich die aufsteigende Hitze zu ignorieren. Ein mattes Rot kroch ihre Wangen hoch und ein kleines Lächeln nistete sich in ihren Lippen ein. "Wieso erzählst du mir das?", fragte sie ihn leise. "Heirate mich." Er rang nach Atem und nahm ihr zierliches Gesicht in seine großen Pranken. "Ich weiß, ich war ein großer Idiot und habe viel Unheil im Dorf angestiftet." Er holte tief Luft und sah sie flehend an. "Aber seit du in mein Leben aufgetaucht bist, bin ich ein ganz anderer Mensch geworden. Der Rebell in mir ist verschwunden und du, ganz allein du hast mich verändert. Du bist das Mächen meiner Träume, Hamida, die Frau mit der ich den Rest meines Lebens verbringen möchte." Seine Worte stürzten sie in Verlegenheit und ihr Kopf hatte jetzt bestimmt die Farbe einer Tomate angenommen. Hamida linste über seine Schultern hinweg, um sicherstellen zu können, dass sie nicht beobachtet wurden. "Ja." "Was?" "Die Antwort ist 'Ja', ich möchte dich heiraten.", lachte sie und fiel ihm um den Hals. Einen Moment war er zu überrumpelt um etwas hätte sagen zu können, ein dümmliches Grinsen zierte sein Gesicht, er beugte sich zu ihr rüber und pflanzte ihr ein Kuss auf die Stirn. Seine Freude war überwältigend und in diesem Moment kaum in Worten zu fassen, weil er sich nicht sicher war, ob Worte dafür reichten.

Die Szenen spielten sich regelrecht vor ihren Augen ab, die Bilder glasklar, so als ob die Sachen sich erst vor wenigen Tagen ereignet hätten. "Nein", flehte Hamida und presste beide Händen an ihre Schläfe, doch die Erinnerungen hatten sich bereits aufgetürmt und stürzten mit voller Wucht wieder auf sie ein.

"Wenn es nach mir ging, dann würde ich dich jetzt auf der Stelle heiraten", murmelte er leise und stierte in den taubenblauen Himmel. Hamida richtete sich auf und verdrehte ihre Augen. "Taha, ich hab dir doch gesagt, dass es jetzt nicht geht. Meine Schwester heiratet in wenigen Wochen und jeder ist so vertieft in den Vorbereitungen. Ich bin sogar froh, wenn das alles vorrüber ist. Meine Eltern haben kaum Zeit zum Schlafen und sind ständig besorgt." Taha seufzte theatralisch auf und fuchtelte gespielt böse mit seinen Armen herum. "Meine Güte, dann eben später. Ich hab hier etwas für dich", sagte er und brachte etwas aus seiner Hosentasche hervor. Er reichte ihr ein kleines Blatt Papier, dass sie misstrauisch beobachtete, bevor sie es entfaltete. "Das sind ja Namen?", fragte sie verwundert und sah ihn an. Der Wind hatte sein Gesicht freigelegt und sein wunderschönes Lächeln raubte ihr den Atem. "Die Namen unserer Kinder", zwinkerte er ihr zu und lachte, als sie errötete.

Tränen stauten sich in ihren Augen auf und sie blinzelte sie hastig weg. Wie konnte sie nur diesen Fehler machen, nur weil sie gelitten hat?

"Du kleine Schlampe", brüllte er und packte sie an den Haaren. "Wie kannst du nur den Namen unserer Familie mit deiner Hurerei in den Dreck ziehen! Salwa, komm und sieh dir nur deine ach so anständige Tochter an." Hamida' s Mutter stürzte in das Wohnzimmer und runzelte verärgert ihre Stirn. "Was ist los?" , keuchte sie und zog sich die dünnen Handschuhe von ihren Händen. "Deine Tochter wurde mit einem Jungen gesehen, und das nicht nur einmal. Die zwei sollen sich angeblich ständig heimlich getroffen haben, in abgelegenen Orten." Hamida schluckte und konnte sich schon denken, was ihre Eltern jetzt denken würden. Ihre größte Befürchtung hatte sich bewahrheitet . Wenn es nach ihnen ginge, hätten sie am liebsten überhaupt keine Tochter gehabt, sie wäre nur eine schwere Bürde die ihnen auf den Schultern lastete. Eine weitere Aufgabe, die schwer zu überwältigen ist. "Was?" In ihrem Gesicht zeichnete sich blankes Entsetzen ab. "Du hast schon richtig gehört!", polterte er und besprühte sie mit mächtig viel Spucke. "Du ehrenlose H-" "Wir hätten dich von Anfang an mit ihm verheiraten sollen." Salwa's Augen verengten sich zu Schlitzen und ihre Lippen waren nur ein schmaleer horizontaler Strich. "Bitte", schluchzte sie. "Ich möchte nicht gegen meinen Willen verheiratet werden." "Das hättest du dir früher überlegen können, du hättest an den Konsequenzen denken müssen, als du mit deinem Liebling zusammen warst!" In seinen Augen lag der Hass, den er seit Jahren gegenüber ihr verspürte.

Nun stand sie da in einem edlen Kleid eingehüllt, der einst ihrer Mutter gehört hatte. Der seidene Stoff glitzerte im fahlen Licht, dass durch das Fenster reinsickerte. Ihre Haare waren zu einem Kunstwerk hochgeflochten worden und ein paar einzelne Strähnen schmiegten sich elegant an ihrem Gesicht. Kleine, kostbare Opale schmückten ihre Dekolette, Hände und Ohren. Ihre Wimpern waren mit weicher Kohle [A/N: Die hatten zu diesem Zeitpunkt keine Mascara, glaube ich] dunkler angemalt worden, was ihre blauen Augen wie eiserne Glassplitter hervorheben ließ. Sie war bezaubernd schön, und dennoch sollte sie dieses Kleid für einen Mann tragen, den sie nicht liebte. Einen Mann, den sie verabscheute. Ein lautes Klopfen an ihrem Fenster ließ sie aus ihrer Starre hochschrecken. Sie lief zum Fenster und riss es auf. "Taha!", weinte sie und beugte sich über den Fenstersims um ihn ein letztes Mal umarmen zu können. Er ließ seine Augen an ihrem Körper entlang wandern und rang sich ein Lächeln ab. "Du bist wunderschön", flüsterte er und schloss seine Augen, um seine Gedanken ordnen zu können. "Es tut mir so leid", hauchte sie und streckte ihre Hände nach ihm aus. "Willst du das überhaupt?", rügte er sie und sie sah ihn wütend an. "Seh ich so aus, als ob ich das alles wollen würde?", zischte sie und blinzelte die kommenden Tränen weg. "Dann flieh, ich werde mitkommen. Nur du und ich, Hamida. Wir würden uns ein neues Leben aufbauen, ich habe genug gespart um etwas Großes starten können. Unsere Kinder würden eine glückliche Kindheit führen, die besten Schulen besuchen. Eine großartige Zukunft haben. Du brauchst mir nur deine Hand zu reichen, Hamida. Wir würden fliehen und nie wieder herkommen. Alles und jeden hinter uns lassen und glücklich werden." Seine Hand war verlockend nahe an ihrer. "Was ist mit meinen Eltern?", gab sie trocken zurück und schluckte den schweren Kloß in ihrer Kehle herunter. "Ich liebe dich, Taha!", flüsterte sie, während sie Schritte im Gang hörte. Es war zu spät um zu fliehen, sie hatte den Moment nicht ausgenutzt. Wenn sie jetzt seine Hand nehmen würde, dann hätten sie es nie rechtzeitig geschafft, sie hätten sie wieder zurückgeholt und die Strafe wäre nicht so mild wie diese hier gewesen. "Geh", rief sie und ihr Herz schien in tausende Stücke zu bersten. Sie schob das Fenster wieder runter und zog die dichten Vorhänge wieder zu, Tränen liefen ihr über die Wangen und hinterließen schwarze Spuren auf ihrer ebenmäßiger Haut. "Die Hochzeit kann beginnen", rief ihre Mutter und riss die Tür auf. "Ja", sagte Hamida mit einer fernen Stimme, die sie selbst nicht von sich kannte.

Ich weiß, ihr hättet viel lieber ein Kapitel über Asya und Davut gehabt, aber das hier sollte das Verhalten der Großmutter erklären. Es tut mir wirklich leid, wenn ihr es langweilig gefunden habt [Ich finde solche Sachen selber nicht sonderlich spannend], aber ich hatte eine richtig üble Schreibblockade, die es mir nicht veranlasst hat, klar denken zu können. Übrigens wollte ich euch allen danken. Die Geschichte hatte vor wenigen Tagen erst 1900-2050 und jetzt sind es über 5000 Reads sowie 355 Votes. Ich bin sprachlos, dann diese vielen Follower? Woher kommt ihr aufeinmal, wenn ich fragen darf? :D Ich liebe jeden einzelnen von euch [Okey, ich hab euch nie kennengelernt, aber das hindert mich nicht daran euch toll zu finden]. Die heutige Widmung geht an diktatorinalida , weil sie bis jetzt meine Geschichte am meisten kommentiert hat.

Die nächste Widmung wird an denjenigen gehen, der ein langen, ausführlichen Kommentar hinterlässt, wie er/sie das Kapitel gefunden hat. [Positive sowie negative Kritik ist erwünscht].

Falls ihr Fragen zum Kapitel habt, dann zögert nicht zu fragen. :)

AsyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt