Prolog

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Der Pinsel kratzt über das mit Papier bespannte Holzbrett, während sich der Himmel in dem großen Fenster hinter meiner Staffelei von einem tiefen Rot in ein wolkenbedecktes Schwarz wandelt und es würde nicht mehr lange dauern bis die ersten dicken Regentropfen das schmutzige verwaschene Bild der Scheibe abermals neu zeichnen würde, doch für mich bleibt es still. Einzig der schallende Bass der alten Musikanlage füllt jeden Winkel meines Körpers mit dem Gefühl der Klänge, welche mich Tag für Tag umgeben.

Blaues Pigment tropft von meinem Pinsel. Ultramarin. Es ist eine wundervolle Farbe. So kräftig und königlich wie kaum eines der anderen Pigmente. Manchmal stelle ich mir vor wie diese Farbe wohl klingen würde. Wie der Nachthimmel nach dem sie aussieht? Oder eher wie die vielen Studenten, welche Tagein Tagaus über den Campus der Universität laufen? Nein... mein Blau ist sicher niemand von ihnen... Purpur schon eher.

Auf der Mischpalette verschwimmen die Farben, mischen sich vor meinen Augen zu einem Violett, als ich mein ultramarin gundiertes Gemälde mit groben roten Pinselstrichen bearbeite. Der faserige breite borstige Pinsel hinterlässt eine Struktur, so zufällig in der Deckkraft wie der Klang der wuseligen Studenten. Glaube ich. Rot fällt zu Boden, zerspringt auf den fleckigen Fliesen des Atelier wie das Leben, welches diese Farbe widerspiegelt, als ich den Pinsel vom Holz nehme und meinen Blick in die Spiegelung des nun in Dunkelheit gehüllte Fenster fällt. Die Tropfen zerspringen an der Scheibe, sammeln sich, bis sie zu schwer sind und laufen in kleinen Bächen, der Schwerkraft folgend hinab, nur um sich dort wieder zu versammeln und große Pfützen zu bilden.

Trommeln... das ist das Wort welches in Büchern für das Geräusch der Tropfen an Scheiben oft verwendet wird. Hier ist es still. Nichts als das Bild welches im kalten Licht der Halogenlampe so viel unfreundlicher wirkt als ich es von meinen Farben gewohnt bin. So viele unterschiedliche Töne entstehen. Allein in dem kratzigen Purpur tanzen so viele Rottöne miteinander das ich sie kaum alle benennen könnte, doch den Ton um mich herum kann ich genau bezeichnen. Stille. Definiert bedeutet Stille die Abwesenheit von Geräuschen und sonstigen Klangphänomenen. Stille ist etwas Besonderes geworden in unserer hektischen Welt. Von wegen... mich begleitet sie jeden Tag und ist überhaupt nichts Besonderes. Besonders nervig vielleicht, besonders beruhigend wohl eher nicht. Machen die Töne etwas nicht besonders? Ist es nicht das Rauschen der Blätter welches den Herbst zu etwas Besonderen macht? Das Zwitschern der Vögel, welches den Frühling ausmacht oder das Zirpen der Grillen den Sommer? Einen Moment glaubte ich bei mir wäre immer Winter, doch selbst der Winter hat seine Geräusche, wenn die Stiefel im Schnee knirschen... So beschreiben es zumindest die etlichen Autoren. Schlagende Herzen, Kinderlachen... alles Dinge deren Töne mir so fremd sind, wie das Gefühl einen Stern greifen zu können, doch Stille ist immer da. Stille und meine Gedanken. Eben nichts besonderes. Sind es nicht die Töne die in ihrer Vielfalt besonders sind, wie die Farben meiner Bilder? Ich weiß es leider nicht...

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Hallo meine Lieben!

Ich freue mich das ihr auch dieses Werk von mir lest und hoffe dass ihr mich weiterhin mit euren motivierenden Kommentaren und Anmerkungen unterstützt!

Liebe Grüße eure Eisglut!

Wortloses Rendezvous (Yaoi, BL, BoyxBoy, Boyslove, Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt