Kapitel 23

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Bestens gelaunt und hochmotiviert fährt die Rasierklinge über mein Gesicht, als ich mich am nächsten Morgen für mein unausgesprochenes Date in der Uni fertig mache. Sorgfältig ziehe ich die Kontur meines kurzen Dreitagebarts nach, welcher Lässig, aber nicht ungepflegt wirken soll, mir jedoch mehr männlichen Charakter zu schreibt, als wenn ich mein Gesicht ganz glatt rasiere. Das Muttermal unter meiner Lippe lächelte mir entgegen und ich hab jetzt schon im Gefühl das mein Weißlöckchen heute nicht an mir vorbei kommt. Heute bekomme ich seinen Namen und die Nummer, der Rest geht dann wie von allein! Green Day stimmt mich scheppernd auf mein Treffen mit dem jungen Mann ein während ich meine rötliche Haarpracht mit etwas Haarwachs richte und meine Brille gegen Kontaktlinsen tausche, wobei mir seine wunderschönen Augen schon seit gestern nicht mehr aus den Kopf gehen. Wenn ich mir meine langweilig braune Iris so von nahen ansehe, stelle ich an meinen nicht gerade eine Besonderheit fest. Sicherlich hat der Himmel sich wirklich nur durch die Sonne in seinen Augen gespiegelt, aber dennoch... Ich bemerke gar nicht das ich wie ein junger Pfau in der Balzzeit meine Rad viel zu weit auffächer, denn kein normaler Student würde mit mehr als einer Jeans oder Arbeitskleidung in den Semesterferien in die Bibliothek gehen. Jogginghose und T-Shirt ist hier Kleiderordnung. Schuhe schon fast wieder zuviel! Ich hingegen mit meinem Hemdchen bin wirklich eher für ein schickes Essen gekleidet, eine Tatsache die auch Till nicht entgeht, als er sich hinter mir mit in das kleine Bad schiebt, um sich ungestört auf dem Pott nieder zu lassen. Mich betrachtend richtet er das eigene Glied in die Porzellanschüssel und ich kann der Tatsache seines Sitzens beim Harn entlassen bereits entnehmen dass es gleich unmöglich sein wird, hier weiter zu Atmen. "Morgens schon einen am start?", beginnt Till, welcher noch nicht ganz wach scheint mich mit verklebten Gesicht zu mustern. Ich hab ihn gestern wieder mit Juli telefonieren gehört, doch erstaunlicherweise war er ziemlich gelassen. Auflegen konnte er wohl dennoch nicht, denn die Stunden die ihm jetzt an Schlaf fehlen sieht man ihm mehr als deutlich an. "Ich hab dir doch von dem Regenbogen erzählt... ich will mir heute seine Nummer besorgen. Irgendwie will ich ihn kennen lernen" "Ich geh heute nicht zur Lerngruppe... Juli hat mich bis heute morgen-Warte was?" Das Geräusch des plätschernden Urins hört bei der Verwunderung in Tills Stimme einen Herzschlag auf, ehe es wieder einsetzt und er seine Ellen von seinen Knien anhebt um auf mich zu deuten. Zwei rote Abdrücke zieren seine nackten Oberschenkel und sein plötzlich wacherer Ausdruck liegt auf meinem völlig überzogenen Outfit. "Alter du siehst aus als würdest du gleich nen Anwalt daten der seine Eltern dabei hat? Ich glaub kaum dass dein Malermeister auf Hemd und Krawatte steht?" "Auf Krawatte wollte ich eigentlich verzichten?", scherze ich als Till doch keinen Braunen abseilt, sonder Augenverdrehend abklemmt um sich mir anzunehmen. Till führt mich in mein Zimmer und schaut in meinen total verwüsteten Kleiderschrank, nach etwas passendem, wobei mein breites Grinsen ihm meine Gedanken offenkundig erklärt. "Was?! Wenn du keine Qualitäten als schwuler bester Freund hast, muss ich uns eben irgendwie über Wasser halten!" "Du warst schon immer mehr Frau als ich!", necke ich den halb nackten Mann vor meinem Kleiderschrank, welcher mir ein paar einfache dünne Shirts mit Kragen entgegen wirft. "Und du hast schon immer gerne etwas über die Strenge geschlagen. Versuchs mal wie nen normaler Mensch, wobei die Rasur ja wirklich mal wieder nötig war" Lächelnd wartet der Blondschopf auf mein Hemd und hält mir auffordernd seine Hand entgegen. Ich Liebe ihn manchmal für seine ehrliche Art auch einem schwärmenden Pfau ohne Rücksicht das Federkleid zu stutzen, wenn es nötig ist. "Was ist überhaupt so besonders an dem Malermeister dass du dich hier so ins Zeug legst? Stehst du neuerdings auf den Geruch von Lösungsmitteln?" Ich kann Tills verwunderung irgendwie verstehen, aber selbst nicht erklären, denn ich weiß es nicht. "Irgendwie... fasziniert mich seine Art? Wie er sich bewegt und einen ansieht? Keine Ahnung! Ich will ihn auf jeden Fall mal kennen lernen. Er macht ja nie den Mund auf oder hält es für nötig seine Kopfhörer mal abzusetzen, vielleicht kommt ja nur Scheiße bei raus, wenn er einen Ton von sich gibt? Wie bei den Darstellern von RTL!" Till muss Lachen als er Kopfschüttelnd mein Hemd zurück in den Schrank hängt. "Pass lieber auf das du ihn nicht ansabberst, wenn du ihm hinterher schmachtest. So schlimm hab ich dich noch nie erlebt" "Als ob! Ich finde ihn einfach ganz... süß? Vielleicht hat er ja durch Zufall auch interesse an Männern?" "Und was nicht ist, kann ja noch werden oder was?", spricht Till wieder einmal meine Gedanken aus als er mir zufrieden ein Lächeln schenkt. "Siehst gut aus Joe, wenn ich der Malermeister wäre würde ich dir meine Nummer geben", mit verschränkten Armen sehen mich die grauen Augen ein letztes Mal prüfend an. Till hat wieso oft recht. Das in dem dunklen Poloshirt und der Jeans bin eher ich als mein erster Versuch. "Danke Till" "Bedank dich, wenn du seine Nummer hast"

Die Sonne ballert unbarmherzig auf den Asphalt und ich hoffe das Axe sein Werbeversprechen hält und ich nicht mit zwei riesigen Schweißflecken unter den Armen vor meinem kleinen Bücherwurm aufkreuze. Ein Basecap zerstört mir die Frisur, aber mein Augenlicht ist mir dann doch wichtiger, als die perfekte flirt Frisur und ich muss mich wohl damit abfinden, ihn mit meinem umwerfenden Lächeln dran zu bekommen, als mit meiner perfekten Rittertracht!

Das bei meinem Eintreten in die stickige Bibliothek niemand das Gesicht verzieht, sehe ich als Bestätigung, dass Axe wohl zumindestens üblen Schweißgeruch verhindern konnte, während mein erster Blick auf den Platz des kleinen Wagen fällt, welcher jedoch bereits unterwegs ist. "Ah hey Joe!", ein prüfender Blick sieht mich aus dem kleinen Glasraum an, als Lukas aus Tills Lerngruppe die Tür auf schiebt. "Heute noch was vor? Du strahlst ja richtig?" "Was wollt ihr? Wenn ihr wieder jemanden einen Penis auf die Stirn malen wollt, geht doch gleich zum Tattoowierer. Meiner war leider schon nach 2 Tagen weg" Ich blaffe Lukas noch immer Stocksauer an und ich könnte schwören das Samus Dämon für einige Atemzüge in mich gefahren ist, denn ich könnte mir selbst bei meinen über zickigen Worten die Haut von den Knochen ziehen. "Ja, das war wirklich Scheiße von uns... deshalb wollte ich mich im Namen von uns allen bei dir Entschuldigen. Wenn du also Bock hast... ?" Meine schlechte Laune verfliegt viel zu schnell, als Lukas mich mit seinen traurigen Augen ansieht. "Heute nicht... aber Schwamm drüber. Meine Rache wird schlimmer sein als ein Penis" Ich schenke ihm ein schräges Lächeln und man kann an den warmen Augen erkennen das es ihn wirklich erleichtert. "Cool. Dann sehen wir uns?" "Klar!"

Endlich husche ich die Stufen nach oben und die lautstarke Musik führt mich wie das Singen der kleinen Täubchen zu meinem Aschenputtel, welcher wie beinahe jedes Mal wenn ich ihn sehe ein staubiges Buch nach dem anderen zurück sortiert. Ich muss aussehen wie der letzte Idiot, als ich mich Wortlos neben ihn begebe und warte, dass er von meiner Anwesenheit so sehr genervt ist, dass er die neongrünen Schallverteiler abnimmt um wenigstens zu fragen wo mein Problem liegt.

Ich werde ungeduldig, als er mich nicht einmal einen Herzschlag aus den Augenwinkeln beachtet, sondern seine bunten Finger sich um das kalte Metall des Wagen legen und diesen einfach in den nächsten Gang schieben. Alter?! Das ist doch nicht normal? Wie kann man so ignorant sein? Aber ich weiß... du siehst mich, auch wenn du es nichts zugeben willst! Ich folge ihm in die nächste Regalreihe und plappere einfach darauf los, in der Hoffnung er würde zwischen den Lieder, vielleicht das ein oder andere Wort mitbekommen, wobei ich meine Augen einfach nicht von ihm lassen kann. Es sieht nicht aus, als würde er sich morgens auch nur einen Augenblick Gedanken darüber machen, was er anzieht oder gar seine Haare irgendwie richten und doch fesselt mich sein Äußeres wie ein schönes Spinnennetz welches im Morgentau schimmert und nur darauf wartet etwas in seine Fänge zu bekommen. Das ich mich wieder wie ein Depp verhalte ignoriere ich gekonnt, denn ich hab meine Mission! Ich will einen Namen und eine Nummer! "Ich wollte mich dafür bedanken, dass du mir gestern mein Buch zurück gegeben hast..." Ich muss feststellen das Gequatsche in der Bibliothek wohl schlimmer als Musik gehandhabt wird, denn ich werde immer wieder von nervigen Lernbegeisterten ermahnt. "Wenn du also willst lad ich dich auf was ein? Magst du Pizza? Eis? Kino?" Meine Worte prallen an dem Gejaule aus den Kopfhörern ab, während er die letzten Bücher des Wagens zurück schiebt und tut als wäre ich nicht vorhanden. Es ist schon irgendwie ein scheiß Gefühl wenn man wirklich unsichtbar für jemanden ist aber mir ist das egal. Solange er nicht ein paar Worte mit mir gewechselt hat, werde ich seine Nerven spannen und auch die stabilste Schnurr muss irgendwann reißen!

"Also mein Name ist Joe... Wie du gesehen hast studiere ich Medizin und du? Nach der Farbe an deinen Händen machst du hier Kunst?" Mit jedem unerwiderten Wort komme ich mir mehr wie ein Spinner vor und mir fällt langsam auch nicht mehr ein was ich noch sagen könnte, da verschwindet mein Regenbogen plötzlich im Fahrstuhl. Oh man. Das ist ja mal wieder super gelaufen...

"Kannst du vielleicht mal den Mund halten? Wenn du Quatschen willst geh doch bitte raus", die völlig übernächtigte Studentin hat den gewohnten Schlafanzug Look an und stockt einen Moment als sie mich alleine vor dem Fahrstuhl erblickt. Ihre Wangen wurden mit einem Mal rot und ich erkenne an ihrem Gesicht, dass ich wohl nicht nur auf Männer gerade einen ansprechenden Eindruck mache. Ein Grund mehr sich zu fragen warum der Kerl mich hier die ganze Zeit ignoriert?! Mit einer Knappen entschuldigung ziehe ich etliche Bücher aus den Regalen an meinem Stammplatz mit dem Einzeltisch, nur um diese unten bei der Bibliothekstante ab zu geben. So schnell kommt mir mein Regenbogen morgen nicht davon!

Wortloses Rendezvous (Yaoi, BL, BoyxBoy, Boyslove, Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt