Kapitel 12

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Gelangweilt lausche ich dem Ticken des Zeigers meiner alten Spiderman Uhr die ich mit Schätzungsweise elf Jahren mal von Till zum Geburtstag bekommen habe und während all meine Gedanken intensiv damit beschäftigt sind dieses analoge Meisterwerk mit dem rotblauen halb fliehenden Männchen zu betrachten, kommt es mir so vor als wenn der Sekundenzeiger oben bei der Zwölf einen Moment pausiert, bevor er sich wie das weiße Kaninchen von Alice im Wunderland erneut abhetzt nur um dann wieder einen Herzschlag länger auf der größten Zahl meiner Actionhelden Uhr zu verbringen. Das Leben als Sekundenzeiger ist schon echt stressig, deshalb ist er bestimmt auch so ein Hungerhaken? Während der Minutenzeiger in unserer hektischen Welt wohl der Standardarbeiter wäre, der versucht im Norm zwischen Arbeit und Freizeit sein Leben auf die Reihe zu bekommen, wäre der Stundenzeiger dann wohl die Klasse Mensch, die ihr Leben ganz Chillen, oder bereits soviel Kohle hat, dass Arbeiten, abgesehen vom Täglichen darmentleerungs Pflichtgang der das Klo zum röhren bringt wohl kaum mehr eine Rolle spielt.

Ich entreiße mich der spannenden Welt von Spiderman, als mir nach Minuten der Stille auffällt dass die angeklickte Aufnahme der Verlesung bereits lange verstummt ist und ich feststellen muss dass meine Aufmerksamkeit, mehr auf der Philosophie des Klassendenkens liegt, das in der Hierarchie meiner Uhr steckt, als auf der Nerven zermürbenden monotonen Aufzeichnung die ich für die kommende Prüfung benötige.

Der Lateinwälzer hat es von dem Boden immerhin schon mal auf den Schreibtisch geschafft und liegt aufgeschlagen unter einem leeren Pizzateller und meinem Collegeblock, nur ein Erfolg den ich mir verbuchen kann! Zumal ich tatsächlich bereits einige Begriffe aus dem Vortrag nach gearbeitet habe und nun weiß das Alveolär die Lungenbläschen betreffen und eine alveolärer Hypoventilation, einer Gasaustauschstörung geschuldet ist, bei der es zu einer unzureichenden Belüftung der Lungenalveolen kommt.

Bujah wenn ich mir den Kack auch noch die nächsten Tage bis zur Prüfung merken kann rock ich das Ding wie bei einem Festival auf Wacken haedbängend. Die kleinen Erfolgserlebnisse heben meine Stimmung bis ins unermessliche und ich erlaube mir eine Pause mit meinem geliebten Handy. Seit der Erstiparty schweb Till wieder im siebten Himmel und ich vermute wenn ich eine Herzrhythmusstörung beobachten möchte müsste ich nur ein Stethoskop an die Brust meines Kumpels legen, zumindest hat er seit einer Woche wieder eins der peinlichen knutsch Bilder als Profilbild, welche profilieren das der geile Hengst in ihm zurückgekehrt ist.

Während bei Till die Liebe in gegen meiner Erwartungen den Mount Everest in Turnschuhen locker steil Bergauf geht, habe ich Samuel mal wieder ewig nicht zu Gesicht bekommen, aber wehe ich habe keine Zeit wenn er nach mir verlangt, dann stehen Satans Türen offen und die Höllenritter zerren mich aus der komfortzone meines Zimmer um mich in Samuels Folterkeller wie bei Fifty Shades of Grey an sein Andreaskreuz zu heften, allerdings ohne das wir danach geilen Sex haben.

Steffen hat sein Zimmer gefühlt seit eineinhalb Wochen nicht einmal mehr zum Abseilen eines dicken Braunen verlassen und jedes Mal wenn ich an seiner Tür vorbei gehe überlege ich tatsächlich, ob ich mich trauen soll mal einen Blick hinein zu werfen um nach zu sehen ob er überhaupt noch die nächste Miete bezahlen,kann, oder ob wir uns schon nach einem neuen Mitbewohner umsehen sollten. Ich komme jedoch immer zu dem Entschluss dass eine verwesende Leiche im August wohl bereits angefangen hätte zu stinken.

Während ich auf meinem Handy nur die grausame Entdeckung eines verpassten Anrufes meiner Mutter mache, will sonst wohl gerade niemand etwas von mir wissen, als ein Klopfen mich aus den Gedanken reißt und ich vor Schreck das Telefon einen Moment unbeholfen hin und her jongliere.

"Sorry ich wollte dich nicht stören", irritiert über meinen Balanceakt das Telefon nicht auf den feinsäuberlichen gestapelten Pizzatellerbücherturm fallen zulassen, welcher bei falscher Gewichtsverlagerung wohl dem Scherbenmeer von der nackten Miley Cyrus welche sich auf der Abrissbirne in Form meines Handys gerade den Orgasmuss ihres Lebens besorgt, in nichts nachstehen würde.

"Seit wann klopfst du denn, meine Scheiße?" Ich schaffe es das Gerät wieder zu fangen und fühle, mich wie der King, doch Till schenkt meinem selbstgefälligen Ausdruck keinerlei Beachtung, als er den Grund für sein Eintreten nennt. "Ich geh mit Juli was essen, willst du ne Pause machen und mit?", weich Lächelt mich der hübsche Streuner an und ich kann nicht anders als das Gesicht schmunzelnd zu verziehen. Seit Tagen hat keiner von uns das Tageslicht auf der Haut gespürt und ich weiß Tilli möchte gerade nichts lieber als einige Stunden einfach die Zärtlichkeiten seiner Liebsten genießen, doch sein Brocode fühlt sich verpflichtet mich genauso aus der grausamen Hölle des blau strahlenden Licht des Monitors zu befreien. "Verpiss dich und geht bloß zu ihr! Du klingst wie ein Herzkranker Gorilla wenn du kommst" Dankbar verzieht er das Gesicht zu einem Lachen. "Ich bring dir ne Pizza mit Streber!" Kaum einen Herzschlag später schmeißt er ausnahmsweise die Tür zu und ich höre wie sein Schlüsselbund aus der Schale genommen wird.

Gelangweilt widme ich mich tatsächlich wieder dem Lateinbuch und ziehe sogar noch ein weiteres Buch aus dem Regal, welches meine Eltern mir zum Auszug ins Medizinstudium geschenkt haben, gefüllt mit irgendwelchen alten Apparaten, die sie selbst bereits zu ihrer Zeit verwendet haben. Top aktuell also, aber besser als die Zeit zu verschwenden noch mal in die Unibibliothek zu radeln. Abermals leuchtet mein Handy auf und meine Mutter versucht wieder mich zu erreichen.

Ich blase bereits vor dem Abnehmen die Luft aus den Lungen, da mir das Thema ihres mütterlichen Anrufes schon seit geraumer Zeit bekannt ist. Eher frage ich mich warum sie erst so kurz vorher anruft.

"Hallo Mum?", schnaube ich ungewollt genervt in den Hörer.

"Begrüßt man so seine Mutter?", obwohl ich sie nicht sehen kann weiß ich dass sie gerade genauso genervt wie ich selbst mit den Augen rollt, auf eine Antwort wartet sie erst gar nicht und ich höre wie der Verkehr an ihr vorbeizieht, vermutlich hat sie gerade Mittagspause und nutzt die Gelegenheit ihren mütterlichen Pflichtanruf hinter sich zu bringen in dem sie redet und ich bejahe. "Dein großer Tag steht ja bald an..." "hmh", bejahe ich wie gewohnt und klicke derweilen in dem Prüfungsfragen herum die in den letzten Jahren abgefragt wurden. "...und wie laufen die Vorbereitungen? Brauchst du noch irgendwo hilfe?" "Sind das wirklich über 300 Fragen und noch ne mündliche Prüfung?", hake ich ungläubig die Fakten nach die umumschmeißlich ein Problem darstellen. "Joe-Noah du hast dich doch gut auf das Physikum vorbereitet?" "Jaaha Mum Ich bin auch jetzt gerade dabei!" Ich hasse diesen vorwurfsvollen Ton in ihrer Stimme. Nicht nur das ich es Hasse mir das langweilige Laberrabarber anzuhören, meine Mutter schafft es auch noch schlimmer zu sein als das Lernen selbst. "Manchmal habe ich das Gefühl du gibst dir überhaupt keine Mühe mehr seit du zum Studieren so weit weggezogen bist" "Ich Lern doch schon den verdammten ganzen Tag!", ich werde ungewollt Laut, als mich meine Mutter wieder einmal wie ein Stück Kohle zum Glühen bringt. "Ist ja gut dann will ich ja nicht mehr länger stören... ruf an wenn du es hinter dir hast, ja?" "Ja mach ich", halte ich mich kurz angebunden. "Ich hab dich Lieb mein Großer" und da ist sie wieder... die Floskel die alles Entschuldigt. Sie entschuldigt, dass sie mich wieder einmal nur nach meinem Studium ausgequetscht hat, mich nur in der Mittagspause anruft, was nicht schlecht ist, da es unsere qualvollen Gespräche auf eine maximale Gesprächsdauer limitiert und das sie sich eigentlich nie dafür interessiert was mein Leben sonst noch so macht außerhalb der Uni. Und... aufgelegt. Während das Folterrad gerade mein fehlendes Rückgrat zertrümmern möchte, das mit 24 Jahren noch immer nicht in der Lage ist seiner Mutter zu sagen dass er keine Lust auf das Studium hat. Doch was ist das? Samuel scheint heute bester Laune zu sein, denn sie haben endlich das Projekt eingereicht und seine Einladung klingt seit langem mal wirklich vielversprechend, die unter dem Whatsappbildchen in seiner Nachricht aufploppt.

Wortloses Rendezvous (Yaoi, BL, BoyxBoy, Boyslove, Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt