Kapitel 16

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“Pizza?” Das erste tröstende Wort welches meine Lippen verlässt. Einige würden nun vermutlich glauben dass ein Mann, der vor wenigen Minuten in einer Pizzaria sitzen gelassen wurde nicht unbedingt mit fettigen Käse zu trösten ist, doch ich kenne Till und ich weiß das dieses Stück italienische Kultur das einzige ist was er in einem Moment wie diesem überhaupt herunter bekommt. Seine stillen glasigen Augen sehen mich traurig aus dem dunklen Schatten welcher sein hübsches Gesicht schützend umspielt an, als mich endlich erste brüchige Worte erreichen. “Diese elende Barbiefotze ist wieder bei ihrem schwanzlosen gold Ken” Diese mehr als ausführliche Begründung reicht mir völlig aus um zu erörtern das Till, gerade wieder in dem Status angelangt ist in dem er Juli gerne in eine der Kuhärsche schieben würde, welche er Tag ein Tag aus in seinem Praktikum untersuchen darf und dort mit ihren Wasserstoff Blondierten Haare mal gründlich den Enddarm reinigt. “Frauen sind verdammte verlogene Fickgesichter!” Der zornige Ausruf mischt sich mit dem Geräusch aus rauschendem Wasser und dem aufreißen des Pizzakartons, als Till aus dem Fluchen über die Damenwelt gar nicht mehr hinaus kommt. Es ist nicht viel was ich dazu beisteuere ihm zu Helfen, denn ich hocke eigentlich einfach nur neben ihm und höre zu, doch ich weiß wie gut es tun kann seinen Frust heraus zu lassen und wie gerne würde ich das alles auch Samuel einmal an den Kopf werfen. Nicht nur weibliche schleimige Mösen können solche Ungeheuer sein, die Till immer Ausgefallener beschreibt, nein auch Männer oder besser Samu als eigene Spezies.

Till wird wieder Leiser und ich spüre wie sein Herz wieder in den ‘Es ist alles meine Schuld’- Modus wechseln will, als er sich mit dem Pulli Ärmel die laufende Nase wicht. “Tierärzte verdienen eben nicht so viel Kohle wie Humanmediziner oder andere reiche Wichser ... “ Am liebsten würde ich ihm für diesen dummen Spruch meine Faust so feste in die Fresse hauen dass er froh sein kann auch mit Zahnmedizinern in kontakt zu stehen, doch stattdessen nehme ich genüsslich einen großen Bissen der fettigen inzwischen Eiskalten und steifen Pizza und rappel mich auf um nahe an den Rand des reißenden Wasserfalls zu steigen. “Joey pass auf! Eine Chica zu verlieren kann ich verkraften, aber mein Pizzabuddy ist unersetzlich!”

Ohne auf das Geschwafel von Till einzugehen löse ich meinen Gürtel um genüsslich meinen Hintern vor den Augen meines Kumpels plank zu ziehen. Eisig stechen die herausspringenden Tropfen auf meine warme empfindliche Haut als ich in das Gewässer unter mir Pinkle. “Samuel… ist ein selbstverliebter Bastard! Und ich hoffe dir schmeckt meine Pisse!”, es dauert einen Moment bis mir selbst bewusst wird, was ich eigentlich von mir gebe, doch mit der Erkenntnis stellt sich auch das gute Gefühl der Befreiung ein. Verwirrte Augen mustern mich, doch ohne eine Frage glänzt einen Moment später ein weiter Mondarsch am wässrigen Himmel auf und Till tut es mir gleich. “Ich hab mir mit deinem lieblings Lippenstift ein Gesicht auf den Sack gemalt! Dreckige ausgeleierte fette Gummipuppe!”

Aus dem Kanal hallen an diesem Abend mehr als nur ein paar harmlose Beleidigungen, doch mir ist es egal ob unsere Stimmen in der Mischung aus Lachen, Hass und dem tosenden Wasser vielleicht wie der Brunftschrei eines kastrierten Hirsche klingt, dem man obendrauf noch das Geweih gekürzt hat, als der leere Pizzakarton auf dem Boden und ein zufriedener Till auf meinem Gepäckträger landet der sich müde an mich klammer, die letzten Erinnerungen an das wenigstens etwas aufgeheiterte Gesicht sind diejenigen die mich beim Einschlafen in meinem Bett begleiten.

Die nächsten Tage gleichen wie erwartet einer Folter aus zu hohen Cholesterinwerten, angekurbelt von der reinen Ernährung aus fertigen fettigen Pizzen im

herzerweichenden Duett aus Liebeskummer und einer Ganitur aus Prüfungsstress, aber das schönste ist ja das Samu noch immer nicht verstehen kann warum ich unsere Beziehung wegen so einer Lappalie wegwerfen möchte. Eine Mischung die meine Nervenbahnen dermaßen strapaziert, dass ich mich tatsächlich einen Moment selbst Frage ob diese bei überlastung wie einer der billigen Discounter Drachenschüre reißen können und der geliebte Himmelsflieger im nächsten Strommast endet. Zur Krönung allem Unglücks in dieser mehr als unwichtigen Phase meines Lebens besteht meine Mutter darauf mich an den Prüfungstagen auch noch selbst wie einen Vierjährigen zum Physikum zu begleiten. Es fehlt eigentlich nur noch das sie in ein Taschentuch rotzt um mir damit ein Fleck auf der Wange weg zu schrubben. Mal ehrlich… warum verbietet das niemand?

So viel Fürsorge wie in diesen 48 Stunden, habe ich selten von meinen Eltern erhalten, doch meine gute Mutti meint es wohl mit ihrer plötzlichen überschwänglichen Hilfe zu gut, denn das was ich mir irgendwie mit einem Presslufthammer in den Schädel gedonnert habe, wird systematisch von ihren ‘und denk dran’- Erklärungen heraus geprügelt, sodass ich am Ende vor dem Berg an Fragen saß und nicht mal mehr wusste ob ich Links oder Rechtshänder bin um das Kreuzchen bei der ersten Frage zu setzten. Man kann sich also Denken wie brillant mein Ergebnis aussehen wird, doch als ich völlig ausgelaugt auf dem Beifahrersitz meiner Mutter platz nehme, heißt es wie bei den kleinen Pinguinen immer Lächeln und Winken, damit keiner dumme Fragen stellt.

Das schöne ist, wenn sich einer Jahrelang einen feuchten fauligen Ogerfutz für dein Leben interessiert, auch nicht bemerkt wenn du Eiskalt behauptest eine gelungene Prüfung zu erwarten, aber genau weißt, dass die nächsten Monate wohl die Hölle auf Erden bedeuten in dem das Tageslicht lange kein Bestandteil deiner Zwingerhaltung aus Lernen beinhaltet. Alternativ könnte ich auch mit der maßlosen Enttäuschung meiner Eltern leben und irgendwo Burger bei einem Fastfood laden backen. Was ein gelber Schwamm kann, werd ich doch wohl auch hinbekommen?

“Also ruf uns an wenn die endgültigen Ergebnisse da sind”, nette aufbauende Worte, wenn man als hoch angesehene Ärztin über die dunklen Augenringe in dem Gesicht des eigenen Sohnes und den ungesungen fahlen Hautton hinweg sehen kann, welcher Wochenlange Schlaflosigkeit mit sich bringt. Aber was erwartest du Joe? Etwa ein offizielles “Schieb mal einen Lockeren die nächsten Tage”? Schön dass ich wenigstens noch träumen kann…

Die Autotür fällt ins Schloss und mit dem Geräusch von rauschenden Reifen, auf dem leicht feuchten Asphalt, fällt endlich die unangenehme Anspannung ab, welche ein Besuch meiner Eltern, aber besonders meiner Mutter mit sich bringt und ich entlasse erleichtert die Luft aus meinen Lungen, wobei Till bereits erwartend aus dem Fenster sieht. Anders als meine wirkliche Mutter, kann meine Pizzamama mir bereits am Gesicht ablesen, wie das vermeintliche Ergebnis wohl aussehen wird. “Scheiß drauf… im März rockst du das Ding”, erklärt mein liebeskranker blonder Köter, als er mir eins seiner tröstenden Lächeln schenkt. “Komm erstmal rein und lass den Frust am springenden roten Klempner aus! Das haben wir uns schließlich verdient!”

Wortloses Rendezvous (Yaoi, BL, BoyxBoy, Boyslove, Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt