Kapitel 36

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In meinem Blick wechseln die Emotionen sich wie die Schlüpfer einer Stripperin an einem brechend vollen Abend ab, aber Lukas warmes Lächeln bleibt unverändert an meiner Seite. “Frag ihn, bevor du voreilige Schlüsse ziehst. Kann ja auch sein das es jemand ganz anderes war?” Der feste Händedruck auf meiner Schulter bringt mir die Luft zurück in meine vor plötzlicher Panik zusammengezogenen Lungenflügel. Vermutlich hat Lukas recht und egal wie sehr ich mir jetzt den Kopf zerbreche, keiner wird mir sagen können wer der mysteriöse Kerl an Aarons Seite war. “Eins noch…”, beginne ich meine Frage mit erhobenen Zeigefinger um das Thema endgültig zu beenden, als Lukas ein schiefes Lächeln aufsetzt und seine dunklen Augen zum Rollen bringt ohne mir bis zum Ende zuzuhören. “Ja… Leider schon!” Umliegende würden dieser gestückelten Unterhaltung wohl nicht folgen können, doch der einfühlsame Lukas wusste genau welche Frage mich bitter belastete, was ihn jedoch nicht davon abhielt mir die Wahrheit ungebremst wie ein rohes unpaniertes Schnitzel um die Ohren zu klatschen. “Ach verdammt!” Meine verärgerte Äußerung über das Antlitz meines eventuellen Wiederdachers bringt jetzt selbst Lukas herzlich zum Lachen und der Rest des Nachmittags vergeht mit der sommerlichen Hitze in lange Schatten, doch von meinem Regenbogenprinzen fehlt den ganzen Tag jede Spur.

Ähnlich wie dieser Nachmittag, vergehen die nächsten brütend heißen Sommertage in gesellschaftlicher Einsamkeit vor meinem Fensterbrett, aber man kann wenigstens Elsi beim wachsen zu sehen und wie ihre Beine immer besser werden. Till macht sich wirklich viel Arbeit mit ihr und bekommt es mit vielen verteilten Kniddelen in seinem Zimmer gedankt, denn umso besser Elsbeth laufen und springen kann umso schwieriger wird es sie vor Steffen zu verstecken. Gut das der gerade einige Tage seine Eltern besucht, bevor die Uni wieder an den Start geht.

Tills Stimme dringt leise durch die dünne Zimmerwand zu mir herüber als ich aufgeregter als bei meiner Physikumsprüfung an meine dunkle Decke starre. In meinen Fingern drehe ich den gefühlt hundertfach geknickten Flyer während vorbei fahrende Autos die Schlitze des nicht ganz zu gemachten Rollladens in mein Blickfeld werfen. Nachdem Lukas Aaron mit diesem unbekannten Kerl gesehen hatte ist der Schönling wie vom Erdboden verschluckt und selbst die Bilder aus dem Atelier wurden nach und nach von dieser Blondine mit der komischen Frisur heraus geschleppt. Keine Sekunde Aufmerksamkeit hat sie mir geschenkt, als ich wie wild gegen die Scheibe gehämmert habe um sie nach Aaron zu fragen. Eine Manier die für dieses Kunsthaus wohl Gang und Gäbe ist, dabei mache ich mir doch nur Sorgen um ihn. Tatsächlich mal ganz ohne Hintergedanken… Die Ziffern des Flyers haben das Datum der Ausstellungseröffnung förmlich in meine Netzhaut gebrannt und ich bete dass mein ungeduldiges warten sich endlich auszahlt. Seit Tagen fühle ich mich so als würde ich bei brechen heißen Temperaturen mit voller Blase im Stau stehen und die vermissten Augen aus gesprenkelten Himmelblau sind die rettende Ausfahrt.

Ich wälze mich in meinem Kissen noch einmal zur Seite und schaue mir im halbdunklen meinen kläglichen Versuch von Regenbogen Malerei auf dem Karopapier an. Eine der ersten “Worte” die ich mit meinem geliebten Schillerlöckchen gewechselt habe. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht erinnere ich mich an die zarte Röte die ihm dabei in die helle Haut schoss. Meinen schillernden Regenbogen vor meinem inneren Auge bemerke ich nicht wie ich nach Stundenlangem Grübeln doch endlich in die erlösende Welt des tiefen Schlafs falle und der Flyer samt meiner höhlenmenschen Malerei neben mir das Kissen säumt.

Feuchte Lippen knabbern angenehm an meinem Nacken, während die Wärme des neuen Tages mein Gesicht umhüllt. Gefangen in der Regungslosigkeit zwischen Traum und Schlaf, genieße ich Tills angenehme Stimme welche mit der kleinen Ziege spricht, bevor der Ton plötzlich umschlägt und ein verstimmtes Blöcken auch meinen Halbschlaf gänzlich vertreibt. Eine geschwungene wellenartige Spur aus Urin ziert meinen Zimmerboden, vom Bett aus zurück bis in Tills Zimmer, wo das “Ziegenklo” ungenutzt sein dasein Fristet.

Meine Hand fährt über die zurückgelassene feuchte Stelle in meinem Nacken, an welcher Elsi wohl versucht hat meine Haare zu grasen, ehe ich mit zerknautschten Gesicht nach meiner Brille und meinem Handy auf dem Nachttisch zu fischen beginne. Verstimmt und Müde brumme ich etwas so unverständliches das nicht mal ich selbst es verstanden habe, als die erste Berührung meiner nackten Füße nicht wie gewohnt mit dem Boden oder zurückgelassener verteilter Kleidung ist, sondern eine warme feuchte Lache aus Ziegenurin. “Till! Sie hat es schon wieder gemacht!” Also wenn Ziegen ein Klo benutzen würden, was sie jedoch nicht zu tun scheinen, so wie Till es sich von Elsi erhofft, dann steht es jedoch nicht in der Ecke in der mein bester Freund es platziert hat sondern bezieht wohl mein ganzes Zimmer als Toilette ein. Ich bin es beinahe schon gewohnt dass mein ungewollter Frühsport daraus besteht auf einem Bein in das Badezimmer zu hüpfen. So gewohnt dass Tills Entschuldigung wie vertrautes Vogelzwitschern an mir vorbeizieht und sich mit dem Geräusch der Duschbrause mischt. Aber es bringt auch seine Vorteile mit sich. Sooft wie seit Elsbeths Einzug wurde hier nie geputzt! Man könnte sagen, wenn nicht gerade frische Knittel von Urin getränkt auf dem Boden liegen, dass man von diesem Essen könnte. Ausgeschlossen ist davon die Drei-Sekunden-Regel. Die gilt ja schließlich immer und überall!

Während das kühle Nass feucht fröhlich meinen Fuß umspielt nimmt die Realität um mich herum langsam Kontur an und meine Laune startet durch wie der Lamborghini eines neureichen Selfmade Millionärs auf einer unbegrenzten Autobahn bei gerader Strecke. Heute ist die Vernissage und ich hab mich noch nie so auf Bilder gefreut die ich ohnehin nicht verstehen werde.

“Tillilein!”, trällert es trotz der unschönen Zwischenfälle mit Elsi in viel zu hohen Tönen aus mir heraus, als mein Kumpel mit dem Wischer in der Hand wissend zu Lächeln beginnt. “Heute geht's aufs Ganze? Dein Hausmann hat dir dein Lieblingsshirt schon auf dein Bett gelegt” Das ich in meiner überschwänglichen Freude beinahe flugstunden auf dem frisch gewischten Boden mache mildert meine Laune ebenso wenig, wie die Tatsache das Elsbeth Till wohl beim Wäschewaschen helfen will. Allerdings mit der Devise wo keine Wäsche ist, muss auch keine gewaschen werden, denn die freche Ziegendame kaut genüsslich auf dem frisch gereinigten Superman Shirt herum, welches Till mir eben zurechtgelegt hat. Ein schriller Ausruf versucht zu retten, was es noch zu retten gibt, jedoch klafft am Kragen nicht nur ein Löchlein auf.

Mein Hilfeschrei bleibt auch meinem Saubermann nicht verborgen und binnen eines Herzschlages schlittert auch Till über den eben gewischten Flur an meine Zimmertür, wo ihn das Übel seiner haarigen Begleiterin ebenso unerwartet trifft wie mich. Schuldig verzieht sich das mir vertrauteste Gesicht und ehe Till auch nur eine Entschuldigung hervor pressen muss betrachte ich das feuchte angefressene Shirt, welches ich Elsbeth gerade aus ihren kleinen Beißerchen entrissen habe. “Löcher sind gerade voll in Mode”, mit einem aufmunternden Schlag welcher Till einen Schritt zurück taumeln lässt kehrt auch das Lächeln in das Blass gewordene Gesicht zurück. “Tut mir Leid, gerade versucht sie wirklich alles anzufressen”, entschuldigt er sich im nächsten Atemzug dennoch, doch da kaut die Ziege schon auf dem Nächsten herum das sie findet. Meiner Zeichnung vom Regenbogen.

Nachdem ich endlich ein neues zufriedenstellendes Outfit gefunden habe, was die sommerlichen Temperaturen der letzten Tage einigermaßen erträglich macht, stelle ich beim verlassen unserer Wohnung fest, dass es heute natürlich pisst wie aus Eimern, aber nicht nur dass. Ausgerechnet heute muss mein Fahrrad einen Platten haben! Aber Nein! Heute kann mir der gute Gott im Himmel so oft die Scheiße seines Pfiffis entgegenschleudern wie er will, solange ich Aaron gleich bei dieser Eröffnung wieder sehe! Immer das Positive sehen! Ohne Fahrrad komme ich auf jeden Fall trockener an und genügend Zeit habe ich auch noch.

Wortloses Rendezvous (Yaoi, BL, BoyxBoy, Boyslove, Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt