Kapitel 41

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Der Boden ist bedeckt von Fützen die kleinen schimmernden Seen ähneln und ich warte nur darauf dass der Regenbogenfisch gleich einen doppelten Salto von der einen in die nächste macht, doch bis auf die Lichter der Laternen und unsere Spiegelbilder bleiben die Fützen weitgehend ruhig. Etwas das ich sicherlich nicht auf mir sitzen lassen kann! Mit Anlauf versenke ich meine gerade halbwegs trockenen Schuhe im Schlamm und erwische mit meiner Attacke meinen bis dato trockenen Farbklecks, welcher erschrocken das Gesicht zu einer ulkigen Grimasse verzieht. “Kann ja nicht sein dass nur ich Scheiße aussehe!” Lachend tänzel ich etwas voran und mir fällt auf das ich meinen halben Satz heraus posaunt habe ohne das Aaron meine Lippen hätten lesen können, wenn er nicht übernatürlichen Fähigkeiten besitzt. “Gleich und gleich Gesellt sich gerne oder?” wiederhole ich deshalb meine Aussage noch einmal und sehe ihm dabei direkt ins Gesicht. Eine Antwort erhalte ich keine andere als eine Handvoll Matsch die mir quer über Oberkörper und Gesicht spritzt. Also spießig scheint er schon einmal nicht zu sein! Aber davon bin ich ohnehin nicht ausgegangen.

Hab ich gesagt das Aaron süß und zierlich wirkt? Jetzt wo ich ihn hier draußen mal in Natura treffe merke ich schnell das er gar nicht so schüchtern und zurückhalten ist, wie Till und ich es vermutet haben. Wie das Licht sich in seiner fleckigen Iris bricht und der leichte Regen seine nun schmutzige Kleidung durchweicht erkenne ich an dem dreckigen Grinsen den selbstbewussten Teufel der in ihm steckt, denn er setzt meinem Angriff noch einen drauf. Ich weiß nicht ob es nur mir so geht, aber von der anfänglichen Zurückhaltung spüre ich nichts mehr und das liegt sicher nicht nur an der anwachsenden Schlammkruste, die wir uns gegenseitig verdanken, weil der Andere immer noch einen draufsetzen muss.

Den Weg in das schicke Lokal welches ich für Heute Abend geplant hatte, sparen wir uns nachdem wir uns völlig durchnässt doch auf Pizza geeinigt haben. “Ich fasse es nicht! Du kennst Albertos nicht?” Ein Kopfschütteln ersetzt die Antwort und während wir hier draußen wie 4 Jährige durch die Pfützen springen, vergesse ich sogar den Umstand das mein strahle Mann keinen Mucks von sich gibt. Es fühlt sich einfach Natürlich an bei ihm zu sein, als würden wir uns schon Jahre kennen. Einzig dieses wärmende Gefühl, begleitet von ständigem Herzklopfen in seiner Nähe, ist mir vollkommen neu und jedes mal wenn sein Grinsen sich über beide Wangen zieht durchzieht mich eine unerklärliche innerliche Aufregung. Mit einem fragenden Schulterzucken folgt mir mein Schillerlöckchen die kleine Straße entlang und ich sehe ihm an, dass er gerne noch etwas anfügen würde, doch seine schmutzigen Hände verschwinden einfach in seinen Jackentaschen. Er versucht nicht einmal eine Gebärde oder ähnliches um die plötzlich auftretende unangenehme Stille zwischen uns zu beenden. Naja… bis auf unsere Schritte auf dem nassen Asphalt und das Tropfen des leichten Regens ist es Still.

Vielleicht ist diese Situation aber auch nur mir unangenehm, weil ich gerade nicht weiß wie ich mich aktiv mit Aaron unterhalten kann? Ich möchte ja gerne etwas sagen, ihm hundert Fragen stellen, aber alle Fragen die mir einfallen sind nicht wirklich mit einem Kopfschütteln zu beantworten… Aaron muss meinen innerlichen Konflikt bemerkt haben in welchen ich Gedanklich abgedriftet bin, denn er folgt mir nicht die drei kleinen Stufen nach oben, zur Tür meines Lieblingspizzabäckers, sondern presst seine Lippen schweigsam aufeinander und sieht mich mit großen traurigen Augen an. Das Lächeln welches er mir jetzt zeigt ist alles andere als eines der hübschen ehrlichen die mein Brustkorb vor Freude sprengen wollen. Nein dieses schräge Lächeln und der Daumen zurück in die Richtung aus der wir gekommen sind verheißen wohl nichts gutes, denn wieder fühlt es sich an, als würde mein Lebensmuskel zerquetscht werden, jedoch eher so als würde ein Laster über eine Milchtüte fahren… ein unschönes Gefühl.

“Was?! Nein!”, viel zu offensichtlich bekündet dieser erschrockene Ausruf mein Interesse an dem jungen Mann als ich ihm unüberlegt meine Hand reiche um ihn mit hinein zu führen. “Es ist nur etwas… neu für mich?” Zart füllen sich Aarons Wangen mit Farbe und ich bin nicht ganz Sicher ob er mich richtig Verstanden hat. Immerhin hat Daniel ja angedeutet das Lippenlesen nicht die sicherste Art der Komunikation war, doch gerade leider die einzige Möglichkeit die mir zur Verfügung steht. Verlegen fährt Aarons Hand jedoch an seinen eigen schlanken Hals, als er den Blick zur Seite dreht und mich mit dieser unbedachten Geste wieder einmal beinahe zum durchdrehen bringt. Ich warte gar nicht darauf dass er länger darüber Nachdenkt doch noch nachhause zu gehen und mir damit meine vielleicht einzige wirkliche Chance bei ihm zu vergeigen, sonder greife feste nach seiner anderen Hand, welche eiskalt in meiner ruht ohne den von mir geforderten Druck zu erwidern. Aarons Augen werden groß, als ich ihn hinter mir durch die alte abgetragene weiße Tür mit Glasfenster führe, auf welcher Liebevoll in schwarzer Schrift Alberto’s Pizza und das klischeehafte dickliche Männchen mit dem gedrehten Schnurrbart prangert.

Ein Geruch aus zerlaufenem Käse, Zwiebel und frisch auf gebackenem Pizzateig schlägt uns entgegen, der jedem Mann der Welt das Wasser im Mund zusammen laufen lassen würde, wie dem bösen Wolf der die sieben Geißlein durch das Fenster stalkt. Wenn es eine Bezeichnung für meine Liebe zu diesen runden italienischen Gebäcken geben würde, wäre ich wohl Schwul und Pizzaophil. Warum schleicht sich bei diesem Gedanken gleich eine grinsende Pepperoni Pizza mit anzüglichem Loch in der Mitte dazu. Alter Joe… was zu weit geht, geht zu weit… Meine eigenen Gedanken mit einem Kopfschütteln vertreibend, nimmt mir der Regen in Kombination mit der hitzigen warmen Luft der Pizzastube die Sicht. Brille… ich liebe meine Sehschwäche einfach… Noch immer halte ich Aarons Hand in meiner und genieße das sich unsere Körpertemperatur langsam angleicht und mein Schwarm den Druck inzwischen aus eigenem Antrieb erwidert, denn ich hab nicht vor sie so schnell wieder los zu lassen. Mit der freien ziehe ich mir die Brille von der Nase und erkenne den verschwommenen dicklichen Pizzabäcker eigentlich nur an seinem herzlichen Grüßen. Das Ebenbild eines jeden Pizzabäckers, oder zumindest des Italiener dessen Gesicht für wohltuende Käseorgasmen steht.

“Ahh unser angehender Doktor und… ein ganz neues Gesicht? Wo habt ihr Till gelassen? Wie geht es seiner kleinen Ziege? Wenn sie Milch gibt, tausche ich gerne ab und zu mit euch” Wenn es jemanden gibt der mehr Quatscht als ich, dann ist es Alberto, wobei er nie etwas über Auffälligkeiten verliert die zu privat wirken. So etwas wie zwei Händchenhaltende Männern die völlig verdreckt in seinen Laden kommen, scheint keinerlei Gesprächspotential zu bieten, aber wehe wir verraten ihm nicht wann Elsbeth das erste mal Milch gibt… “Alles bestens! Till ist sicherlich nächstes Mal wieder dabei aber heute hast du doch sicher einen warmen Platz für uns Zwei?” Ein weicher Blick aus dem Augenwinkel auf unsere Hände lässt meinen alten Freund verstehen und er deutet auf den kleinen Sitzbereich seiner Pizzaria. “Setzt euch wohin ihr wollt, bei dem Wetter heute kommt sowieso niemand mehr” “Umso besser für uns!”, necke ich freundlich und führe Aaron in das häuslich italienisch eingerichtete Eckchen in dem wir ungestört unser erstes wirkliches Date haben würden.

“Gefällt es dir hier?”, mit der ständigen inneren Aufregung in mir sehe ich Aaron vor mir an, als dieser Zufrieden kaum merklich Nickt doch ansonsten etwas steif wirkt, als er seine Tasche von der Schulter auf die Bank rutschen lässt. Das väterliche Dickerchen schaltet das leise romantische Gedudel an und meine Gedanken Murmelbahn begreift erst nach einigen Sekunden warum Aaron verlegen neben mir steht, anstelle sich zu setzen. Meine Finger wollen sich einfach nicht von ihm lösen.

“Oh… äh… “ Peinlich berührt gebe ich Aaron frei und zufrieden Grinsend lässt der kleinere nun endlich seine nasse Jacke von den schmalen Schultern rutschen. Ich habe Aaron noch nie etwas Sommerliches tragen sehen und auch heute hat er seinen weiten Hoody an, welcher nicht wirklich vermuten lässt was sich unter dem viel zu großen Stoff befindet und meine Fantasie nur noch verrückter spielen lässt. Neben seinen Platz legt Aaron den kleinen Block und den Stift und schiebt dann seine Hände unter seine Oberschenkel, vermutlich um den Frost aus diesen zu lösen, während seine Aufmerksamkeit nur mir gehört. Eine ungeteilte Aufmerksamkeit, welche mich sofort wieder unnatürlich Nervös macht und ich danke Gott dafür, als Alberto uns die Karten in genau diesem Moment bringt. “Cola und die Salami alla Joe?” Grinsend nicke ich nur Zustimmend, als Aaron die Karte entgegen nimmt um überhaupt erst einmal einen Blick hinein zu werfen. “Und dein schweigsamer Freund?” Ich bin sicher dass Alberto diese Bemerkung keineswegs unfreundlich gemeint hat, doch in mir löst es ein Gefühl der Hilflosigkeit und Überforderung aus. Bestelle ich für ihn? Bestellt er selbst? Ich weiß ja nicht einmal was er Trinken möchte? Aaron merkt mir natürlich sofort meine Unruhe an, als er schmunzelnd seine kühlen Finger auf meine Hand legt und kurzerhand auf der Karte auf den Pfirsicheistee deutet und sich auch schon auf eine Pizza geeinigt hat. Ich hätte jetzt erwartet dass man den einfachsten Weg nimmt, wenn jede Art der Kommunikation ein Kraftaufwand kostet. So als wäre man im Ausland und würde kein Wort von dem verstehen was auf der Karte steht und einfach irgendwo drauf deuten, aber Aaron hat genaue Vorstellungen von seiner Pizza und erklärt Alberto ohne ein Wort, was genau drauf soll und was nicht. Rucola, Paprika, Mais, Schinken und dafür keine Oliven.

Wortloses Rendezvous (Yaoi, BL, BoyxBoy, Boyslove, Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt