Kapitel 28

174 20 27
                                    

In meiner WG herrscht bereits Stille, als ich wie ein frisch geschlagener Baum in das Innere des kleinen Flures falle um das Bad zu erreichen und mit der gleich lauten Spülung Steffens feuchte Träume zu versüße, als die elende lange Zeit des Aufschließen der Wohnungstür meine ohnehin bis zum zerbersten gespannte Blase, Gefühlt auf das doppelte Schmerzhafter erscheinen lässt. Erleichtert plätschert der schmerzliche Druck in das Porzellan, als ich wie Till die Badezimmertür nicht einmal mehr geschlossen habe, sondern es einfach endlich laufen lassen will. Dabei ist mir die Farbe meines Urins dieses mal so herzlich gleichgültig, wie die Tatsache dass Steffen wohl doch noch nicht im Land der Träume schlummert, sondern seine feuchten Fantasien unter der Dusche wahr werden lässt. Mit einem befreiten Seufzen sehe ich den völlig perplexen Steffen hinter der von Tropfen befangenen Scheibe an, an dessen Körper die Schaumberge wie in Zeitlupe hinab gleiten und an dem purpurnen Gesicht meines zurückhaltenden Mitbewohners, kann ich erst den Selbsthass erkennen, warum er vergessen hat die Tür abzusperren und im nächsten Moment die Scham als er meinen ebenso verwirrten Blick auf sich spürt. Während sich meine Gedanken um die Frage schlingen, warum man während des Einschäumen das Wasser ausschaltet, scheint Steffen andere Rückschlüsse aus meinem Blick zu ziehen denn er fuchtelt eilig mit den schaumigen Fingern vor seine leicht erigierte Männlichkeit, um diese vor mir "Schwulen-alles-nehmenden -Monster" zu verbergen, ehe ich ihn noch Lüstern anspringe, weil sein kleiner Pullermann mir angetan entgegen winkt. "Keine Sorge du warst noch nie mein Typ, musste nur mal Strullen", Ich ziehe die lärmende Spülung ohne weiter auf den selten so schweigsamen Streber einzugehen.

Mein Weg führt mich in die gegenüberliegende Tür meines eigenen Reiches, wobei meine Kleidung sich zu dem übrigen Berg am Fußende meines Bettes gesellt bis mein Kleiderschrank mich dazu zwingt sie tatsächlich mal wegzuräumen, ehe ich mich entspannt auf mein Bett werfe um im Licht meines Displays den Abend ausklingen zu lassen. Doch immer wieder schiebt sich sein Gesicht in meine Gedanken und das zufriedene Lächeln schmückt meine Züge. Das Handy landet auf meiner Brust als sich mein Blick an der dunklen Zimmerdecke festsetzt und ich meine Arme hinter meinem Kopf verschränke. Hunderte Szenarien tanzen durch meine Gedanken in denen mein Schillerlöckchen endlich seine Mauern aus Ignoranz und Schweigen fallen lässt und mir endlich seinen Namen anvertraut. Vielleicht öffnet er morgen einfach das Fenster und lehnt sich mit den Ellen auf den Rahmen, während das Sonnenlicht sich in seinen einzigartigen strahlenden Augen bricht, welche viel zu herzlich für einen so zurückhaltenden und oft ernsten Ausdruck sind. Der leichte Sommerwind würde sein Haar leicht wippen lassen, wobei der Campus nur uns beiden gehört. Über meine schnulzigen Fantasien bemerke ich viel zu spät wie Till sich über mich beugt und meine Sicht auf die dunkle Zimmerdecke bereits lange meinen geschlossenen Lidern gewichen ist. Wie einem balzenden Strauß ist mir mein völlig bescheuerter Ausdruck jedoch nicht im geringsten Bewusst, als die Tropfen aus kaltem Wasser fröstelnd meinen Traum vom Regenbogen wie kleinen Seifenblasen zerplatzen lässt in welche hunderte kleine Zinnsoldaten ihre Gewehrladung verballern. Das sprudelnde Wasserglas wieder in die verschränkte Position seiner Arme bringend, lächelt mir Till verschmitzt in den völlig entsetzten Ausdruck als er sich einfach ebenso auf mein nun leicht feuchtes Kissen fallen lässt.

"Ich wollte deine feuchten Träume von deinem farbigen Malermeister nur etwas realistischer wirken lassen", neckt mich Till, ehe er sein restliches Getränk mit einem zug leert und das von Kondenswasser beschlagene Glas auf meinem Nachtschrank landet. "Als kleine Info: Du hast deine Linsen noch an, solltest du noch ausziehen, wenn du zu deinem morgigen einsamen Date nicht mit Brille willst" Tatsächlich hab ich meine Kontaktlinsen mal wieder total vergessen, doch ich merke an Tills Grinsen das er mir noch etwas anderes zu berichten hat. "Alles klar Mama, aber was willst du eigentlich von mir?" Ich schiebe mich mit den Armen nach oben um mir die restliche Feuchtigkeit mit der Decke aus dem Gesicht zu wischen, als Till mir freudestrahlend entgegen Blickt. "Ich hab dir doch von dem Praktikumsplatz erzählt denn ich unbedingt wollte? Die haben vorhin angerufen! Ich hab ihn bekommen und Morgen gehts schon los!", quietschte der werdende Tierarzt beinahe wie ein verliebtes Schulmädchen, an dem der Schwarm der Schule vorbei zieht. Ein warmes Lächeln umspielt meine Lippen als ich Till so voller Vorfreude neben mir sitzen sehe. "Morgen schon? Dann solltest du doch eigentlich längst schlafen?", necke ich meinen Kumpel väterlich, aber jeder der meinen Straßenköter auch nur ein Weilchen kennt, weiß, dass er ähnlich wie ich gerade hunderte Male den morgigen Tag durchgeht um nicht irgendwas zu vermasseln. Die Tierklinik an der er sich beworben hat, zählt zu den besten der Umgebung und wer dort einmal Fuß gefasst hat, steigt die Karriereleiter wohl ganz schnell auf. Nichts mit einfachen Tierarzt auf dem Land und wenn er dort seinen erhoffen studentischen Nebenjob erhält ist er auch nicht mehr so sehr auf Bafög angewiesen für welches er alle zwei Semester irgendwelche Nachweise hervorbringen muss. In diesen Momenten bin ich froh das meine Eltern mir wenigstens dieses nervige Unterfangen mit ihren spendablen monatlichen Überweisungen erlassen. Na ja sie wollen schließlich dass ich studiere, dann sollen sie auch dafür zahlen! Tills Familie hingegen hatte noch nie wirklich viel und dass Till jetzt studiert, war für seine Mutter undenklich. Ihrer Meinung nach sollte der Blondschopf nicht einmal Abitur machen, sondern lieber gleich arbeiten gehen um als Ältester von vier Kindern die Haushaltskasse etwas aufbessern. Anfangs war es richtig unangenehm als einziger Sohn eines reichen Ärztepärchen bei Tills Familie zu Gast zu sein, doch unser Freundschaft hat dieser angebliche gesellschaftliche Klassenunterschied nie einen Abbruch getan. Ich fand es als Siebtklässler eher cool wenn Till mit seinen ausgetragenen Shucks und der zerrissenen Hose in die Klasse gekommen war, während meine Eltern schon immer darauf geachtet haben, dass mein äußeres Erscheinungsbild zu meinem späteren Werdegang passt. Fast schon wie Samuels Kaffeefolter... Ich hab es gehasst. So wie meine Eltern den ärmlichen Till und seinen "schlechten Einfluss" auch noch nie wirklich gemocht haben. Mittlerweile sieht man meinen Blondschopf dass am Monatsende oft knappe Geld kaum noch an und zwischen uns war dieser Unterschied ohnehin nie ein Problem, denn seine "billigen" Geschenke und Aufmerksamkeiten, waren für mich schon immer mehr Wert als all der Kram den mir die anderen zum Geburtstag oder Weihnachten geschenkt haben. Bei diesen Gedanken fällt mein Blick auf die alte Spiderman Uhr und die vielen Aktionheldenfiguren auf meinem Regal, welche mir mein bester Freund als einziger Jahr für Jahr geschenkt hat, weil er wohl einer der wenigen ist, der schon immer wusste was ich wirklich mag.

"Ich hab so schiss es zu verbocken!", erklärt Till aufgeregt, als ich ihn einfach mit der Decke umfasse und neben mich in das Kissen presse. "Als wenn du für irgendwas nicht gut genug bist", erkläre ich Schmunzelnd, als er sich ohne Gegenwehr in meinen Arm betten lässt und ich seinen Rücken an mir spüre. "Ich kenne keinen der sich mehr Mühe gibt etwas zu erreichen, als du, deshalb kann Morgen gar nichts schief gehen Tilli" flüstere ich zuversichtlich in Tills Ohr und denke ausnahmsweise diesen Abend mal nicht länger an meinen Bücherwurm, sondern wispere meinem Freund solange die Geschichte von Spiderman und wie er in meine Uhr gekommen ist ins Ohr, bis seine Atmung gleichmäßig seinen Schlaf verkündet.

Der vertraute Geruch meines Kumpels steigt mir in die Nase, als sein Wecker uns unangenehm früh aus dem Schlaf reißt, doch Till scheint sich in meiner Umarmung mehr als wohl zu fühlen, denn er regt sich kaum merklich um das Kissen auf seine Ohren zu drücken. "Guten Morgen meine Lustgrotte...", liebevoll puste ich die Worte in Tills Ohr, was die Blonden Haare sein Gesicht kitzeln lässt und seine Augen sich langsam erwachend zusammen pressen. "... es warten heute einige riesige Hintern darauf von dir bespielt zu werden, mein Fistingmeister..." Ich kann förmlich sehen wie Till es genießt und ich ziemlich sicher sein kann das ich in seinen Gedanken, wohl gerade nicht Joe bin, bis die Erkenntnis zu ihm durchsickert und er förmlich aus dem Bett springt. "Das Praktikum!" Ich kann gerade noch einem Zusammenstoß ausweichen, als Till aus meinem Zimmer stürmt und im Bad verschwindet, während ich mir erst einmal genüsslich die Augen reibe. Dabei wird mir bewusst das ich trotz Tills Erinnerung vergessen habe meine Linsen heraus zu nehmen und heute wohl die Brille als treuen Begleiter tragen muss. Vermutlich wird es nicht lange dauern bis im Haus alle Türen offen stehen und der Tierfreund zur Bushaltestelle rennt nur um pünktlich....15 Minuten vorher... dazustehen um ja nicht zu spät zu kommen.

"Also wenn heute alles klappt! Bist du mich die nächsten Wochen in der Bib los!", quickt Till bereits geduscht und frisch gekleidet als ich noch immer Müde in meinem Türrahmen lehne. "Und wenn ich dann einfach nicht hingehe?", versuche ich ihn zu ärgern, als dieser jedoch nur strahlend an mir vorbei geht um seine Schlüssel und sein Frühstück in den alten ausgetragenen Eastpak Rucksack fällen lässt, den er bereits seit der Mittelschule besitzt. "Dein Traummann lockt dich schon brav auf den Campus und für mich siehst du auch mal in die Bücher. Nicht das mein Umgang dich wieder verzieht!" Tatsächlich hat er recht und ich mache mich wesentlich gemütlicher fertig um meinen morgendlichen Gang zur Uni auch alleine anzutreten. "Ich schreib dir später!" Und da ist Till auch schon weg.

In Gedanken versunken führen mich meine Füße ungewohnterweise nicht direkt zur Bibliothek, sondern zu dem alten Gebäude der Kunststudenten, an welchem ich meinen Regenbogen gestern Abend zurückgelassen habe und ich muss Lächeln wenn ich daran Denke ihn heute Abend wieder durch das Fenster beim malen zu beobachten. Inzwischen weiß ich, dass einige Studenten in dem alten Haus ihr Atelier haben und einen Schlüssel besitzen um in das Innere zu gelangen. Kein Wunder dass ich immer vor verschlossenen Türen stehe, denn das Gebäude ist nur Mittags für alle zugänglich. Ich bin bereits auf dem Weg zur Mensa, als mein geübter Stalkerblick den kleinen Sonnenschein im Fenster sitzen sieht, welcher dort genüsslich zu Frühstücken scheint, wobei irgendetwas seine Aufmerksamkeit fesselt. Was er wohl abzumalen versucht? Wie sooft bemerkt er mich natürlich nicht als ich meinen Schritt beschleunige um mir in der Mensa ebenso mein Frühstück zu kaufen. Natürlich zwei der dunklen gefüllten Cheesecake Muffins und eine der Käsestangen in der Hoffnung dass Aatami gleich noch hinter der Scheibe sitzt.

Wortloses Rendezvous (Yaoi, BL, BoyxBoy, Boyslove, Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt