Kapitel 1

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Einem gleichbleibenden Rauschen ähnlich, mischt sich die schallende Stimme des Professors mit dem Flüstern der umliegenden Studenten. Letzte Reihe... Die Reihe in der all jene Studenten sitzen die am Morgen mal wieder viel zu spät aufgestanden sind, noch schnell ihre Zigarette zu ende rauchen mussten obwohl selbst die "akademische Viertelstunde" bereits an ihre äußersten Grenzen geraten ist, sie heute natürlich nur "ausnahmsweise" früher gehen müssen oder die, die wie ich einfach keinerlei Interesse daran besitzen was der faltige Onkel vorne auf der Tribüne vor der Text überladenen Powerpoint dem Plenum zu sagen hat... Letzte Reihe... der Ort an dem dich niemand darauf anspricht dass dein Gesicht den Abdruck der Maserung des herunterklappbaren Holztisches hat, auf welchem nun dein Sabberfleck das Licht der Deckenleuchte widerspiegelt. Aber außer als Kissenunterlage und Handyhalter sind diese winzigen Holzbretter welche die Universität als Tisch bezeichnet eh viel zu klein. Selbst wenn ich wollte würde mein Laptop, Block, Kulli und vielleicht noch mein Becher Kaffee um überhaupt die ersten 10 Minuten der Vorlesung zu überleben, ohnehin nicht auf diesen 40x30 Zentimeter riesigen Tisch passen, welcher immerhin mit einer Steckdose versehen ist, an welcher ich wenigstens mein Handy immer wieder laden kann und nicht befürchten muss dass mich dieses lebenserhaltende Gerät im Laufe meines Uni-Alltages verlässt.

Letzte Reihe... hier beschwert sich dein Sitznachbar nicht das er mehr von deinem letzten Wochenende, als von dem Gequatsche der Vorlesung mit bekommt und ich bin einer von denen die Stammgast in der Komfortzone letzte Reihe sind.

Mein Handy vibriert und reißt mich wie ein erlösender Faustschlag aus den Gedanken, welche immer wieder krampfhaft aufs neue versuchen das Gerede des Professors gänzlich auszublenden. Das grüne Symbol leuchtet auf und über meine vom Display erleuchteten Zügen zuckt ein Lächeln. Samuels Spitzname poppt in der Anzeige auf. Lustschwängel. Er weiß nichts davon das Till, mein bester Buddy ihn so umbenannt hat. Ich fand es lustig, also beließ ich es so.

Hey Joe :D

Schaffe es heute leider nicht, aber Morgen bestimmt

Samu

Das Lachen verschwindet und ich klicke genervt den Bildschirm dunkel. Jedes Mal dasselbe. Stunden lang warte ich auf eine Antwort und am Ende kommt es immer auf das Gleiche hinaus. Eine Absage. Erneut vibriert mein Handy und ich tippe zweimal auf das Glas um abermals mein Gesicht in dem Licht des Displays zu sonnen. Ich hasse es dass die Leute seit Whatsapp nie alles in eine Nachricht schreiben können, sondern am besten jedes Wort einzeln abschicken. Warum nicht gleich jeden Buchstaben? Kostet ja nichts außer meine Nerven? Oh es ist nicht eine weitere Absage von Samuel, sondern Till, welcher mir heimlich ein Bild von seinem Vordermann gesendet hat, welcher den Begriff Bauarbeiterdekoltee wohl neu definiert. Das Bild trägt eine von Tills bekannten Unterschriften.

Mit String, wär der doch was für dich! ;>

Ich tippe:

Die Schläuche von der Frau Prof. Dr. Baumbach lasse ich dir für deine nächste Realfeel Gummi Dolly abgießen!

Ich muss lachen und ernte selbst in der letzten Reihe einen strafenden Blick, als die Augen meines gerade referierenden Professors auf mich gerichtet werden und selbst der Vortrag einige Herzschläge ins stocken gerät. "Haben sie etwas zum Thema beizutragen?" Natürlich habe ich das! Wie war es noch gleich? Anatomie der Lunge? Ich schalte mein Handybildschirm wieder dunkel, als sich die übereifrigen Studenten in den vorderen Reihen kopfschüttelnd wieder der langweiligen Powerpoint widmen. Der Doktor bekommt keine Antwort von mir und beginnt wieder in seiner monotonen und gleichbleibend langweiligen Stimme zu sprechen. Womit habe ich diese Folter nur jeden Tag verdient?

Nach den üblichen 7 Minuten die unser Onkeldoktor jedes Mal überzieht, können wir endlich den stickigen fensterlosen Vorlesungsraum verlassen und siehe da noch ein Bonus der letzten Reihe. Ich bin einer der Ersten der die Sonne des Campus auf seiner Haut spüren kann. "Da ist ja unsere quoten Schwuchtel!", begrüßt mich Till wie immer mit einem angedeuteten Faustschlag in den Magen, welcher mich jedes Mal aufs neue zusammen zucken lässt. "Na war das nicht mal der Arsch deiner Träume. Mollig weich und kalt wird dir bei dem Pelz im Winter auch nicht!"

"Du weißt ich steh eher auf den Typ bottom, glatt rasiert."

"Da passt dein Lustschwängel wohl auch nicht in dein Jagdschema!" Till, nein unsere ganze Gruppe kann Samuel einfach nicht ausstehen. Es ist nicht so dass sie etwas gegen Homos hätten, nein im Gegenteil. Als Till von meiner Neigung erfahren hat, war er eigentlich ziemlich gelassen. Einzig seine Sprüche haben sich in ihrer Form etwas gewandelt, was mich jedoch nie gestört hat, denn sie sind wie Samuel es immer ausdrückt 'Ein hilfloser Versuch seine Empathie für jemanden zu zeigen', wenn ich so darüber nachdenke, kann ich manchmal verstehen warum sie Samu nicht leiden können.

"Wo sind denn die Anderen?" "In der Bib... muss auch gleich wieder rein, aber dachte wir zischen kurz in die Mensa und beschaffen uns was zum beißen?" Till schenkt mir eins seiner schrägen Lächeln und irgendwie kann ich ihm dann kaum einen Wunsch abschlagen, mit seinem immer unordentlichen Kragen und der dazu passenden Frisur in Köterblond. Der lange Idiot ist schon seit der Mittelschule mein bester Freund und ich frage mich manchmal warum ich ihn eigentlich so null anziehend finde. Er sieht wirklich nicht schlecht aus. Nein ganz im Gegenteil, seit er die Zahnspange raus und die Pickel vor seinem Abitur verloren hat, sieht er sogar richtig gut aus, aber ihn an meiner Seite als Partner? Als Liebhaber? Unvorstellbar wie das Spiderschwein von den Simpsons.

"Ey Joe morgen Abend steigt übrigens die Uniparty. Freibier für Ersties, Weiber und Möpse und Weiber und-", er sieht mich auffordernd an als ich die Augen verdrehe und ihm die erhoffte Antwort schenke. "und Möpse...", seufze ich. Knirschend biegen sich die Steine unter unseren Füßen weg als wir den Trampelpfad zur Mensa beschreiten. Ein Fahrrad nach dem anderen heizt ungerührt an uns vorbei. Gibt ja nicht genügend Platz auf dem Campus, da muss man schon mal auf dem eh schon beschissenen Weg an den armen Fußgängern vorbei brettern... Das ist ja kein offizieller Weg, aber der Weg den alle Studenten aus dem A-Gebäude eben nehmen, wenn sie in ihrer Pause noch schnell was zwischen die Zähne bekommen wollen. "Also... was sagst du?", spricht mich Till wieder an. Ach ja er will ja noch seine Antwort wegen der Party.

Wortloses Rendezvous (Yaoi, BL, BoyxBoy, Boyslove, Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt