Kapitel 38

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Verlegen greife ich mir mit einer Hand in den Nacken, wo meine Haarspitzen sich noch immer tropfend vom Regen lösen und plötzlich aufkommenden Angstschweiß gut kaschieren, während mein Blick peinlich Berührt hinter der halb beschlagenen Brille richtung Aarons mir wohlbekannte farbverschmierte Schuhe gen Boden wandert. Diesen Augenblick in denen wir die ersten wirklichen Worte wechseln habe ich mir hunderte Male ausgemalt. Alle Möglichkeiten ausgelotet und über passende und lässige Worte nachgesonnen, doch jetzt ist mein Oberstübchen mit einem seiner Blicke so leer geräumt das nicht einmal Wollmäuse davon zeugen dass dort mal irgendetwas anderes als gähnende Leere geherrscht hat. In der Bibliothek fiel es mir so einfach auf diesen hübschen völlig fremden Jungen zuzugehen, doch jetzt? Fuck! Wo ist das verdammte Selbstvertrauen wenn man es mal wirklich braucht? Wo ist mein selbstverliebtes Ich? Wo ist Joe-Noah, die Arschfickgranate die jeden Hintern bekommt? Der hilflose Nacktmull hat wohl gerade seine Eier in der letzten Pfütze verloren und ich sehne mir die Scheibe zurück die uns wohl beiden einen Schutzraum gegeben hat, denn auch die bunten Schuhe vor mir regen sich in keinster Weise um diese peinliche Situation aus Schweigen mit irgendeinem Wort zu lösen und das Gespräch gewohnt fröhlich in Gang zu bringen. Zum denklich ungünstigstens Zeitpunk zereißt mein Klingelton, welcher dank Till, nicht den Theme Song von Spiderman sondern das Kinderlied von Rumpelstilzchen abspielt, die zähe Seifenblase um uns herum in welcher sich dieser Moment befindet.

Meine roten Blutkörperchen stellen alle Sender auf Alarm und die purpurne Farbe schnellt mir wie eine auf dem Asphalt zerplatzende Fleischtomate bis in die Ohren. Hektisch will ich die Stimme aus meinem Smartphone beenden, welche mit aller Freude die ersten Zeilen dieses mehr als peinlichen Liedes abspielt, doch gerade könnte ich wirklich auf einem Bein umher hüpfen, denn Schlimmer kann es gar nicht mehr werden. Selbst meine Penismonobraue wäre mir gerade lieber, die kennt er wenigstens schon von mir!

Mein erschrockener Blick trifft wieder auf Aarons Lächeln, als ich den Finger hebe um mich für die Unterbrechung zu entschuldigen, doch da kommen schon das Kunst Plappermaul und der fummel Fritze und klauen mir meinen Regenbogen direkt vor der Nase weg um mit den anderen die Ausstellung zu begehen. Am liebsten würde ich den Schönling an seinem langen Schal erwürgen, als er seinen Arm um Aarons schlanke Schultern legt und ihn zärtlich mit sich nimmt. Welcher Depp trägt überhaupt einen Schal im Sommer, nur weil der graue Stoff ihm so unglaublich gut steht? Mein Selbsthass projiziert sich sofort wieder auf den unbekannten Begleiter, aber ebenso verärgert über mich selbst gehe ich zornig an mein Telefon, ohne auf den Namen auf dem Display überhaupt zu achten, in der Annahme dass Till viel zu früh nach dem Stand der Dinge fragen möchte.

“Ja?!”, pampe ich in den Hörer, als ich alleine am Sektempfang stehe, von dem ich mir gleich eine ganze Flasche gönnen sollte, als ein mir bekanntes Schlurzen mich erreicht.

“Joe..? Hast du kurz Zeit für mich?” Am liebsten hätte ich mein Handy sofort auf den Boden geworfen und mit der Ferse den Display zertrümmert, als ich Samuel erkenne, doch was mache ich? Ich schließe einen Herzschlag die Augen bevor ich angestrengt ausatme und Antworte. “Klar… aber ich bin gerade auf einer Verabredung, also wirklich nur kurz...” Schonend versuche ich ihn wieder Abzuwimmeln, bevor er mir zu ausführlich von seiner Projektgruppe zu berichtend beginnen kann, doch nach kurzen Schweigen bemerke ich dass es dieses Mal gar nicht um das altbekannte Thema geht. “Verabredung?”, beginnt Samu mit zitternder Stimme, als ich mir jedoch plötzlich selbst nicht mehr so sicher bin ob das heute wirklich noch zu dem von mir geplanten Essen gehen wird, welches ich Aaron zur Feier des Tages vorschlagen wollte. “Ich hab noch einmal über uns Nachgedacht… wollen wir es nicht noch einmal versuchen?” Das andere ewige Thema beginnt erneut und ich verdrehe genervt die Augen. “Samu… das hatten wir doch schon und du kannst dir vorstellen, auf welcher Art Verabredung ich gerade bin” Das Stimmt zwar erst wenn Aaron von seinem Glück weiß und dann gegebenenfalls auch noch Ja sagen müsste, doch die kleine Klette muss das ja nicht unbedingt wissen. “Ja… aber vielleicht-” “Samu, ich leg jetzt auf Okay?” Meine Stimme bleibt hart als ich das Wimmern am anderen Ende des Hörers lauter wahrnehme, doch der geschwätzige Junge scheint mir ja wirklich mal zugehört zu haben, denn er Antwortet mit einem Zustimmenden “Ich werde einfach weiter warten”

Ohne Abschiedsworte beende ich diese Grausamkeit und lasse das Telefon wieder in meiner feuchten Tasche verschwinden um einmal mehr wie ein streunender Hund seinem neuen Herrchen nach zu dackeln, wobei die Tatsache dass dieser bereits einen Hundekopf auf seinem Schoß hat mir wirklich die Suppe versalzen hat, doch so schnell gebe ich nicht auf! Und wenn ich Aaron wie einen Hydranten an meiner Straßenecke markieren muss.

Mir kommen die ersten Besucher schon wieder entgegen und ich schnappe beim Vorbeigehen auf, dass Aarons Portraits von besonderer Qualität wären, ehe sie die nächsten studentischen Künstler in einem anderen Raum ansehen. Mich interessiert jedoch nur dieser eine…

Meine Hand liegt auf der Türklinke als mein Herz mir abermals aus der Brust springen möchte, doch ich weiß es gilt jetzt oder nie. Er hat mir nichts von seinem Freund erzählt, also ist alles noch offen… und schlimmsten Fall wird es einfach mega Peinlich. No Risk, no Fun! Aber dann fällt mir plötzlich etwas ein und ich krame den halb aufgeweichten Einkaufszettel aus meiner Tasche hervor um auf der Rückseite etwas zu notieren, bevor ich mich zu den Beiden zurückgelassenen in das Innere schiebe, ehe die nächsten Besucher der Ausstellung uns stören können.

Wortloses Rendezvous (Yaoi, BL, BoyxBoy, Boyslove, Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt