Achtzehn ◊ Harry

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„Es ist meine Schuld.“ sagte ich. „Nicht Nialls.“ „Dann sagt mir endlich was zur Hölle los ist.“ sagte Louis und schaute mich unter Tränen an. Ich konnte es nicht aushalten ihn so zu sehen. Ich wollte nicht, dass er sich irgendwelche Vorwürfe machte wegen mir, dass er wegen mir weint. Er hatte schon genug eigene Probleme. „Okay. Gehen wir auf dein Zimmer, dann erzähl ich es dir.“ Er schien erst nicht so begeistert davon zu sein, wahrscheinlich dachte er, ich würde es ihm sobald wir auf seinem Zimmer waren, nicht mehr erzählen. „Ich werd’s dir erzählen. Versprochen.“ Das schien ihn zu überzeugen, denn er nickte und wir gingen.

„Gut. Wir sind da. Also jetzt erzähl es mir.“ sagte er sofort nachdem ich seine Zimmertür hinter mir geschlossen hatte. Ich seufzte leise und drehte mich zu ihm um. „Niall hat sich in mich verliebt. Wir haben uns geküsst. Ich hab ihm gesagt, dass ich nicht solche Gefühle für ihn habe und bin gegangen.“ Louis starrte mich schockiert an, was ich gut verstehen kann. Es war ziemlich viel auf einmal was er da gerade erfuhr. „Ich..das ist...“ Er schluckte. „Wieso hast du ihn überhaupt geküsst?“ „Er hat mich geküsst.“ „Und wieso hast du zugelassen, dass er dich küsst?“ Ich ließ mich seufzend auf Louis Bett fallen. „Was weiß ich. Ich hab in dem Moment einfach nicht aufgepasst.“ „Nicht aufgepasst? Man merkt ja wohl, wenn jemand einen küssen will.“ „Ja, aber..“ „Nichts aber! Du hättest es niemals soweit kommen lassen dürfen. Hast du eine Ahnung, wie sehr du Niall wahrscheinlich damit verletzt hast. Das ist einfach..“ „Total scheiße! Ich weiß, Louis. Meinst du nicht, ich werfe mir es jeden Tag vor. Es ist alles meine Schuld. Das wir nicht mehr normal mit einander reden können. Ich hasse mich so sehr für das, was ich ihm angetan habe. Aber wie gern ich es auch möchte, ich kann es nicht rückgängig machen. Das geht nicht.“ Ich spürte Louis Blick auf mir, weshalb ich lieber weiter an die Decke starrte. „Das ist doch nicht alles oder?“ fragte er nach einer Weile plötzlich und ich schaute ihn fragend an. „Was meinst du?“ „Da ist doch noch etwas anders. Irgendetwas stimmt noch nicht mit dir.“ Ich schaute schnell wieder zur Decke und bereute es gleich wieder, denn jetzt würde er mir bestimmt nicht mehr glauben, dass das alles war. „Du magst ihn auch.“ Ich verharrte in meiner Position und schaute weiterhin starr zur Decke. Jetzt war es sowieso schon zu spät irgendetwas abzustreiten. „Wieso sagst du es ihm nicht, Harry?“ „Wieso sollte ich?“ „Mhm, keine Ahnung! Vielleicht weil er dich liebt.“ „Das tut er jetzt bestimmt nicht mehr.“ „Natürlich tut er das noch. So schnell gehen Gefühle nicht weg.“ „Ist doch egal. Ich werde es ihm nicht sagen, fertig.“ „Du bist ein Feigling Harry, ein riesen Feigling.“ Ich schaute ihn an. „Da gibt es jemanden der dich wirklich, wirklich gern hat und du magst ihn auch, aber du sagst es ihm nicht, weil du zu große Angst davor hast, eine richtige Beziehung einzugehen. Ist es nicht so?“ Ich schaute wieder zur Decke hoch und schüttelte den Kopf. „Nein. Das ist es nicht.“ „Was dann?“ „Es..ist doch egal oder.“ „Nein. Ist es nicht.“ Ich blieb still in der Hoffnung Louis würde aufgeben. „Was ist es Harry? Wovor hast du Angst?“ „ICH HAB VOR NICHTS ANGST!“ Louis schaute mich etwas geschockt an und auch ich war selber schockiert von mir. „Und wieso reagierst du dann so gereizt?“ „Ich…“ mehr bekam ich nicht heraus. Meine Kehle war auf einmal furchtbar trocken und ich hätte am liebsten angefangen zu heulen. „Es ist weil er ein Junge ist oder?“ Ich schaute ihn einfach nur an ohne einen Ton zu sagen. „Du hast Angst davor schwul zu sein.“ Ich blickte auf meine Hände um ihn nicht anschauen zu müssen. „Harry es spielt doch überhaupt keine Rolle, ob du ein Mädchen oder einen Jungen liebst, die Hauptsache ist, dass du glücklich bist.“ Ich wusste, dass er Recht hatte, aber so einfach war es leider nicht. Es war nicht so einfach als Schwule akzeptiert zu werden, auch noch nicht in einer Zeit wie heute. „Mir ist es scheißegal ob du schwul bist und ich weiß, dass es Liam und Zayn auch egal ist und deine Familie wird dich trotzdem noch genauso lieben, wie vorher.“ Ich atmete tief durch. „In meiner Schule gab es einmal einen Jungen. Er hieß Nathan.“ Ich machte eine kurze Pause. „Irgendwann stellte sich heraus, dass er schwul war und niemand wollte mehr etwas mit ihm zu tun haben. Nicht einmal seine besten Freunde.“ „Das wird dir niemals passieren. Wir werden immer für dich da sein, egal was kommt.“ „Sie haben angefangen ihn fertig zu machen. Erst nur manchmal, doch bald wurde er jeden Tag runtergemacht, beleidigt und ausgelacht. Am Anfang schien er sich nichts daraus zu machen oder zumindest tat er immer auf cool. Doch dann haben sie auch noch angefangen ihn zu verprügeln. Bei jeder Gelegenheit haben sie ihm aufgelauert. Eines Tages kam er nicht zur Schule und alle haben sie sich gefreut, dass sie ihn endlich los waren. Alle haben sie gesagt, er hätte zu viel Schieß in die Schule zu kommen, der kleine Schwuchtel und das er was erleben könnte, wenn er wieder auftaucht. Er ist nicht mehr aufgetaucht, Louis.“ Ich schaute ihn an. Meine Augen waren inzwischen schon ganz wässrig. „Zwei Tage nachdem er zum ersten Mal nicht in der Schule war, haben wir erfahren, dass er sich umgebracht hat, weil er einfach nicht mehr konnte. Ich hab ihm am Tag zuvor nach Schulende noch gesehen. Er saß in der Toilette an die Wand gelehnt und hat geweint. Er war völlig am Ende. Ich hatte Mitleid mit ihm, aber noch mehr hatte ich Angst, wenn ich ihn trösten würde, würde das jemand sehen und sie würden mich auch fertig machen. Ich frage mich immer wieder, ob es anders gekommen wäre, wenn ich nicht so feige gewesen wäre. Wenn es mir einfach egal gewesen wäre, was die anderen über mich denken könnten und ich ihn getröstet hätte. Ob er dann vielleicht jetzt noch leben würde. Ob ich es verhindern hätte können.“ Ich schaute Louis wieder an, der mich mit Tränen in den Augen betrachtete. „Das ist schrecklich. Es ist wirklich schrecklich. Aber es ist nicht deine Schuld, dass Nathan sich umgebracht hat. Und du weißt nicht, ob es etwas verändert hätte, wenn du ihn getröstet hättest. Er wurde von allen runtergemacht, ich glaube nicht, dass du da viel erreichen hättest können, indem du ihm einmal gut zu redest.“ „Aber vielleicht doch.“ schrie ich und brach jetzt vollkommen in Tränen aus. „Ja, vielleicht. Aber ist das ein Grund, deine Gefühle zu verleugnen.“ „Du verstehst das nicht. Menschen können schrecklich sein.“ „Ich weiß Harry. Aber du solltest dir die Frage stellen, ob es dich wirklich interessiert was irgendwelche Leute denken. Willst du jemanden aufgeben, denn du wirklich liebst, weil du Angst hast, dass ihr nicht akzeptiert werdet. Ich kann dir sagen, ich, Liam und Zayn wir werden uns für euch freuen. Und deine und auch Nialls Familie werden das auch tun. Die Hauptsache ist, dass ihr glücklich seid. Alles andere ist doch egal oder etwa nicht?“ Ich schaute ihn schon wieder einfach nur an. Keine Ahnung wie er das schaffte, aber er wusste einfach immer, was er sagen musste. „Versuch es doch wenigstens.“ Ich nickte langsam. „Okay.“

𝕤𝕥𝕣𝕠𝕟𝕘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt