14. Das Gefühl, geliebt zu werden

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PoV Manu

Ich ging los zum Café. Lange dort bleiben konnte ich sowieso nicht, denn am Nachmittag würden wir Claus bei den Möbeln helfen. Auf dem Weg dachte ich bereits darüber nach, was ich meiner Exverlobten sagen könnte. Ich hoffte, sie war nicht allzu verletzt. Eigentlich hatte ich ihr gezwungenermaßen durch Claus damals die Lage bereits erklärt, doch ob diese Erklärung am Telefon verständlich gewesen war, wusste ich nicht.

Viel zu schnell erreichte ich das Café und entdeckte im Inneren auch schon Chrissie, die an einem Tisch stand und mir entgegenblickte. Ich ging zu ihr.

"Hi."

"Hi."

Und dann standen wir uns unsicher gegenüber, wussten nicht, ob eine Umarmung angebracht wäre. Zögernd hob ich schließlich die Arme und trat auf Chrissie zu. Die Umarmung verlief ziemlich steif und gezwungen, und irgendwie war ich froh, als wir uns lösten und uns setzten.

"Wie geht's euch so?", begann Chrissie dann. Ich zuckte die Schultern. "Gut. Wir helfen momentan Claus und Luisa mit den ganzen Kindersachen. Ich möchte auch irgendwann ein Kind." Chrissie zog die Augenbraue hoch. "Du möchtest ein Kind? Mit Patrick?", hakte sie dann nach. Ich nickte. "Ich soll dir Grüße ausrichten. Wir werden eines adoptieren."

Chrissie senkte den Kopf. "Weißt du, damals als du mich verlassen hast, und ich dann wusste, dass es wegen Patrick war, begann ich mich zu fragen, was er hatte und ich nicht. Und jetzt willst du ein Kind mit ihm? Was hat er, was ich nicht habe, Manu?" Sie klang ziemlich zerstört und traurig, ihr Stimme versagte. In ihren Augen schimmerten Tränen.

"Christina, ich kann verstehen, wie du dich fühlst, aber die Liebe zwischen uns war eben weg. Zumindest von meiner Seite aus. Ich hatte Gefühle für Pat entwickelt, und er für mich. Und es tut mir immer noch wahnsinnig leid, dass du darunter leiden musstest und ich dir falsche Hoffnungen gemacht habe. Aber ändern kann man daran jetzt nichts mehr." Ich berührte Christina tröstend am Arm, doch sie zog ihn zurück. "Das Schlimmste an der Sache ist, dass ich nicht über dich hinwegkomme. Ich krieg dich nicht aus meinen Gedanken raus, verdammt."

Irgendwie tat mir Chrissie gerade so schrecklich leid, denn ich wusste selbst, wie sich eine letztendlich unerwiderte Liebe anfühlte. Zumindest kurzweilig hatte ich dieses Gefühl in mir schonmal gehabt. Ich konnte Chrissie verstehen, doch ich wusste nicht, was ich dagegen tun konnte. Ich wünschte, ich würde niemals in so eine Situation kommen. Hilflos saß ich also da, gegenüber von Chrissie, und wusste nicht, wie ich sie trösten konnte.

"Irgendwann triffst du jemanden, den du aus vollem Herzen lieben kannst, da bin ich mir sicher", sagte ich dann, um irgendwas zu sagen. Christina lächelte bitter. "Schön wär's, Manu."

Und wir saßen noch eine Viertelstunde da, bis Christina aufstand und ich es ihr gleich tat. "Ich würde dich zum Abschied noch gerne ein letztes Mal umarmen. Ist das ok?" Sie schien unsicher und ich nickte.

Ich spürte die Verzweiflung in ihr, die Traurigkeit und die Hoffnungslosigkeit und ich drückte sie ganz fest, um ihr Halt zu geben. "Wenn was ist, Chrissie, du kannst mich jederzeit anrufen", versprach ich ihr und spürte ihr Nicken an meiner Schulter.

"Ich hab keine Ahnung, wie das mit uns weitergeht, Manu. Ich werd wohl weiterhin versuchen, dich mir aus dem Kopf zu schlagen. Mal schauen. Danke auf jeden Fall, dass du gekommen bist. Sag Patrick liebe Grüße zurück, er soll gut auf dich aufpassen" Ihr Flüstern wurde immer leiser und sie löste sich langsam von mir.

"Du, Manu?", fragte sie nach einer kurzen Pause, "willst du mir bitte noch einen letzten Gefallen tun?" Zögernd nickte ich. "Ja, was denn?" "Würdest du mich bitte ein letztes Mal küssen? Ich will mich ein letztes Mal von dir geliebt fühlen", sie schluchzte auf und senkte den Blick. Ich riss die Augen auf. Sie wollte mich küssen? Sie wollte sich geliebt fühlen, von mir. Ich zögerte kurz. Einerseits war ich vergeben, ich war verheiratet mit dem Mann, dem mein Herz gehörte. Getrennt von Chrissie. Paddy fände es bestimmt nicht gut, wenn er wüsste, was hier geschah. Andererseits hatte ich eine ziemlich miese Aktion abgezogen, und ich hatte keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, wie es ihr bei der ganzen Sache ging. Ich hatte sie einfach verlassen und hatte stattdessen jemand anderen geheiratet. Auf gut deutsch auf ihre Gefühle geschissen.

"Okay", sprachen da meine Lippen wie von selbst. Ich hatte für kurze Zeit einen Flashback. An diesem einen Abend hatte Patrick mir genau dasselbe geantwortet. Und mich dann geküsst. Schnell verdrängte ich die Erinnerung und das damit verbundene schlechte Gewissen aus meinem Kopf. "Aber mach dir keine falschen Hoffnungen, ja? Ich liebe Patrick", schob ich nochmal hinterher, um das klarzustellen. "Ja. Klar" Chrissie seufzte leise.

Und dann legte sie ganz schnell ihre Lippen auf meine. Nicht lange, nicht intensiv, nicht liebevoll. Nach etwa drei Sekunden hatte sie sich bereits wieder gelöst und ich atmete verwirrt durch. Ich hatte nichts außer einem kleinen vertrauten Gefühl gespürt, das schon wieder verblasst war.

Chrissies gerötete Augen starrten mich traurig an, ehe sie ein Danke murmelte, sich rasch umdrehte und aus dem Café stürzte.

Und das Gefühl, alles wieder geklärt und gut gemacht zu haben, blieb in mir aus. Stattdessen begannen sich schlechtes Gewissen und Unsicherheit in mir aus. Das mit dem "Alles klären" hatte ja wieder hervorragend geklappt.

Kürbistumor - After Wedding [Fortsetzung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt