Kürbistumor - After Wedding [Fortsetzung]

21. Deine Emma

POV Manu

Meine Hände zitterten nicht nur leicht, als ich das kleine Stück Papier in ihnen hielt und bereits zum dritten Mal die Worte las.

Als ich vor Jahren die Stadt verlassen hatte, war ich in eine neue Wohnung weit weg gezogen und es hat fast vier Monate gebraucht, bis ich es geschafft hatte, Claus und Luisa einen Brief zu schreiben.

Ganz altmodisch hatte er ausgesehen, und ich hatte mich kurz gehalten. Ich wollte nicht, dass Patrick davon erfährt und Luisa hat das respektiert. Auch so wollte ich keinen Kontakt außer den Briefen und so beschränkte sich der Kontakt auf seltene, aber unglaublich lange und liebe Briefe der beiden. Sie erzählten mir alles aus ihrem Leben, von Emmas Entwicklung und der Arbeit und eigentlich hatte ich mich ziemlich schlecht gefühlt, wenn ich an meine Antworten dachte, die niemals mehr als eine DIN-A4 Seite gingen und ich auch keine Fotos anhängen konnte.

Auf meinen Wunsch hin wurde Patrick in den Briefen totgeschwiegen. Zwar hatte Claus es sich nicht nehmen lassen, einmal klarzustellen, dass Patricks Stimmung sich nicht wirklich besserte, doch ich hatte das gekonnt überlesen.

Noch immer schmerzte es alleine bei Erwähnung seines Namens und ich konnte nicht behaupten, dass es mir inzwischen besser ging - nach fast 6 Jahren. Dennoch bevorzugte ich es, nicht an meinen Mann zu denken. Exmann. Was auch immer.

Seufzend stopfte ich den Brief weg und holte stattdessen das zweite Blatt aus dem Cuvert.

Es handelte sich um eine Zeichnung von Emma. Mein bester Freund und seine Frau mussten mir versprechen, dass Emma nicht von mir erfuhr, doch der Brief, den sie mir gesendet hatte, warf nicht nur diesen Punkt um den Haufen.

Die Zeichnung war süß. Wie eine frisch gebackene Sechsjährige eben malte, doch trotzdem brachte ihre Kunst mich zum Weinen.

Claus und Luisa, sich küssend und in wunderschönen Klamotten.

Daneben sie selbst, strahlend und glücklich.

Ich, wie sie sich mich ganz offensichtlich vorstellte, mit grünen Augen und langen, braunen Haaren. Schlaksig und mit Nerdshirts an.

Und neben mir Patrick. Ihm hatte die kleine Emma Tränen ins Gesicht gesetzt. Und ganz leicht griff er meine Hand. Doch ich stand abseits und war nicht so bunt angemalt wie den Rest der Familie.

Meine Tränen hatten die Zeichnung schon komplett ruiniert, doch das war nichts gegen den Brief.

Kaum ein Wort war noch deutlich zu erkennen, dafür konnte ich ihn auswendig. Zu oft hatte ich mir die süßen, kraftvollen Worte aus dem Mund eines sechsjährigen Mädchens durchgelesen und darüber nachgedacht.

Zwar hatte Luisa den Text für ihre Tochter geschrieben, doch sie schwor, alles niedergeschrieben zu haben, was ihre Tocher ihr emotional und leidenschaftlich diktiert zu haben.

Manu,

Hier ist Luisa. Bitte sei nicht sauer, doch Emma hat ein paar Worte an dich zu richten:

Hallo Manu

ich bin emma

wenn ich mama richtig verstanden habe kennst du mich schon. aber ich kenne dich nicht, weil du weggezogen bist. onkel Patrick hat erzählt dass er wegen dir weg ist und dass er dich liebt

ich glaube ihm. er ist immer so traurig und so einsam und ich finde, du solltest ihm eine Umarmung geben. vielleicht lacht er dann wieder mehr.

Außerdem will ich dich kennenlernen, du warst Papas bester Freund. Bist du aber immer noch. Wenn sie von dir erzählen, lächeln sie viel und ich glaube du fehlst ihnen.

Mama macht sogar dein Lieblingsessen wenn du uns besuchen kommst. Wir vermissen dich.

deine Emma

Nachtrag Luisa: Bitte verzeih, dass sie von dir erfahren hat. Patrick hatte ein langes Gespräch mit ihr, sie hat ihn regelrecht ausgequetscht. Aber Kindermund tut Wahrheit kund und Claus und ich glauben fest daran, dass ihr euch nach all den Jahren vielleicht unterhalten könntet.

Er liebt dich wie am ersten Tag und es bricht mir jeden Tag aufs Neue das Herz, dass ihr beide unglücklich seid.

Überleg es dir,

Luisa und Claus

Tief durchatmend schob ich die Zettel zurück in den Umschlag und stieg in den Zug, der gerade einfuhr und mit einem lauten Pfeifen zum Stehen kam.