16. Ehrlich sein

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PoV Manu

Und auch Claus hatte wohl gemerkt, dass irgendwas los war, denn plötzlich schmiss er seinen Hammer weg und stand auf. "Ich hol mal den nächsten Schrank. Kommst du mit, Manu?" Sein Blick akzeptierte kein Nein, so trottete ich lustlos hinter ihm her. Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich ihm sagen sollte. Die Wahrheit? Ich hatte Angst davor, denn ich wusste, wie wichtig Claus Treue und Vertrauen war. Und beides hatte ich irgendwie gebrochen.

"Also, Manu, was ist los?" Claus hatte sich im Flur umgedreht und die Arme verschränkt. Ich seufzte. "Ich... nichts." Ein kläglicher Versuch, sich herauszureden, doch ich war noch immer zu aufgewühlt, um mir ernsthafte Ausreden zu suchen. Claus schnaubte. "Nichts. Bei dir sieht 'nichts' aber ziemlich nach Lustlosigkeit und Streit aus. Manu, ich dachte, wir sind Freunde, was ist los? Habt ihr wieder Streit?"

Stumm schüttelte ich den Kopf. „Kein Streit", murmelte ich traurig und ich wusste, dass ich hier nicht eher wegkommen würde, bis mein bester Freund die Wahrheit kannte. „Sondern?" Claus trat näher an mich heran und sah mir prüfend in die Augen, und wir beide wussten, dass er schon längst gewonnen hatte.

„Es gibt da etwas, das ich Patrick verschwiegen habe. Das ich euch allen verschwiegen habe. Ich habe Chrissie getroffen. Und sie geküsst", sagte ich so schnell es ging und die Augen meines Kumpels wurden groß. „Geküsst? Wieso?" Verständnislos blickte er mich an und ich knetete mir nervös die Hände. „Sie bat mich darum, ein letztes Mal. Um damit abschließen zu können. Aber das hat alles nur noch schlimmer gemacht. Ich hab Mist gebaut, Claus!", brach die Verzweiflung nun aus mir heraus und Claus schwieg. „Was weiß Patrick?", fragte er, nachdem er sich mit Denkerblick gegen die Lippe getippt hatte. „Ich hab mich mit ihr getroffen und es ist nichts passiert."

Wir gingen zurück zu den anderen. Claus hatte mir geraten, ehrlich zu sein und Patrick die Wahrheit zu sagen, mehr konnte er für mich nicht tun, und die anderen fragten sich bestimmt schon, wo wir waren. So normal es ging, ging ich neben meinem Mann wieder in die Hocke und schraubte weiter an dem Babybett. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, auch wenn ich zwei fragende Augenpaare auf mir spürte. Luisa war das ein oder andere Mal zu Claus hinüber gegangen und hatte gefragt, was los war, doch Claus hatte zu meinem Glück beharrlich geschwiegen.

Wir saßen wieder im Auto, auf dem Weg nach Hause, und ich wusste, dass ich früher oder später etwas sagen musste. „Paddy?" Mein Mann drehte den Kopf zu mir und ich krallte mich fester ans Lenkrad. „Ich muss dir was sagen."
„Ach ja?", Patrick klang ironisch und lachte bitter auf. „J-ja. Und bitte hör mir zu", bat ich ihn stotternd und ich da in mir war immer noch diese Angst, ihn zu verlieren. „Ich höre."

Ich hielt mich am Lenkrad fest, als ich die folgenden Worte aussprach. „Ich habe Chrissie geküsst. Aber nicht, weil ich sie noch liebe, das tue ich nämlich nicht, sondern weil sie mich gebeten hat. Sie fühlte sich einsam und ungeliebt und wollte damit abschließen." Ich lenkte in unsere Straße ein und warf einen Seitenblick auf Paddy. Der schaute starr geradeaus und zeigte nicht die geringste Gefühlsregung in seiner Mimik. Ich parkte stumm und mir war klar, dass mein Mann sauer war. Er ignorierte mich, wenn er sauer war. Doch wie sauer er war, konnte ich noch nicht einschätzen. Mein Mann stieg aus und knallte die Tür zu. Ich schloss den Wagen ab und ging hinterher, doch ich fühlte mich hilflos und schuldig. Mal wieder sauer auf mich selbst kickte ich meine Schuhe von meinen Füßen und betrat die Küche, wo Patrick sich gerade Kaffee machte. „Ihr habt euch geküsst", sagte er plötzlich in einer zittrigen Stimme. „Und was sonst noch?"
Ich zuckte die Schultern. „Nichts. Geredet. Und das konnte man nichtmal Kuss nennen. Es war-"

„Es war ein Kuss! Ein verdammter Kuss mit deiner Ex!", unterbrach er mich lauter und ich zuckte zurück. So wütend habe ich ihn noch nie erlebt. „Wie schließt man damit ab? Indem man sich nochmal küsst, bestimmt nicht!", fuhr er fort und ich hob die Hände. „Paddy, es tut mir leid. Ich dachte, es würde ihr helfen." Patrick schüttelte den Kopf. „Nenn mich nicht Paddy. Wer sagt mir, dass du sie nicht doch noch liebst?", fragte er verzweifelt und fuhr sich durch die Haare.

„Vertraust du mir da nicht?"

„DU redest was von Vertrauen? Dein Ernst, Manuel?"

„Ja, tue ich. Immerhin habe ich dir die Wahrheit gesagt!"

„Ach, hätte der Herr es ansonsten ganz verschwiegen? Das wird ja immer besser!"

Patrick stellte seine Tasse ruckartig ab, dass sie überschwappte und ihm der Kaffee über die Finger floss, doch das störte ihn nicht. „Ich hab's gewusst, dass das passiert. Sie will dich zurück!", stellte er fest und deutete mit dem Finger auf mich. „Was? Nein! So war das nicht! Sie wollte abschließen, Patrick, abschließen! Sie will mich nicht zurück!", verteidigte ich sie und machte einen Schritt auf ihn zu. „Wieso bist du dir da so sicher? Hat sie dir das gesagt?", fragte er herausfordernd. „Nein, aber ich kenne sie lange genug, um das zu wissen. Sie will, dass ich glücklich werde. Mit dir!"
„Da hat sie wirklich tolle Arbeit geleistet. So werden wir alle glücklich, wenn wir fremdknutschen", Patrick lachte bitter. „Es war ein einfacher Freundschaftsdienst, mehr nicht, okay?", ich merkte, wie auch meine Stimme unbeherrschter und lauter wurde. „Knutscht du oft deine Freunde oder was?", giftete Patrick mich an und machte einen Schritt auf mich zu. „Nein! Und selbst wenn, na und? Was ist schon dabei? Da sollte"

„Na und? Na und?! Du knutscht hinter meinem Rücken mit jedem dahergelaufenen, kann das sein?"

„Das denkst du von mir? Wirklich?", entsetzt von meinem Mann ging ich einige Schritte zurück und beobachtete seine Reaktion. „Wie soll ich dir da noch vertrauen?", stellte er eine Gegenfrage. „Eben deswegen solltest du deinem Partner vertrauen, dass da nichts passiert! Dass ich niemanden außer dich liebe! Aber nichtmal das scheinst du zu wissen. Wie kann man nur so besitzergreifend und eifersüchtig sein wie du?"

„Du denkst, ich weiß nicht das du mich liebst? Um ehrlich zu sein, zweifele ich momentan gerade das an, Manuel!"

Es war wie ein Stich ins Herz und ich musste mich an einem Stuhl festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. „Das zweifelst du an?", wiederholte ich flüsternd und Patrick nickte kalt. „Du zweifelst meine Liebe zu dir an?", murmelte ich vor mich hin, während ich mir geistesgegenwärtig meinen Weg aus der Küche bahnte. Ich riss meine Jacke vom Haken und zog sie an. Alles um mich herum war wie Watte und ich rieb mir über die Augen, doch die Tränen liefen schon längst über meine Wangen. „Wohin willst du?", schrie Patrick mir hinterher und ich sah ihn mir hinterher stürmen. „Weg von dir", weinte ich so leise wie möglich, bevor ich die Haustür aufriss und hinaus stolperte.

Ich lief und lief, bis ich nicht mehr konnte. Ich hatte weder Geld noch Schlüssel bei mir, einzig mein Handy in der Hosentasche, doch ich wollte gerade niemanden sehen. Ich wusste, dass die Leute mir komische Blicke zuwarfen, doch ich hob meinen Blick nicht vom Boden.

In einer Fanfiktion würde ich jetzt vor ein Auto laufen, und wenn ich im Krankenhaus wieder aufwachen würde, würde Patrick an meiner Seite sitzen, sich entschuldigen und mir sagen, wie leid es ihm täte. Doch das hier war die Realität und kein einziges Auto war weit und breit zu sehen. Also schlenderte ich weiter, dass meine Tränen immer noch ungehindert gen Boden fielen, störte mich nicht.

Um ehrlich zu sein, zweifle ich momentan genau das an, Manuel!

Ich wollte einfach nur weg. Weg von Patrick, weg aus dieser Stadt und weg aus diesem Leben.

Schreibt gerne eure Meinung in die Kommis, mich würde interessieren, ob ihr den Streit nachvollziehbar fandet und welche Seite ihr unterstützen würdet. Einen schönen ersten Advent euch allen :3

Kürbistumor - After Wedding [Fortsetzung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt