19. Leere

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*setzt vorsichtshalber Triggerwarnung hin und verschwindet wieder*

PoV Patrick

Egal wie viel Zeit vergangen war, ich fühlte mich nicht besser.  Fühlte mich immernoch so unendlich leer und unvollständig ohne ihn, irgendwie trist. Inzwischen war ich aus der Phase raus, in der ich traurige Filme ansah, dazu weinte und Bier trank, die düsterste Musik hörte, die ich finden konnte oder alle Dinge, die ich annähernd mit ihm verband, zu meiden. Nein, mein Leben war fast schon normal geworden. Ich ging zur Arbeit, hatte inzwischen wieder mäßig Kontakt mit Luisa, Claus und all den anderen. Natürlich war es mir anzumerken, dass ich mich lange noch nicht „normal" fühlte, doch keiner sprach es an. Warum, wusste ich nicht genau. Vielleicht, weil sie mir die Normalität so besser zeigen wollten. Oder auch, weil inzwischen einfach keiner mehr Lust hatte, mit mir über mein Wohlbefinden zu sprechen, was ich zugegebenermaßen ziemlich gut verstehen konnte. Anfangs hatte ich immer angefangen, zu weinen und war irgendwann aggressiv geworden, habe rumgeschrien und Dinge gesagt, die ich nicht mehr zurück nehmen konnte. Nach einiger Zeit wurde ich in diesen Gesprächsphasen immer leiser, stiller. Stummer. Ich nickte, schüttelte den Kopf, lächelte. Jeder sah, dass mein Lächeln nie meine Augen erreichte, aber keiner sprach es an. Dafür war ich dankbarer als ich wirkte, und es wunderte mich noch immer, das Luisa mich so in Ruhe ließ.

Dienstagnachmittag. Ich stehe an der Ampel einer stark befahrenen Straße und überlege mir kurz, wie es wäre, jetzt nach vorne zu laufen. Nur ein, zwei Schritte. Vielleicht auch drei oder vier, und dann wären alle Probleme weg. Mit viel Glück würde mich ein Lastwagen erwischen und - Ein großer dunkler Schatten schiebt sich in mein Blickfeld und ich realisiere, dass die Straße frei und die Ampel rot ist. Geschockt schüttle ich den Kopf über meine Gedanken und setze mich ebenfalls in Bewegung, hinter dem älteren Mann her, dessen schwarze Jacke mich aus meinen Tagträumen geholt hatte.

Ich bin auf dem Weg in einen Kinderladen, um ein Geschenk für Claus und Luisa zu kaufen. Das Baby kommt bald, und ist zurzeit das Einzige, was ich an Neuigkeiten höre. Ich weiß nicht, ob die beiden wieder Kontakt mit Manu haben, ob es ihm gut geht. Nur das Kind zählt momentan. Doch wenn ich an Manu denke, fühle ich nichts. Ich fühle keine Liebe und keinen Hass, keine Zuneigung oder Abneigung. Ich fühle Leere und ein riesiges schwarzes Loch. Da, wo mein Herz war. Eigentlich, um ganz genau zu sein, ist das Loch auch da, wo meine restlichen Organe sind. Ich drücke die Tür zu dem kleinen, putzigen Laden auf und betrete einen hellen Raum. Alles ist in kitschigen Pastellfarben gehalten, ganz nett eingerichtet, und die Frau am Tresen hat mich mit seinem Blick direkt fixiert. Ich nicke ihr zu und verschwinde in der ersten Regalreihe, um ihrem Blick zu entfliehen.

Nach zwanzig Minuten trete ich mit einem kleinen Päckchen in hässlichem Geschenkpapier unterm Arm wieder aus dem Laden. Die Frau hatte mich ewig zugequatscht und schließlich hatte ich irgendein Ding ausgewählt und mir schleunigst einpacken lassen. Ich muss mir nochmal in Ruhe überlegen, in welchem Laden ich mein Glück weiter versuchen will, denn die kleine Rassel ist Nichts gegen das, was das Paar verdient hätte.

Als ich zuhause ankomme, lasse ich das Licht aus, so wie jedes Mal, und suche mir im Kühlschrank nur einen Joghurt, den ich verschlinge, bevor ich wie tot in Bett falle. Ich schlafe direkt ein, obwohl es erst kurz vor fünf Uhr nachmittags ist.

Ich wusste nicht, dass Leere so schlimm sein kann.

Kürbistumor - After Wedding [Fortsetzung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt