Der oberkörperfreie Niko

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Die Party war richtig cool. Zwar habe ich nicht mithalten können, als Niclas und ich getanzt haben, da ich ja null Erfahrung habe, aber lustig war der Abend trotzdem.

Ich habe mich mit allen Spielern unterhalten und rumgealbert und am Ende war ich noch trauriger als ich ohne hin schon war, da ich bemerkt habe, dass zum Beispiel auch Niklas Landin oder Andi Wollf richtig cool sind.

Jetzt gerade liege ich hellwach im Bett von Niclas Gästezimmer und versuche irgendwie einzuschlafen. Es ist schon nach 0 Uhr aber morgen ist ja Samstag und deswegen kann ich ja ausschlafen.

Mit vielen Gedanken und Gefühlen schlafe ich dann irgendwann ein.

Langsam öffne ich meine Augen. Sofort muss ich an den gestrigen Abend denken, an die Party. Mein Blick schnellt einmal zum Handy. 11:31 Uhr.

Zum Glück hat Niclas hier immer einen Schlafanzug für mich gelagert, denn dass ich bei ihm schlafe ist keine Seltenheit. Doch bald wird es das...

Immer noch müde stehe ich auf und gehe die Treppe runter Richtung Küche. Schon auf der Treppe rieche ich den Geruch von Kaffee und Brötchen.

Wenn ich irgendwas über Niclas weiß, dann, dass er ein echter Kaffejunkie ist, ohne Kaffee läuft bei ihm morgens garnichts.

,,Morgen Schlafmütze.'', begrüßt er mich munter und ist gerade beschäftigt Rührei zu machen. Einmal hat er es mit Fisch zubereitet, woraufhin ich es fast wieder ausgespuckt hätte, doch habe ich noch genug Anstand um das nicht zu tun. Ich weiß, dass man das oft in Schweden so isst, aber mir schmeckt es einfach nicht. Seitdem hat er es sich zum Glück verkniffen.

,,Morgen.'', sage ich noch etwas verschlafen und reibe mir die Augen. Ich setze mich auf einer der Barhocker gegenüber von Niclas. ,,Brauchst du Hilfe?'', ,,Nö, alles gut.'', ,,Bis wann hast du geschlafen?'', ,10.'', ein Gähnen kann ich mir einfach nicht mehr unterdrücken.

Seit dem Tod meiner Eltern habe ich oft wenig geschlafen und die Party gestern Abend hat auch nicht unbedingt zur Besserung meiner Müdigkeit beigetragen, was nicht heißt, dass ich die Party bereue. ,,Ooohhh, ist da etwa jemand müde?'', fragt er und tätschelt mir den Kopf über die Theke hinweg.

,,Etwas.'', sage ich und strecke mich einmal. ,,Frühstück ist fertig.'', sagt er und wir setzen uns an den Tisch.

Ich will gerade mein Rührei in den Mund führen, da fällt mir die vor Schock wieder auf den Teller. Wieso? Ein Oberkörperfreier Nikolaj Bilyk betritt den Raum und geht einmal in die Küche.

Wenn ich irgendwas weiß, dann, dass sein Oberkörper der Hammer ist. ,,Lina, Mund zu.'', sagt Niclas. Zum Glück hatte ich ihn zu und es war nur ein Witz. ,,Hä?'', stelle ich mich dumm. ,,Was macht der hier?'', und zeige dabei auf Niko. ,,Hat auf der Couch gepennt, konnte nicht mehr nachhause fahren wegen Alkohol.'', sagt Niclas. ,,Hallo? Ich bin auch noch da?''', ,,Mit dir will aber niemand reden.'', provoziere ich ihn. ,,Haha.'', Niko verschwindet kurz und kommt dann mit T-Shirt wieder an, worüber ich ehrlich gesagt ziemlich froh bin, denn er hat mich so zugegebenermaßen schon etwas aus der Fassung gebracht.

Zusammen frühstücken wir, bis die beiden mich zum Heim fahren. Heute ist Samstag und da Niko und Niclas Training habe, habe ich mir vorgenommen noch weiter zu packen. Nach einer Stunde bin ich fertig und den Rest des Tages verbringe ich mit Chillen und Essen. Außerdem habe ich ein bisschen was über die Flensburger Akademie gegoogelt.

Das erste woran ich beim Aufwachen denke ist, dass heute mein letzter Tag ist. Niclas und ich haben vereinbart uns heute noch mal, zusammen mit Dule und Niko zu treffen. Denn wenn ich ehrlich bin, sind das die vertrautesten Personen, die ich in den letzten Wochen hatte.

Um 13 Uhr holen die drei mich ab und zu Fuß gehen wir zum Fußballplatz ein bisschen kicken. Sie meinen, Handball spielen wir in der nächsten Zeit genug. Am Ende sagen sie mir dann, dass sie mich morgen früh um 9 abholen und wir zusammen nach Flensburg fahren. Ich bin ihnen so dankbar darüber, dass ich jeden einzelnen umarmt habe.

Um 18 Uhr bin ich wieder im Heim und gehe zusammen mit Franzi zum Essen.

Im Zimmer reden wir noch lange, denn sie weiß, dass ich echt nervös bin vor morgen, eigentlich schon fast ängstlich und aufgeregt. Ich habe Franzi viel von mir aus meinem Leben erzählt, eigentlich alles und sie mir ebenfalls. Während des Redens sind wir dann eingeschlafen.

Um 8 Uhr bin ich von alleine aufgewacht. Normalerweise würde ich noch weiter schlafen, aber dafür bin ich dafür viel zu aufgeregt. Franzi ist in der Schule und die anderen Kinder ebenfalls, weswegen es ziemlich ruhig ist.

Ich beschließe noch mal ein wenig raus zu gehen. Ich setze mich an meinen Lieblingsplatz, einem kleinen See mit Steg, wo um diese Zeit niemand ist, und beginne meine ganzen Erinnerungen durchzugehen.

An das erste Kennenlernen, wo ich so tollpatschig war und gegen den Kasten geknallt bin und die ganze Mannschaft das mitbekommen hat, an Schweden mit Niclas, an den Streit mit Niclas als ich im Krankenhaus war, an Nikos und Laras ‚Missverständnis', an Dules und meinem Training und natürlich an meine Geburtstagspary und Abschiedsparty, wo ich kapiert habe, dass es sich lohnt fürs Leben zu kämpfen. Natürlich denke ich auch an dem Tod meiner Eltern und an die früheren Zeiten, wobei ich wieder etwas traurig werde. Gegen halb neun gehe ich wieder Richtung Heim.

Dort mache ich mich fertig. Pünktlich um 9 Ihr warte ich mit Gepäck auf dem Parkplatz. Mit etwas Verspätung kommen sie an. Die Koffer werden verstaut und ich setze mich zusammen mit Niko nach hinten. Dule und Niclas sitzen vorne. Die Autofahrt verläuft relativ schweigend, was vor allem daran liegt, dass mir nicht nach Reden ist und wenn ich was sagen, alles ziemlich Kurzsilbig von mir gebe.

Ich bin einfach schrecklich traurig, nervös und aufgeregt.

Doch das schlimmste kommt noch: Der Abschied von den dreien. Von denen, welche mich so doll unterstützt haben in meinem Leben, wie sonst nur meine Eltern.

Sie sind meine Familie.

Das Leben läuft nicht immer nach Plan...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt