Nach jedem Regen kommt der Sonnenschein

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„ Bist du glücklich ?" die eiskalte Stimmlage jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich senkte meinem Kopf und schüttelte den Kopf. Doch damit gab sich die Person nicht zufrieden und bellte mir erneut diese Frage entgegnen. Ich hielt den Kopf gesenkt und dachte nach. War ich glücklich ? Nein. Diese Antwort kam wie aus der Pistole. Ich war noch nie glücklich gewesen, jeden Tag aufs neue musste ich mir das Gerede von Makenzie und ihren Freundinnen Anhören und die Hasserfüllten Bemerkungen meiner Mitschüler über mich ergehen lassen. Nein, ich war noch nie glücklich gewesen.
„ Ja" sagte ich dennoch, so wie jeder es zu hören bekommen würde wenn er mir diese Frage stellte.
„ Dann macht dir das nichts aus ?" fragte die Person weiter und sich, als ich dann doch den Kopf hob, als eine blonde; streng aussehende und dünne Frau herausstellte.
„ Was denn ?" ich stellte mich dumm. Ich wollte nicht, dass sie wusste, dass ich wusste, was sie meinte.
„ Na du weißt schon. Das Mobbing" sie spuckte dieses Wort nur so aus, so als ob sie es selber nicht sagen wollen würde. Ich schüttelte den Kopf.
„ Ich weiss nicht was sie meinen" log ich.
„ Ich wurde und werde nicht gemobbt" fügte ich hinzu und sah die Frau emotionslos an. Jemanden auf diese Weise anzusehen konnte ich am besten. Was auch daran liegen könnte, das ich die meiste Zeit absolut nichts fühlte, vor allem Menschen gegenüber nicht. Ich baute nie auch nur ansatzweise Beziehungen zu anderen Menschen auf. Nur ein paar wenige haben sich mir aufgezwungen und waren jetzt so etwas wie Freunde. Obwohl ich an solche Sachen wie Freundschaften nie geglaubt hatte. Dieses Phänomen war mir nie unter gekommen. Niemand hatte mich je wie eine ‚beste Freundin' oder gar wie eine ‚Liebespartnerin' behandelt, was zu folge hatte das ich auch an Liebe nicht glaubte. Sie war mir immer verwehrt geblieben, jedoch hatte ich auch nie danach gestrebt diese wirklich kennen zu lernen. Liebe war für mich immer etwas nerviges und unpraktisches erschienen. Man war an eine Person gebunden, für Die man alles tun würde und umgekehrt, was war daran logisch oder praktisch und angenehm.

Die Frau holte mich aus meinen Gedanken und stellte mir die nächste Frage:
„ Ach wirklich nicht ? Kennst du eine Makenzie ?" fragte sie und ich schluckte. Wie ich diesen Namen hasste. Makenzies waren immer Zicken, egal worum es sich handelte, immer wenn jemand Makenzie hieß war sie eine Zicke. Ich konnte nicht verstehen warum Eltern solch einen Namen vergaben.
„ Nein." log ich erneut. Ob sie wohl merkte das ich log ? Oder dachte sie, sie hatte sie falsche Person erwischt.
„ Bist du dir ganz sicher Evelyn ?" Woher kannte sie meinen Namen ? Ich seufzte und blinzelte ein paar mal hintereinander. Dann nickte ich.
„ Ja, sicher" log ich zum dritten oder vierten Mal an diesem Tage und betete dafür, dass diese Ausfragerei nun ein Ende habe. Doch meine Gebete wurden nicht erhört und die nächste Frage kam auf mich zu.
„ Weißt du wer ich bin ?" fragte sie und ich schüttelte, diesmal wahrheitsgemäß wohl-bemerkt, den Kopf. Sie gab einen hohen und hässlichen Ton von sich, den ich als lachen identifizierte, und musterte mich ausgiebig.
„ Du kannst mich nicht anlügen Eve" sagte sie dann und ich zuckte zusammen, als sie meinen Spitznamen benutzte. Ich hatte ihn mir selbst ausgedacht und niemand wusste von ihm. Niemand außer diese Frau. Langsam bekam ich Angst. Diese Emotion war nicht neu für mich, ich hatte andauernd Angst. Angst vor mir selber am aller meisten.
„ Ich bin du" jetzt musste ich lachen, mich gab es nur einmal und so alt, wie diese Frau aussah, wäre ich nicht geworden. Nicht wenn mein Plan erfolgreich wäre.
„ Du bist nicht glücklich. Und du kommst damit nicht zurecht. Und du kennst eben wohl eine Makenzie und eine Julia und eine Ivonne. Und du kennst einen Paul; einen Max; einen Ben; einen Lukas und ganz wichtig: du kennst einen Jungen, der dir Liebe zeigen wird. Der dich glücklich macht." sagte sie und ich starrte sie an. Sie hatte mein meist gehasstes Wort benutzt. Liebe. Jemand würde mir liebe zeigen ? In weniger als 2 Monaten ? Das könnte er nicht schaffen. Und mich glücklich machen wird er auch nicht schaffen.
„ Du lügst" sagte ich also nur und wartete die Reaktion Ab. Diese fiel jedoch sehr sparsam aus, sie tat nämlich Nichts. Nichts nennenswertes zumindest.
„ Dein Plan geht nicht auf. Er wird schief gehen. Du hast eine Komponente nicht bedacht und ich werde dir nicht sagen welche. Einen neuen Plan machen bringt nichts, du wirst dich nämlich, wenn ich aufhöre mit dir zu kommunizieren, an nichts mehr erinnern können. Nur daran das du unglücklich bist und es endlich einsehen sollst. Das ist alles, mehr bleibt dir von diesem Gespräch nicht. Also wäre es doch unnötig das ich weiter rede oder ?" sie sah mich abwartend an und ich nickte. Sie sollte endlich gehen und mich alleine lassen.

„ Weißt du Evelyn. Du wirst heiraten und Kinder kriegen. Du wirst Freunde haben und du wirst glücklich sein. Dein Mann liebt dich so wie du bist, seit der ersten Sekunde an. Deine Kinder verehren dich und werden so sein wollen wie du. Bis du stirbst. Viel zu früh." sie stoppte kurz. Hieß das, sie war tot ? Hieß das, die Frau die gerade mit mir redete war gestorben?
„ Ich weiß was du gerade denkst. Das ich ja jetzt tot bin, weil ich weiß wann du stirbst und das bin ich auch. Ich bin heute morgen gestoben. Im Alter von 50 . Für dein jetziges ich muss das eine Ewigkeit hin sein, ich weiß. Du denkst gerade das du bis dahin leiden wirst, aber das wirst du nicht. Du wirst zwar in eine Klinik gebracht werden und dort bleiben müssen, aber danach wechselst du die Schule und die Leute dort sind großartig. Sie versuchen alles um an dich ranzukommen und werden es auch Schaffen. Und dieser eine Junge, der der dir liebe zeigen wird, der wird dort sein und auf dich warten. Er selbst kennt auch kaum Liebe. Seine Eltern hassen ihn und er wurde genauso gehänselt wie du." sie redete und redete und irgendwann begann ich zu weinen. So konnte das nicht sein. Ich könnte niemals in diesem Leben glücklich sein.
„ Aber ich kann dir kaum mehr sagen als das, also träum schön Evelyn. Ich liebe dich" und schon war die Frau verschwunden und alles wurde wieder schwarz.

Am nächsten Morgen, nur ein paar Stunden später, wachte ich auf und hatte nur noch das wissen das ich unglücklich war. Mehr nicht. Aber das war auch gut so, denn es kam alles so wie sie gesagt hatte.

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