Notfall

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Das Handy klingelte, als sie gerade mit uns aß. Sie sah darauf und sah uns dann Entschuldigend an.
„ Ja ?" sie ging ran und im nächsten Moment schnappte sie hörbar nach Luft. Sie sah ihren Freund an und in ihren Augen glitzerten Tränen.
„ Bleib da wo du bist Schatzi, ich komme" sagte sie und stand auf. Sie sah uns noch kurz an und entschuldigte sich bei uns und rannte dann in das Zimmer von ihrem Freund.
„ Mike !" rief sie und kam wieder. Er sah sie erwartungsvoll an.
„ Pia ... du musst mitkommen, ich bin nicht stark genug" sagte sie und er stand auf. Er zog sie an sich und küsste sie auf den Kopf.
„ Wo ist sie ?"
„ Brücke"
„ Welche ?"
„ DIE BRÜCKE" betonte sie
„ Oh" er sah sie an.
„ Wie gehts dir ?" fragte er sie dann. Sie sah ihn nur an und er nahm ihr Gesicht in seine Hände.
„ Du musst jetzt stark sein Prinzessin. Ich weiß das diese Brücke schwer für dich ist und das Pia dir sehr wichtig ist, aber bitte... bitte, egal was passiert, bleib in meiner unmittelbaren Nähe. Bitte sei stark, noch einmal. Dann musst du diese Brücke nie wieder sehen, aber bitte bleib stark. Bleib stark für mich" er sah ihr direkt in die Augen und sie nickte. Man merkte, das sie beide genau wussten worüber sie redeten. Er nahm sie noch einmal in den Arm und zog sie dann mit sich. Sie rannte ihm hinterher und dann Hörten wir eine Tür. Ich sah Ihnen nach und wäre fast hinterher gerannt.

Sie kamen wieder, doch ich hörte nur zwei Füße. Ich kam in den Flur und sah sie in seinem Arm liegen. Sie sah so leblos aus wie noch nie und ich sah sie nichtmal atmen.
„ Oh mein Gott ..." sagte ich geschockt und machte seine Zimmer Tür auf. Er bedankte sich leise und kurz und betrat den Raum. Die Tür Ließ er auf und legte sie ganz behutsam auf sein Bett. Ich sah ihm zu, wie er ihre Schuhe auszog und sie dann zudeckte. Er sah sie die ganze Zeit an und setzte sich dann zu ihr ins Bett. Mit einer Hand strich er ihr über die Wange und eine Haarsträhne aus ihrem blassen Gesicht. Dann gab er ihr einen kurzen Kuss auf die Stirn und legte seinen Kopf dann auf ihrer Brust ab.
„ Du hättest das nicht machen müssen Prinzessin" flüsterte er und schob seine Haare vor sein Gesicht.
„ Ich weiß" ihre Stimme klang flach und schwach. Er hob seinen Kopf und wischte sich über sein Gesicht. Dann sah er sie an und nahm ihre Hand.
„ Das ist zu viel Prinzessin. Selbst für mich, wenn es um dich geht" sagte er und strich ihr mit dem Daumen über den Handrücken.

„ Ich hab gedacht, ich könnte es" flüsterte sie und er nickte.
„ Ich weiß. Für Pia würdest du viel tun" sagte er und sie nickte nun schwach. Er strich ihr wieder über die Wange.
„ Wie gehts dir ?" fragte er dann behutsam und sah sie an. Sie überlegte und war dann eine Weile still.
„ Selbstmordgedanken" flüsterte sie dann, ganz ganz leise. Jedoch verstand ich alles. Sie wussten wohl beide nicht mehr, das ich hier stand.
„ Und Ritzdruck. Starker Ritzdruck" flüsterte sie weiter und er nahm sie dann ganz fest in den Arm. Da fiel mir ein Verband an ihrem linken Arm auf, der schon ein wenig durchgeblutet war.
„ Wir müssen deinen Verband neu machen" sagte er und sah dann zur Tür.
„ Oh, Mama" sie sah sofort zur Tür und sah ziemlich geschockt aus. Sie Schien sich dafür zu schämen, was sie gesagt hatte. Er stand auf und strich ihr nochmal über die Wange.
„ Wieso beobachtest du uns Mama ?" fragte er und ich zuckte schuldbewusst mit den Schultern.
„ Soll ich beim Verband neu machen helfen ?" fragte ich und er sah sie fragend an. Sie dachte kurz nach und zuckte dann mit den Schultern. Ich ging den Verband holen und er passte auf sie auf. Als ich wiederkam saß sie und er hielt sie fest, damit sie nicht umfiel.

Ich setzte mich neben sie auf das Bett und nahm vorsichtig ihren Arm. Als ich den Verband abmachte sah ich sie vorher fragend an. Sie nickte leicht und ich hatte nur einen Schnitt erwartet, was ich jedoch sah war ein Unterarm komplett voller Schnitte, die frisch waren. Ich sah sie an und sah das sie Tränen in den Augen hatte. Mein Sohn strich ihr über den Rücken und küsste ihren Hals, damit sie sich beruhigte. Ich wusste nicht was ich sagen soll, deswegen sagte ich gar nichts und verband sie einfach neu. In meinem Kopf herrschte Chaos, wie konnte sie so sein, wenn sie doch immer so glücklich wirkte ? So zufrieden mit dem Leben und allem. Dann fielen mir die Male ein, wo er mir erzählt hatte das sie das Training abbrechen mussten oder die vielen Male bei denen wir jemanden weinen gehört haben. Oder die Male wo sie so ungewöhnlich still war und ihn sehr oft ansah. Ich seufzte, ich hätte es merken sollen. Als sie verbunden war sah ich sie an. Sie sah mich auch an, in ihren Augen spiegelte sich Trauer.
„ Wie lange schon ?" fragte ich sie und sie zuckte kurz zusammen.
„ Sie ist schon seit mehr als einem Jahr depressiv" sagte er statt ihr und ich sah ihn an.
„ Wusstest du es ?" fragte ich ihn dann und er nickte.
„ Ich weiß alles was sie und ihre Krankheit angeht." sagte er nur und strich ihr weiter über den Rücken. Sie beruhigte sich und schloss ihre Augen. Er zog sie in seine Arme und legte ihren Kopf auf seine Schulter, hörte aber mit dem Rücken streicheln nicht auf. Nach einer Zeit hörte man von ihr nur noch regelmäßiges Atmen und sonst nichts.

„ Schläft sie ?" fragte ich leise und er nickte.
„ Sowas ist für sie sehr anstrengend. Sie hat kaum noch Kraft an sich um solchen Sachen gut entgegen wirken zu können und solche Sachen machen sie unglaublich schwach und erschöpft. Sie schläft dann meistens ein" sagte er und strich ihr immer weiter über den Rücken.
„ Und du kommst damit klar ?" fragte ich ihn und er nickte, so als wäre es selbstverständlich.
„ Ja. Muss ich wohl, ich liebe sie und wenn sie mich verliert dann wird sie komplett aufgeben" sagte er und ich schluckte.
„ Ist sie Selbstmordgefährdet ?" fragte ich dann und er nickte wieder.
„ ja, leider"
„ Du leistest großartiges Mike" sagte ich und er nickte.
„ Ich Hoffe ich schaffe das noch länger"
„ Ich glaube an dich"

Enellas Kurzgeschichten Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt