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Ich rannte wortwörtlich um meine Leben!! Ich hatte nur ein Problem: Ich sah nichts...

Also musste ich mich auf mein Gehör und meinen Instinkt verlassen. Ich versuchte leise zu sein, damit er mich nicht hören konnte, ich ihn aber. Leider hörte ich, außer dem Rauschen meines Blutes, überhaupt nicht. Mein Atem ging viel zu hektisch und vor allem zu laut. Um nicht unnötig Zeit zu verschwenden, rannte ich einfach weiter.

Schließlich könnte er schon lange aufgeholt haben. Ich versuchte auszurechnen wie viel Vorsprung ich ungefähr haben musste.

Es musste ungefähr zwei Stunden her sein, seit ich aus „unserem" Haus geflohen war.

Schritte erlangten meine Aufmerksamkeit. War er etwa hinter mir? Wieder blieb ich stehen und hielt die Luft an, um Lauschen zu können. Doch es schien als hätte ich mir die Schritte nur eingebildet.

Egal! Ich musste weiterlaufen. Meine Beine gehorchten mir zwar kaum noch, da die Hetzjagd durch den Wald nicht nur meinem Kopf, sondern vor allem meinem Körper zugesetzt hatte, jedoch schaffte ich es mit viel Mühe und Willen, mich vom Baum abzustoßen und meinen Weg weiter zu laufen.

Leider musste ich viel öfters Pausen machen, als ich wollte, aber ich hatte einfach Angst um mich und meinen Körper. Wenn ich zusammenbrechen würde und er mich finden würde, wäre ich geliefert. Und somit machte ich lieber Pausen anstatt das Risiko einzugehen, wieder gefangen zu werden.

Nach einer ganzen Weile machte ich erneut eine Pause und spielte mit dem Gedanken einfach liegen zu bleiben. Ich musste mir einfach eingestehen, dass es so nicht weiter ging. Der Waldboden kam mir plötzlich angenehm kühl vor und ich konnte einfach nicht mehr weiter, meine Beine schmerzten, mein Herz raste!

‚Obwohl ...' dachte ich. ‚Es ist nicht so schmerzhaft wie bei ihm'

Ich musste weiter! Also rappelte ich mich wieder auf und ging schwer fällig weiter.

Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit, die ich durch den Wald lief, blieb ich ruckartig stehen.

Ich hoffte in diesem Moment so sehr, dass das was ich gerade gehört hatte nur Einbildung war... Aber Gott hatte mich wohl nicht lieb, denn ich hörte es wieder: „Na komm schon Chathy! Ich weiß, dass du hier bist!", rief er immer wieder. Ich zog zischend die Luft an. Er klang überhaupt nicht abgehetzt wie ich. Das machte mir tierische Angst, weshalb mein ganzer Körper anfing zu zittern. Ich drückte mich ganz fest an den Baum. Meine Augen brannten, nicht nur wegen der Säure sondern auch wegen den Tränen, die sich langsam in meinen Augen sammelten. Ich kniff die Augen schmerzhaft zusammen. Mit Gewissheit konnte ich sagen, dass ich wegen meinen Augen zum Arzt musste und dies sehr schnell, sonst würde ich für immer mein Augenlicht verlieren.

Und dafür hasste ich ihn abgrundtief! Warum hat er mir das nur alles angetan?

Jetzt fing ich auch noch an zu weinen. Ich musste mich versuchen zu beruhigen, sonst würde er mich noch hören. Da! Da hörte ich ihn wieder rufen: „Cathy! Du willst spielen?! Dann spielen wir!" Am Ende hob er seine Stimme an.

Spielen?! Spielen nannte er das alles! Ich war fassungslos, er war so ein Arsch!

Doch das wäre alles egal wenn er mich finden würde. Dies wäre nämlich mein endgültiger Untergang.

Ich atmete tief ein und aus um mich zu beruhigen und meine letzte Kraft zu sammeln. Mich durchströmten der Geruch von Wald und frisch gemähten Gras... Gras? Frisch gemäht? In einem Wald? Ich wurde stutzig. Ich war mir sicher, dass es Gras war was ich roch. Ich musste sehr nah am Waldrand sein! Vielleicht meine Rettung?

Die Frage warum ich dies so gut am Geruch erkennen konnte, war leicht geklärt. Seit ich nicht mehr sehen konnte, musste ich mich auf meine anderen Sinnesorgane verlassen. Vor allem eben auf meinen Geruchssinn und Hörsinn.

Ich drehte mich einmal im Kreis und versuchte die Richtung des Geruchs zu finden. „Cathy jetzt komm schon! Lass uns wieder nach Hause!! Ich koche auch für dich, ich gebe dir alles was du möchtest!", hörte ich wieder seine Stimme - und er war wieder näher gekommen. Seine Stimme klang liebkosend und verführerisch. Jedoch nicht mehr für mich.

Ich schnaubte, er wollte mir alles geben?! „Wie wäre es mit meiner Freiheit!!", ich stockte. Scheiße! Hatte ich das gerade laut gesagt?! Nein, nein, nein, nein, nein! Ich blieb erst stocksteif stehen und rannte dann los. Die Verzweiflung schoss durch meine Adern und spornte mich an. Er hatte mich bestimmt gehört!

Nach knapp einem halbem Kilometer wurde der Boden ebener und ich stolperte nicht mehr so oft. Konnte es vielleicht sein, dass ich aus dem Wald raus war? Dann musste doch bestimmt jemand hier sein.

Ich hörte nicht auf meinen Körper, welcher nach einer Pause schrie, welcher nach Essen und Trinken verlangte. Das könnte ich alles nachholen, wenn ich in Sicherheit wäre! Genau. Das war der Plan: Sicherheit!

„Arschbombe!", hörte ich eine weit entfernte, fremde Stimme. Und es war nicht ER! Es mussten noch andere menschliche Lebewesen hier sein! Jemand anderes außer mir und ihm.

‚Meine Rettung!'

Diese beiden Worte gaben mir wieder Kraft und ich rannte auf die Stimme zu. Aber es war nicht nur ein, ich hörte gerade wie noch jemand etwas rief: „Das gibt Rache!" Dieser Satz ließ mir das Blut in den Adern gefrieren, aber ich hörte an dem Lachen, welches darauf folgte, dass es wohl nicht ganz so ernst gemeint war.

Ich konnte nicht mehr ganz so weiter entfernt sein, ich hörte schon ihr Lachen, ich hörte, dass sie Spaß hatten, dass sie lebten!

Ich wollte um Hilfe rufen, aber ich konnte nicht, mein Mund war trocken und ich konnte einfach keine Worte formen. Mein Hals kratzte und meine Zunge klebte an meinem Gaumen.

Weiter und weiter führten mich meine Füße, in der Hoffnung bald dazu sein. So erschöpft war ich noch nie gewesen, die Augen schließen war das einzige was ich noch tun wollte.

„Oh nein! Sie haben uns entdeckt!" - „Das kann nicht sein!" - „Sie haben gesagt, hier wären wir in Sicherheit und hätten einfach nur mal Pause!" Drei verschiedene Stimmen riefen durcheinander. Aber ich verstand nicht was sie meinten, nur ein Wort verstand ich: Sicherheit!

Ich wusste es, hier wäre ich erst einmal sicher.

So versunken in meine Gedanken, spürte ich nicht, wie sich der Boden unter meinen Füßen erneut änderte. Es war kein Gras mehr sondern er so etwas wie ein Holzsteg.

„Vorsicht! Der Steg!", riefen verschiedene Männerstimmen.

Bevor ich jedoch überhaupt etwas realisieren konnte, war der Boden auch schon unter meinen Füßen verschwunden. Die Rufe der Jungen bekam ich schon gar nicht mehr mit.

Eiskaltes Wasser umgab mich. Eine Gänsehaut überzog meinen ganzen Körper, von Kopf bis Fuß. Um mich herum wurde es stock duster und das Wasser kühlte meinen überanstrengten und überhitzten Körper sofort ab. Meine Arme und Beine wurden schwer und langsam verlor ich das Gefühl in ihnen. Mit letzer Kraft versuchte ich an die Oberfläche zukommen, zappelte und trat um mich, doch schlussendlich wurde ich zu müde. Meine Lungen fühlten sich mit dem Wasser, welches ich dann ausversehen verschluckte. Ich brauchte dringend Sauerstoff, doch ich gelang nicht mehr an die Oberfläche.

Trotz des Sauerstoffmangels hatte ich nur einen Gedanken: Ich war ihm endlich entkommen!

Entspannt konnte ich mich also fallen lassen und mein Körper verkrampfte sich nicht mehr. Es fühlte sich so frei und gut an. Die Dunkelheit empfing ich mit einer Umarmung und mit einem Lächeln auf den Lippen trat ich auch dem Tod entgegen.

Ich hatte nie darüber nachgedacht, wie es sich anfühlen würde zu sterben, aber das letzte was ich spürte waren starke Arme, die mich umfassten. Der Tod war ziemlich sanft zu mir und zog mich zu sich.


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