Gescheiterte Flucht & große Pläne

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• Rythm Of The Night - Fedde Le Grand •
Kapitel 12

Chiara

„Liam?!" krächzte ich und starrte fassungslos auf den Mann, welcher aus dem Auto stieg und langsam auf mich zuschlenderte. Er tat dies mit einer solchen Ruhe und Gelassenheit, als wäre er sich zu hundert Prozent sicher, dass ich nicht weglaufen würde.

Renn los! schrie mein Verstand mich an, doch ich war zu kraftlos und erschöpft, um dies in die Tat umzusetzen. Ich schaffte es nicht, gegen die bleierne Schwere, die meine Beine ergriffen hatte, anzukämpfen.

Ich fühlte mich, als wäre ich in einem dieser Albträume, in denen man verfolgt wurde und flüchten musste, doch an den Füßen hingen schwere Gewichte, die das Gehen beinahe unmöglich machten.

Mittlerweile hatte Liam mich fast erreicht und ich erkannte den spöttisch verzogenen Mund und seine Augen, die mich tadelnd anblickten, als wäre ich ein ungezogener Welpe.

„Hast du mich wirklich für so einfältig und dumm gehalten, dass ich nicht kapieren würde, dass du abhauen kannst? Denn wenn das der Fall war, Baby, dann kann ich dir versichern, ich mache alle meine Pläne immer lückenlos. Das hier war nur ein weiterer kleiner Schachzug in meinem Spiel. Es fühlt sich demütigend an, nicht wahr? Dieses Gefühl von Freiheit, um dann zu verstehen, dass es die ganze Zeit nur Täuschung war."

Liam fing an zu lachen. Kalt und gefühllos. „Die Flucht war ein Teil meines Plans und du hast genau so gehandelt, wie ich es vorhergesehen habe."

Es war, als würde mit Messern immer wieder auf mich eingestochen werden. Es war kein körperlicher Schmerz, dieser Schmerz war psychisch.

Es zerstörte mich innerlich, zu wissen, dass die neugewonnene Freiheit eigentlich nichts anderes als ein weiterer Teil eines Plans gewesen war, nichts als eine Täuschung.

Mir wurde klar, dass Liam auf eines hinauswollte. Er wollte meinen Willen brechen, sodass mir irgendwann alles egal war. Ich sollte funktionieren, wie es eine Maschine tat, nicht mehr leben. Und ich wusste, dass durch diese getäuschte Freiheit bereits ein Stück meines Willens gebrochen worden war.

Nicht viel, jedoch genug, dass ich widerstandslos in das Auto stieg und mich anschnallte. Ich rührte mich nicht und starrte die gesamte Fahrt über teilnahmslos aus dem Fenster, ohne die Umgebung bewusst wahrzunehmen.

Irgendwann parkte Liam das Auto vor einem weißen Haus und stieg aus. Der Gedanke, dass dies das Haus war, indem er mich gefangen hielt, drängte sich in mein Bewusstsein, doch ich unternahm nichts, um wegzukommen.

Es war alles nur eine Täuschung. Meine Freiheit war nie echt. Es hat keinen Sinn.

Immer und immer wieder wiederholten sich diese drei Sätze in meinem Kopf, wie ein Mantra. Ich war mir nicht sicher, wie lange dieser tranceartige Zustand anhielt, doch irgendwann verschwand dieses Gefühl der Leere in mir.

Mein Kampfgeist erwachte von Neuem und ich sah mich das erste mal wirklich bewusst um. Ich stand in einem Hausflur, an der Wand rechts vor mir drei Koffer. Liam schleppte gerade einen vierten, kleineren herbei.

„Sobald sie dieses Haus finden, werden sie es durchsuchen. Aber sie werden nichts finden, nicht mich und nicht dich. Nur dein Handy, welches als Köder dient. Wir werden derweil weit weg sein, ein neues Leben anfangen, dort, wo uns keiner kennt." Am Ende lächelte Liam so aufrichtig, dass ich fast schon Zweifel bekam, ob er wirklich krank war.

Ich rührte mich weiterhin nicht und schwieg, denn es war vermutlich besser, wenn er nicht merkte, dass ich alles wieder bewusst wahrnahm. Als er nicht hinsah, klaute ich jedoch heimlich mein Handy von der Küchenanrichte und schob es ein. So bestand zumindest die Chance, dass wenn die Polizei mein Handy orten sollte, sie mich finden würden.

In folgte Liam, als er die Koffer hinaustrug und in das Auto lud, setzte mich hinein und wartete, bis er den Motor startete und losfuhr.

Ich begann, zu hoffen, denn wenn ich es schaffte, dass Liam mir vertraute, könnte ich an dem Ort, zu dem wir fuhren, Hilfe holen.

„Trink das, du hast sicher Durst." meinte Liam nach einer Weile, in der wir über eine Landstraße gefahren waren, ohne auch nur ein einziges Mal anzuhalten.

Ich nahm ihm die Flasche aus der Hand, schraubte sie auf und roch daran. Doch bis auf einen leichten Geruch von Plastik konnte ich nichts wahrnehmen, also setzte ich die Flasche an meine Lippen und trank vorsichtig einige Schlucke.

Es schmeckte leicht säuerlich und nach Plastik.

„Wieso schmeckt das Wasser säuerlich?" erkundigte ich mich misstrauisch und spähte in die Öffnung.

„Das muss von der Flasche kommen, sie ist ziemlich neu." erwiderte Liam, ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken. Ich glaubte ihm nicht.

Sicherheitshalber wartete ich etwa zwanzig Minuten ab, doch nachdem sich weder Schläfrigkeit, noch andere Symptome zeigten, beschloss ich, dass Liam wohl doch die Wahrheit sagte und löschte meinen Durst mit einigen großen Schlucken.

• • •

-Liam-

Nur schwer konnte ich ein zufriedenes Lächeln unterdrücken. Mein Plan verlief exakt so, wie ich es mir ausgedacht hatte.

Ich würde Chiara jeden Tag etwa zweihundert Milliliter des Wassers gemischt mit Phatrium* zu Trinken geben. Das Gift zerstörte nach und nach die Stäbchen und Zäpfchen und führte schließlich zu Erblindung. Wenn Chiara blind werden würde, wäre sie auf mich angewiesen.

Sie könnte nicht mehr flüchten oder zur Polizei laufen. Sie würde für immer bei mir bleiben, weil sie nichts anderes tun konnte.

Sie liebte mich noch, das wusste ich. Ihr Zittern, als sie mich erblickt hatte, hatte es mir endgültig bewiesen. Doch ich musste ihr ein wenig auf die Sprünge helfen, damit sie es erkannte. Aus diesem Grund hatte ich zu dem Phatrium zusätzlich noch etwas Ecstasy gemischt, wodurch sie lockerer werden würde.

[Eintrag, Internet: Die gemeinsame Einnahme des Giftes Phatrium mit der Droge Ecstasy führt zu Herzrythmusstörungen, Bewusstlosigkeit, die bis zu mehrere Tagen andauern kann und bei zu hoher Dosis zum komatösen Zustand oder Tod]

• • •
*Dieses Gift gibt es in Wirklichkeit nicht, ich habe es erfunden, da ich kein Gift/Droge gefunden habe, bei der diese Wirkung auftritt.
Ebenfalls frei erfunden ist der Interneteintrag, die Droge Ecstasy gibt es allerdings wirklich und sollte euch in der Regel geläufig sein, daher denke ich, muss ich dazu nichts sagen^^

Ich hoffe natürlich, das Kapitel hat euch gefallen und ist spannend genug ;)
Liebe Grüße, eure Ms_Creatix

Soulstriptease| ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt