11 ~ Hallo

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*one kiss (calvin harris & dua lipa)*

Chris hört nicht mehr auf zu laufen und mich an der Hand hinter ihm herzuziehen, bis wir vor der Tür stehen, die mich so plötzlich an die Jahrgangsfeier und mein fast erstes Mal erinnert.

Und nicht zu vergessen an Elias. Dabei hatte ich das Ganze schon vorübergehend verdrängt.

Was wollen wir denn hier?

Mein bester Freund streckt seine freie Hand nach der Klingel aus und klingelt Sturm. Während wir dem Nachschall der Klingel lauschen, ist nur unser leiser Atem zu hören. Das schnelle Klingeln zeigt seine Wirkung, als es tatsächlich nur einige wenige Sekunden dauert, bis Vincent die Tür aufreißt.

Überrascht über unser Erscheinen schaut er von mir zu Chris und wieder zurück. „Ähm, hallo?"

Auch ich bin überfordert und starre zu Chris, der stumm wie ein Fisch neben mir steht und immer noch meine Hand in seiner hat. Von der Stelle, wo sich unsere Hände berühren, geht eine pochende Hitze aus, so dass ich mir tatsächlich kurz Sorgen mache, ob er nicht vielleicht Fieber hat.

Ich werde schlagartig aus meinem Gedankengang gerissen, als er in einer einzigen schnellen Bewegung meine Hand los lässt, stattdessen Vincent an den Schultern packt und ihn so ein kleines Stück weiter runter zu sich auf die selbe Höhe zieht. Bevor ich überhaupt realisiere, was da passiert, liegen Chris' Lippen schon stürmisch auf denen von Vincent.

Wie ist denn das jetzt so schnell passiert?

Der Kuss dauert ein paar Millisekunden an und ich starre wie gebannt auf die zwei vor mir. Mein Herz pocht laut und ich habe das Gefühl, dass meine Augen förmlich an der Szene vor mir kleben. Ich weiß auch gar nicht, was ich sonst mit mir anfangen soll, denn dieser Kuss kommt so plötzlich, dass ich mich einfach nicht zum Denken fähig fühle.

Vincent scheint es ähnlich zu gehen, denn er löst sich kurze Zeit später wieder von Chris und stolpert einen kleinen Schritt nach hinten.

„Was war das denn?", platze ich heraus, während Chris vorsichtig mit den Fingerspitzen über seinen Mund fährt, als könnte er selbst nicht glauben, was gerade passiert ist.

„Das würde ich auch gerne wissen." Vincent runzelt seine Stirn ganz leicht, öffnet die Tür noch weiter und tritt zur Seite, um uns einzulassen. Er hofft sicherlich, eine Antwort auf die von mir gestellte Frage zu bekommen, die ihn bestimmt auch brennend interessiert.

Langsam und vorsichtig, als wäre er nicht sicher, ob er auf dem Boden wirklich stehen kann, betritt Chris das Haus, zu dem wir uns schon einmal unerlaubt Zugang verschafft haben. Ich folge ihm mit gesenktem Blick und Vincent schließt die Tür hinter uns.

„Hallo."

Mein Blick schießt nach oben und meine Augen finden die Herkunft dieses leisen Wortes. Elias steht, angelehnt am Treppengeländer und mit den Händen in den Hosentaschen, nicht unweit von uns entfernt. Auch er muss die Szene gerade eben live mitbekommen haben.

Die Sache wird ja immer abgedrehter.

„Wollt ihr alleine reden?", habe ich wenigstens noch den Anstand, leise mit einem schweifenden Blick von Chris zu Vincent zu fragen. Chris schüttelt jedoch schnell und nachdrücklich den Kopf. „Bitte nicht."

Langsam gibt er mir wirklich das Gefühl, dass er selbst nicht weiß, wie das passieren konnte. Oh Chris, was machst du nur?

Vincent räuspert sich laut und macht sich dann auf den Weg, die Treppe nach oben. Elias wirft mir einen Blick zu, folgt ihm dann und auch Chris läuft hinter den beiden her. Ich bin mir noch unschlüssig, ob ich wirklich da hoch gehen will.

Nach einigen Sekunden komme ich mir aber so alleine im Flur doch doof vor und folge den drei Jungs nach oben.

Gerade noch rechtzeitig sehe ich sie in dem Raum verschwinden, in dem ich vor nicht allzu langer Zeit aufgewacht bin. Ich folge ihnen also weiter und betrete das Zimmer. Mein Blick fällt zuerst auf die Pflanze neben dem Bett, die ich, nach Elias' Aussagen, wohl in der Nacht der Feier gedüngt haben muss. Echt eklig.

Ich schüttele mich bei dem Gedanken daran und versuche mich gezwungenermaßen wieder auf die Jungs zu konzentrieren. Vincent hat sich auf dem Schreibtischstuhl niedergelassen, während sich Elias einfach an die Wand gelehnt hat und mich jetzt beobachtet. Chris sitzt auf dem Bett und krallt sich in der Bettdecke fest. Er sieht aus, als wäre ihm nicht wohl, deswegen lasse auch ich mich kurzerhand neben ihm auf das Bett fallen.

Weich federt die Matratze nach und ich sinke ein wenig ein, bevor ich noch ein Stück näher an Chris heran rutsche.

„Also, was ist los?", eröffnet Vincent das Gespräch und dreht sich mit dem Stuhl immer wieder schnell nach rechts und links. Mir wird ein bisschen schwindelig davon, ihn zu beobachten, deswegen richte ich meine Augen auf Chris.

Dieser hat seinen Blick von allen wachsamen Augen weg in seinen Schoß gelenkt, wo er nervös seine Hände knetet. „Ich habe mich gerade eben vor meinen Eltern geoutet", meint er leise, als würde das den plötzlichen Kuss erklären. Ich verstehe diese Aktion allerdings leider immer noch nicht. Ich meine, ich weiß, dass er Vincent gut findet, aber ich hätte ihm nie zugetraut, das so durchzuziehen. Dafür ist er eigentlich eher zu schüchtern und die ‚Beziehung' zu Vincent viel zu frisch.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie auch Elias seine Augen zusammenkneift, als würde er das alles auch nicht so wirklich verstehen.

Vincent hört jedoch mit einem Schlag auf mit dem hin-und-her-gedrehe und rutscht auf seinem Stuhl ein Stück nach vorne. „Du wolltest also testen, ob das auch wirklich gerechtfertigt war", schlussfolgert er und zwinkert Chris auffällig zu.

Ich merke, wie Chris diese Geste von Vincent entspannt und er endlich aufhört seine Hände zu kneten und seine Nervosität in den Griff zu bekommen. In dieser Sekunde wird mir klar, dass Vincent Chris versteht und besonders die ganzen verrückten Gefühle, die wohl gerade in ihm vorgehen.

Außerdem scheint Vincent den Kuss ziemlich locker hin zu nehmen. Ich weiß nicht wie ich reagieren würde, wenn mich jemand so ‚überfallen' würde, aber wenigstens verstehe ich jetzt ansatzweise, warum Chris das auf einmal so durchgezogen hat.

Ich meine, ich freue mich natürlich für ihn, wenn er seine erste Beziehung mit ‚richtigen' Gefühlen führen kann und Erfahrungen in diese Richtung macht. Allerdings kam das jetzt doch ganz schön plötzlich.

„Eltern sind der schwierigste Part daran", ergreift Vincent wieder das Wort und ich sehe an seinem Gesichtsausdruck, wie sehr er Chris' Lage nachfühlen kann. „Ich bin froh, dass meine Eltern relativ locker damit umgegangen sind, aber mir ging es am Anfang ähnlich wie dir." Er grinst Elias an und schon beginnt mein Kopf zu rattern und darüber nachzudenken, ob das jetzt eine Andeutung war.

Elias und Vincent? Kann ja nicht sein, oder?

„Ich nehme an, deine Eltern haben nicht so viel Verständnis gezeigt?", mischt sich Elias in dieser Sekunde in die Konversation ein, noch bevor ich zu einer Schlussfolgerung kommen kann, ob da was zwischen ihm und Vincent lief. Er lehnt sich bequemer an die Wand und dreht seinen Oberkörper erwartungsvoll in unsere Richtung.

Chris schüttelt einfach nur den Kopf. So wortkarg ist er wirklich selten. Das ganze muss ihn also ziemlich mitnehmen.

„Gib ihnen Zeit", rät Vincent, steht auf und klopft Chris ermutigend auf die Schulter.

Das ist sicherlich leichter gesagt als getan, aber etwas anderes wird Chris wohl kaum übrig bleiben.
*****
Ausnahmsweise mal ein Kuss ziemlich am Anfang eines meiner Bücher. :D Wer shippt Chris&Vincent?

Just OrDINAryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt