14 ~ Liebesbriefe?

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*brooklyn in the summer (aloe blacc)*

Ich sitze stiftekauend an meinem Schreibtisch und versuche meine Hausaufgaben zu erledigen. Die Betonung liegt auf ‚versuche', denn Chris liegt faul auf meinem Bett und hört mit seinen Kopfhörern extrem laut Musik. So laut, dass selbst ich sie hören kann.

Ich stöhne genervt auf und drehe mich mitsamt Stuhl zu ihm um. „Chris."

Keine Reaktion. „Chris!", sage ich lauter aber er scheint mich immer noch nicht zu hören. Gerade überlege ich, ihn mit meinem Mathebuch abzuwerfen, da schaut er verwirrt nach oben. Anscheinend hat er sich beobachtet gefühlt. Glück für ihn, denn das Buch ist so schwer, dass es ihm sicher ganz schön wehgetan hätte. Und das verdient.

Er stöpselt einen Kopfhörer aus seinen Ohren. „Was ist?"

„Deine Musik ist viel zu laut", murre ich. „Wenn das so weiter geht, muss ich dich aus meinem Zimmer verbannen."

„Entschuldige", meint er dazu und stellt seine Musik tatsächlich leiser, bevor er ein Friedensangebot vorschlägt: „Du kannst Mathe gerne von mir abschreiben."

Ich nicke dankbar und nehme seinen Hefter entgegen, den er mir netterweise reicht.

Leider bin ich nicht nur wegen der Musik und den Hausaufgaben genervt, sondern auch von der Tatsache, dass ich Elias gestern beim Training meine Nummer gegeben habe und er mich immer noch nicht kontaktiert hat. Das nun schon seit fast 24 Stunden nicht.

Diese Tatsache macht mich so fertig, dass ich jede Nachricht, die auf meinem Handy erscheint, sofort öffne, als wäre ich ein Wachhund, der wegen jedem vorbeilaufenden Menschen ausrastet. Ich überlege auch die ganze Zeit, was ich ihm getan habe, dass er mir jetzt nicht schreiben will. Er sah doch relativ glücklich aus, als ich ihm meine Nummer gegeben habe. Aber vielleicht habe ich mich auch getäuscht.

Seufzend schlage ich den Mathehefter von Chris auf und blättere durch die Seiten. In etwa der Hälfte segelt ein loses A4- Blatt heraus, was definitiv untypisch für den sonst so ordentlichen Chris ist.

Ich fange es auf und überfliege die Zeilen ganz schnell, bis mein Blick an dem Namenskürzel ganz am Ende des Zettels hängen bleibt. Ich kann es kaum glauben. „Ihr schreibt euch Liebesbriefe?", frage ich laut und überrascht. Chris hört mich sofort, da seine Musik jetzt nicht mehr so laut ist.

Eigentlich ist das eine dumme Frage gewesen, denn was ich hier in der Hand halte, ist eindeutig. Auch das gekritzelte ‚Vince' am Ende, überzeugt mich von meiner Frage, noch bevor Chris mir antworten kann.

Dieser zieht sich blitzschnell die Kopfhörer raus und springt vom Bett. Mit großen Schritten ist er bei mir und reißt mir den Zettel aus der Hand. „Und wenn schon", murmelt er und ich sehe wie rot er wird.

„Wie süß seid ihr bitte? Das ist ja voll Vintage!", quietsche ich und wuschele Chris durch seine Haare.

Der schaut mich wie ein begossener Pudel an. „Er hilft mir einfach nur, in Ordnung? Nichts weswegen man sich aufregen müsste."

„Und wieso macht ihr das nicht, wie ganz normale Menschen dieses Jahrhunderts, per Handy?", frage ich siegesgewiss und versuche noch einmal einen Blick auf den Zettel zu erhaschen. Leider habe ich ihn nicht richtig gelesen und Privatsphäre hin oder her: Ich bin verdammt neugierig.

Chris zuckt mit den Schultern und wird, wenn überhaupt möglich, noch mehr rot im Gesicht. Die beiden lassen mir echt mein Herz aufgehen. Ich liebe es, wenn Menschen sich tatsächlich noch die Mühe machen und sich mit Stift und Papier Nachrichten hinterlassen. Das ist so viel schwerer und kostet so viel mehr Überwindung, als einfach etwas einzutippen und auf ‚senden' zu drücken.

Just OrDINAryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt