Kapitel 19

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Ich wusste wirklich nicht, was ich machen sollte. Es konnte lustig sein mit ihnen zu reisen, außerdem wäre ich dann nicht alleine unterwegs. Andererseits konnte ich so nicht da hin, wo ich hin wollte...
Es war eine schwierige Entscheidung. "Was möchtest du?", fragte ich irgendwann. Ace zuckte mit seinen Schultern. "Ist immer noch deine Entscheidung, aber ich glaube, dass meine Freunde etwas enttäuscht wären, wenn du einfach so verschwinden würdest." Ich sah ihn irritiert an. Es war nicht so, dass ich ihm nicht glaubte, aber etwas in mir sagte mir, dass er wollte, dass ich blieb. Aber warum sollte er das wollen? Er hatte früher schon nicht gerne Zeit mit mir verbracht. Das war bestimmt nur Einbildung.

Es dauerte etwas, aber ich hatte mich entschieden. "Ich glaube, ich bleibe erstmal... Aber, wenn du mich wieder zum Frust abreagieren benutzt, dann verschwinde ich. Du bist gruseliger, als meine Mutter!", stimmte ich zu, den letzten Satz ließ ich aber vorwurfsvoll klingen. "Jaja, hab verstanden. Keine Sorge, wenn ich nächstes Mal sauer bin, trainiere ich meinen Frust ab. Jozu wird sich über ein zusätzliches Kampftraining sicher freuen..." Der Schwarzhaarige Grinste schelmisch. Der arme Jozu. Was hatte er getan, um den Zorn der Feuerfaust auf sich zu ziehen? "Er hat mich genervt", beantwortete der Sommersprossige meine unausgesprochene Frage. "Ach ja und kannst du deinem Golem sagen, dass er mich bitte wieder runter lassen soll? Ich halte sowas zwar ne Weile aus, aber mir wird schon langsam schwindelig." Er hatte recht, sein Kopf sah so rot aus, wie eine Tomate oder Paprika. Mein 'kleiner' Freund sollte den Schwarzhaarigen wirklich langsam absetzen, bevor sein Kopf von dem vielen Blut darin noch platzte. Ich nickte meinem Freund zu und er ließ ihn fallen. Ace fiel unsanft auf seinen Kopf. "War das nötig?", fragte er, nachdem er sich in den Schneidersitz gesetzt hatte und rieb sich seine Beule am Hinterkopf. Er wackelte etwas, als müsste er sich erst einmal wieder daran gewöhnen, dass sein Blut wieder normal durch seinen Körper floss.
Ich kicherte und der Schwarzhaarige sah mich wie ein schmollendes Kleinkind an. Der Golem hatte sich nun auch wieder zurückverwandelt und setzte sich zu uns. "Bin ich wirklich gruseliger als Finix?", fragte die Sommersprosse. "Ja, schon, wenn du wütend bist. Außerdem wirst du dann unerträglich heiß", bestätigte ich seine Frage kichernd. Er sah wirklich lustig aus. "Das ich heiß bin, weiß ich." Er wackelte mit seinen Augenbrauen. Leicht irritiert sah ich ihn an, dass das zweideutig gemeint war, verstand ich erst, nachdem ich den Satz mehrmals in Gedanken wiederholt hatte. "So war das nicht gemeint!", protestierte ich. Er grinste mich unverschämt an: "Ich weiß, aber du musst zugeben, dass ich recht habe." "In Bezug auf deine Körpertemperatur stimmt das... Aber was soll das überhaupt?", fragte ich perplex. Ace sah mich kurz ebenfalls perplex an, bis er realisierte, über was wir eigentlich redeten. Irrte ich mich oder wurde er etwas rot im Gesicht? Das kam ganz sicher noch davon, dass der Golem ihn kopfüber gehalten hatte, andernfalls konnte ich mir seine Reaktion nicht erklären. Das Beste war es, wenn ich nun einfach das Thema wechseln würde.
"Warum ist die Moby eigentlich schwarz?", fragte ich die erst beste Frage, die mir in den Sinn kam. Es war nicht die Beste, aber es war etwas, das mich interessierte. Der Schwarzhaarige sah mich nun völlig verwirrt an. Er hatte meinen Themenwechsel noch nicht ganz mitbekommen. "Nun ja, ich dachte die Moby Dick wäre weiß. Du weißt schon, wie dieser Wal aus der Geschichte mit Käpt'n Ahab", erklärte ich. "Ach so... Warte du denkst...?", fragte er mich irritiert und er lachte herzhaft, ehe er fortfuhr, "Das ist nicht die Moby Dick. Das ist eine unserer vier Black Mobys." "Das erklärte, warum nur drei Divisionen an Bord sind. Wo sind die Anderen?" "Nun ja, auf jeder Black Moby sind drei Divisionen, weil es anders nicht passt. Wir sind ja eine große Piratenbande. Je nach Mission wechseln die Divisionen, so dass wir nicht immer mit den selben Leuten arbeiten müssen und auch die Anderen kennenlernen. Das entscheiden entweder Marco oder Vater. Die restlichen vier Divisionen bleiben auf der Moby Dick. Nur die vierte und die erste Division bleiben immer bei Vater", klärte mich der Sommersprossige auf. 'Vater' musste Whitebeard sein. Süß, dass er seinen Käpt'n Vater nannte, obwohl er doch eigentlich einen Vaterkomplex hatte, jedenfalls wenn es um Roger ging... "Also wart ihr auf einer Mission?" Ace nickte. "Auf was für einer? Wenn ich fragen darf..." Ich war mir nicht sicher, ob er mir davon mehr erzählen durfte, immerhin waren das Dinge, die nur ihn und seine Crew etwas angingen. "Klar darfst du fragen. Wir haben einer Insel unter Vaters Schutz geholfen. Die Bewohner wurden von ein paar Möchtegernpieraten bedroht. Es war nicht schwer, sie zu vertreiben, als sie merkten, wer wir waren, waren sie schneller weg, als man gucken konnte. Sie hatten Vaters Flagge anscheinend nicht bemerkt", erzählte er amüsiert, bevor er plötzlich aufsprang und entsetzt rief: "Da fällt mir ein, ich habe den Bericht für Marco immer noch nicht fertig!" Danach eilte er zum Schreibtisch. War der schon die ganze Zeit da?
"Ist das diene Kajüte?", fragte ich, nachdem ich ihm zum Schreibtisch gefolgt war. Ace nickte einfach, da er beschäftigt war seinen Bericht zu schreiben. Es wäre wohl das Beste, wenn ich ihn in Ruhe arbeiten ließ, also ging ich zurück zum Bett und setzte mich. Mein kleiner Freund folgte mir. Während die Sommersprosse seinen Bericht schrieb, sah ich mich das erste Mal richtig in der Kajüte um. Sie war groß, aber nur wenige Möbel zierten den Raum. Er hatte ein großes Bett, selbst wenn es nur für ihn war, konnte ich wetten, dass man darauf auch locker zu dritt schlafen konnte, so wie damals in Goa, obwohl... mit mir waren wir vier.
Ich konnte ebenfalls einen Schrank und ein Bücherregal mit Unterlagen erkennen, zwischen denen auch Kriminalromane standen. Irgendwie war ich überrascht, dass Ace freiwillig Bücher las. Ich dachte eher, dass das Sabos Interessen waren, den Schwarzhaarige hielt ich für jemanden, der lieber kämpfte.  So konnte man sich täuschen oder ihm war manchmal einfach so langweilig, dass er sogar freiwillig ein Buch anfasste.
Einen schwarzen Sessel, der mich sehr an den erinnerte, den ich fürs gemütliche Lesen zu Hause hatte, hatte er auch. Im Generellen war die Einrichtung recht dunkel gehalten. Die Möbel bestanden alle aus Schwarzeiche, soweit ich das sehen konnte. Sein Schreibtisch und der dazugehörige Stuhl waren keine Ausnahme. Nur der Bettbezug war hellgrau. An den Wänden hingen Steckbriefe von verschiedenen Piraten und natürlich hatte Ace seinen eigenen auch aufgehängt. Ich konnte mir vorstellen, dass er glücklich war, so ein hohes Kopfgeld zu haben. Über der Tür befand sich eine Uhr. Es war grade kurz nach elf Uhr morgens. Ich war bestimmt schon mehrere Stunden wach.
Nachdem ich mich genug in der Kajüte umgesehen hatte, fing ich endlich an meine immer noch nassen Haare zu kämmen. Das konnte jetzt etwas dauern. Bis ich fertig war, hatte die Sommersprosse seinen Bericht bestimmt auch fertig, ansonsten konnte ich auch noch das Buch weiterlesen, dass ich auf der Insel angefangen hatte. Wie hieß die Insel eigentlich noch mal? Ich glaube es war irgendwas mit 'K'... K... Ka... Kanul! so war ihr Name! Das hatte mir die Frau in der Bücherei gesagt.
Ich war früher fertig, als ich gedacht hatte. Ich brauchte nur ungefähr eine Stunde für meine Haare, aber danach waren sie wieder klettenfrei. Ace war noch nicht fertig, also fing ich an zu lesen. Mein kleiner Freund las mit. Ihm war auch langweilig.
Es war so ruhig, dass wir die Wellen hören konnten, die am Schiffsrumpf brachen. Unglaublich, dass der schwarzhaarige Hitzkopf, den ich kannte, so leise und konzentriert sein konnte. Er war anscheinend doch erwachsen geworden. Jedenfalls ein Bisschen.

Vom Himmel zu den MenschenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt