Kapitel 42

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Es dämmerte als wir aufstanden. Meine Tante und ich waren glücklicherweise beide Frühaufsteher, sodass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte, dass ich sie weckte. Ich assistierte Thatch in der Küche, der das Katerfrühstück für seine Nakamas vorbereitete, während Annabel mit einer dampfenden, heißen Tasse Kaffee in der Hand an die Arbeitsfläche gelehnt stand. Thatch war seltsam nervös heute Morgen. Ob das vielleicht an den wachsamen Blicken meiner Tante lag? Sie war immerhin eine Perfektionistin und wies ihn auf alles hin, das nicht zu einhundert Prozent richtig war.
Die Weißhaarige hatte uns geholfen, ohne das sie gefragt worden war. Annabel hatte all den Kaffee gemahlen und aufgesetzt. Jetzt hatte sie sich selbst eine Tasse dieser dunklen, widerlich riechenden Flüssigkeit genehmigt.
Marco war vorhin auch einmal kurz hier gewesen und hatte sich mit einem knappen "Guten Morgen" seinen Kaffee gesichert. Er war jeden Morgen früh hier, um sich seine morgendliche Dosis Koffein zu sichern. Ich glaube, dass der Phönix süchtig nach dem dunklen Gebräu aus der Hölle ist... Nachdem er sich seine Tasse geholt hatte, plante er immer die Dienst für alle seine Kameraden, aber vor allem für das Verabreichen der Medikamente an Whitebeard, der fast immer an seine medizinischen Apparaturen angeschlossen war. Es war ein Wunder, dass er diesen sturen Dickkopf von Käpt'n dazu brachte, seine Medikamente zu sich zu nehmen. Wenigstens nahm der viel beschäftigte Vize an den Mahlzeiten Teil. Jedenfalls meistens. Ich verstand inzwischen, was Erik mit Workaholic gemeint hatte...

Nach dem Frühstück gingen alle, so gut es ihnen möglich war, ihren Pflichten nach. Marco hatte kein Erbamen mit seinen Kater geplagten Kameraden. Er schickte sie zurück an die Arbeit, wann immer sie damit aufhörten. "Wer feiern kann, der kann am nächsten Tag auch arbeiten!", hatte ich ihn schon öfter auf die Frage "Warum...?" antworten hören.
Ich saß gelangweilt auf der Reling und schmollte, da es nichts gab, was ich tun könnte. Ich hätte gestern nicht schon alle Aufgaben erledigen sollen, die ich über unseren Aufenthalt hier bekommen hatte! Leider war ich einfach zu aufgeregt gewesen, meine Tante wiederzusehen, so dass ich die Zeit nicht anders hatte überbrücken können.
Die Insel durfte ich auch nicht alleine erkunden und alle waren beschäftigt! Naja, alle außer Ace, der zur Überraschung der restlichen Besatzung seinen Papierkram schon erledigt hatte. Ich hatte mitbekommen, dass er das wohl normalerweise vor sich her schob. Vermutlich hatte er die Berichte geschrieben, um nicht mit den Gedanken an unserem Gespräch hängen zu bleiben. Ich hatte auch versucht das Geschehene zu verdrängen, was nicht wirklich klappte. Es verging kaum eine Minute in der ich nicht daran dachte und wir würden uns auch nicht ewig aus dem Weg gehen können. Wir befanden uns immerhin auf einem Schiff, das bald wieder in See stechen würde.

Ich seufzte. Annabel war bei Whitebeard in der Kajüte und die Beiden redeten ununterbrochen über alles Mögliche miteinander. Sie waren zwar über die Teleschnecke in Kontakt geblieben seit meine Tante wieder in dieser Dimension war, aber anscheinend hatten sie dieses Kommunikationsmittel nicht all zu häufig genutzt.

Vielleicht konnte Ace ja wenigstens Eric von seinen Pflichten entbinden, damit wir uns zusammen die Insel ansehen konnten? Der Lilahaarige war erst etwa vor sechs Monaten beigetreten, nachdem seine Insel von der Marine und Piraten, die sich gegenseitig bekämpft hatten, zerstört worden war. Wie ich hörte war die Auseinandersetzung zwischen beiden Parteien sehr blutig gewesen und hatte mit vielen getöteten Zivilisten geendet. Whitebeard hatte sich eingeschaltet und sowohl die Marine als auch die Piraten vertrieben. Die Whitbeardpiraten hatten am wenigsten Schaden angerichtet und die Insel gehörte nun zu seinem Territorium. Erics sechs Jahre ältere Schwester war auch in die Piratenbande eingetreten, sie war allerdings in Izos Division. Getroffen hatte ich sie nur selten. Schade eigentlich. Sie schien nett zu sein...

Bevor ich es bemerkte war ich schon vor Ace zum Stehen gekommen. Der Schwarzhaarige saß mit ausgestreckten, überkreuzten Beinen an die Reling gelehnt und hatte sich seinen Hut tief ins Gesicht gezogen, während er vor sich hin döste. Der Golem kam trippelnd zu mir. Ich holte Luft und wollte ihn einfach fragen, aber ich stieß sie nur ohne einen Ton wieder aus. Plötzlich war ich unsicher ob ich überhaupt mit ihm reden durfte. Ich sollte mich ja von ihm fern halten...

Vom Himmel zu den MenschenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt