Kapitel 9 - Das Krea-Tief-Tal

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Die kühle Novembersonne stand hoch am Himmel, als Phobos und Riley an den steinernen Säulen ankamen, die die Pforte zum Krea-Tief-Tal bildeten. Die ehernen Wächter, die aufgestellt worden waren, um unwissende Reisende vom Betreten dieses öden und lebensfeindlichen Landstriches abzuhalten, waren verwittert, kaum mehr als die Ritter zu erkennen, die sie einst, vor fünfhundert Jahren, als sie errichtet worden waren, darstellen sollten. Ihre Gesichter waren verblasst, die feinen Details der Rüstungen zu einem unscheinbaren Einerlei verschwommen und doch standen sie da, hoch aufgerichtet, die steinernen Hände abgestützt auf ihren Schwertern und mit mahnender Funktion.

»Das ist das Beeindruckendste, was ich je gesehen habe«, murmelte Riley, als die beiden Reiter die riesigen Statuen passierten und durch die Pforte schritten, die wie ein Nadelöhr nur wenige Meter breit war.

»Ich glaube fast, die Figuren haben mehr Neugierige angelockt als abgehalten«, entgegnete Phobos mit Blick nach oben. Bereits von ihrem Standpunkt aus konnte man die häufig dicken und undurchdringlichen Wolken erkennen, die wie eine Decke über dem östlichen Teil des Tales lagen.

Jenseits des Pfades, den zu durchqueren einige Zeit in Anspruch genommen hatte und so still gewesen war, dass Riley einmal, nur um sich zu vergewissern, dass seine Ohren noch funktionierten, ein lautes »Hallo« ausgestoßen hatte, erstreckte sich das Krea-Tief-Tal mit all seiner trostlosen Herrlichkeit.

»Wow« war alles, was der junge Vampir angesichts der mit Steinen übersäten Geröllwüste herausbringen konnte. Bereits jetzt konnte man den unerklärlichen Sog spüren, der auf diesem Ort lag, der einem die Energie und die Lust raubte, sich überhaupt weiterzubewegen.

»Wir dürfen uns nicht davon mitziehen lassen«, sagte Phobos und Riley nickte nur.

»Wie reiten wir am besten?«

»Einfach in Richtung der Wolken dort. Die verdecken den Himmel über der steinernen Festung. Der Teufel muss seine Finger im Spiel gehabt haben, dass sie es am Abend der Fairieden nicht getan haben!«

»Womöglich meinte er, fünfhundert Jahre diese Einsamkeit zu ertragen, wäre Strafe genug?«

Phobos zuckte die Schultern. »Wer weiß das schon. Ihm kann es nur recht sein, wenn ein von Rache getriebener Reaper ihm Seelen bringt.«

Sie trieben ihre Pferde in einen scharfen Galopp und jagten über die Ebene, durch trostlose Wälder aus toten Bäumen, in deren dichtem Geäst Fledermäuse ihr Lager aufgeschlagen hatten und vorbei an längst vergessenen Siedlungen, bestehend aus den geisterhaften Ruinen alter Häuser, an deren Fenstern noch so mancher verschlissene Vorhang im Wind wehte.

»Ich bekomme eine Gänsehaut an diesem Ort«, murmelte Riley, als sie die Tiere langsamer über eine unebene Kopfsteinpflasterstraße gehen ließen.

»Ja, nicht? Als würde man das Jaulen der Geister in den steinernen Hüllen hören können, wenn der Wind hindurch geht.«

»Und das wurde alles zerstört, als die Festung in das Gebirge gezaubert wurde? Ein hoher Preis.«

»Die Menschen hier sind davon nicht getötet worden, falls das deine Sorge ist«, lächelte Phobos. »Der Verfall des Landes kam nicht von Jetzt auf Gleich. Aber der Zauber hat die Energie geraubt. Die Bewohner verließen das Tal, als die Ernten ausblieben. Und so blieben nur ihre Häuser als stumme Zeugen zurück.«

»Es ist dennoch traurig.«

»Ja. Da hast du Recht. Doch so öde dieser Flecken Erde jetzt ist, die Natur hat sich das, was einst ihr gehörte, zurückgeholt.«

Der trockene Sand, der überall zu sein schien; in der Luft, in jeder Ritze; hatte tatsächlich in Zusammenarbeit mit dem Wind ganze Teile von Häusern bedeckt, verschlungen und robustes, trockenes Gras hatte sich auf den Hügeln angesiedelt.

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