Kapitel 4

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Adams Sicht

Mary sitzt gerade auf der Terrasse, mit ihrem Laptop auf dem Schoß und macht wohl Buchhaltung, während ich ihre niedliche Falte auf der Stirn beobachte. Sie schien sehr angestrengt nach zu denken, denn sie erschrak als ich auf sie zu trat. Sie sah mir nun wieder in die Augen wie gestern und ich bewundere ihr strahlendes graublau. Dann wandte sie sich plötzlich wieder scheu ab. Sie war mir echt ein Rätsel, ein Rätsel das ich unbedingt lösen wollte.

< Wie kann ein Mensch so überzeugend selbstbewusst sein und im nächsten Moment bröckelt die Maske einfach und das kleine Mädchen in ihr scheint vorsichtig durch? >

Sie sah heute irgendwie traurig aus. Sie beugte sich wieder über ihre Bücher während ich ihr nun gegenüber saß. Ein Seufzen fuhr aus ihrer Kehle und sie raufte sich die Haare. Nun war ihr Zopf etwas aufgegangen, was ihre blonden Locken locker über ihre Schultern fallen ließ.

< Warum denke ich bitte so viel über diese Frau nach? Ich bin wohl einfach völlig untervögelt.>

Ich schüttelte den Kopf über meinen Gedanken und ging wieder zu Brandon der gerade die LKW-Karawane einwies. Einer der LKWs stellte gerade einen Wohncontainer für Brandon und mich ab. Wenn wir jetzt umziehen würden aus dem Gästezimmer in den Container, dann habe ich wenigstens etwas Abstand zu Mary. Vielleicht löst sich das dann ja von alleine und ich denke nicht mehr so viel nach.

So langsam geht es voran mit den Bauarbeiten. Wir hatten ja schon genug Material in den Hubschraubern mit gebracht, aber jetzt haben wir vor allem noch mehr Leute zur Verfügung. Das heißt das 150 Soldaten hier sind und 50 werden noch nachkommen wegen dem Schutz der Farm und weil wir die Bodentruppen noch aufstocken müssen. In drei Tagen werden die Baracken alle stehen, momentan schlafen die meisten in Zelten, nur Brandon und ich haben jetzt unseren Wohncontainer mit Büro und Telefon um mit England zu kommunizieren.

Wir beide schleppen gerade unsere Sachen aus dem Farmhaus in den Container als Mary protestiert. Sie war sofort von ihrer Buchführung aufgesprungen. << Ihr könnt ruhig weiter im Haus wohnen, dass ist doch gemütlicher. >> Ich drehte mich zu ihr, um ihr klar zu machen warum wir im Container wohnen. << Wir müssen dicht bei unseren Soldaten leben, sonst untergraben wir unsere eigene Autorität und sie tanzen uns auf der Nase rum. >> Damit gab sie sich murrend zufrieden, dabei huschte schon wieder ein Stück Traurigkeit über ihr Gesicht.

Ich frage mich was dieser unglaublich heißen Frau passiert ist, dass sie so eine geteilte Persönlichkeit hat? Sie kann so selbstbewusst und stark wirken, doch wenn man in ihre Augen sieht und sie genauer betrachtet, dann lugt hinter ihren gestrafften Schultern das kleine ängstliche Mädchen hervor. Sie stand immer noch vor mir und schmollte weil wir umzogen. Sie hatte ihre Unterlippe ein Stück vorgeschoben und die Arme unter der Brust verschränkt. < Oh Himmel, das Leben ist gemein. Setzt mir eine solche Schönheit vor die Nase und ich kann nichts mit ihr anfangen. > Denn das würde alles durcheinander bringen im Lager. Ich muss mich auf meine Arbeit konzentrieren. Aber das fiel mir gerade außerordentlich schwer denn mein Blick lag auf ihrem Dekolleté, das sie mit den Armen hoch schob. < Adam, beherrsch dich. >

Ich musste tief einatmen und schlucken. Als plötzlich Brandon nach mir rief, schüttelte ich nur den Kopf über mich selbst.

Die nächsten Tage vergrub ich mich einfach in Arbeit um nicht an Mary zudenken, aber mein Verlangen nach ihr wuchs mit jedem Tag an dem ich sie aus der Ferne auf ihrer Terrasse beobachtete. Ich hatte gestern mit Rafiki gesprochen und den Grund für ihre Traurigkeit erfahren. Sie machte sich Vorwürfe wegen der Verletzung von ihrem Pferd. Rafiki meinte, dass sie sehr an ihm hängt. Sie hätten wohl eine enge Bindung zueinander. Sie bestrafte sich selbst mit Büroarbeit, weil sie sich die Schuld für die Verletzung gab. Dabei konnte sie doch nichts dafür, dass die Rebellen auf ihr Pferd schossen. Ich hielt es nicht mehr aus und beschloss, sie etwas auf zu heitern.

Auf der Terrasse ließ ich mich neben sie in einen Sessel fallen. << Hey, wenn du weiter so die Stirn kraus ziehst beim Arbeiten, brauchst du bald Faltencreme. >> neckte ich sie mit einem Grinsen auf den Lippen. Sie lachte sich halb krank über meine Bemerkung und meinte dann << Na dann ist es ja gut das ich welche vorrätig hab. >> Ich sah sie entgeistert an. << Du hast nicht wirklich Faltencreme, oder? >> Denn sie würde sogar mit Falten gut aussehen.

Nun lachte sie sich wieder völlig kaputt und ich verstand gar nichts mehr. Was war denn jetzt so witzig? Unter Tränen vor Lachen brachte sie heraus << Natürlich nicht! Dein Gesichtsausdruck war einfach zu göttlich. >> Ich schüttelte lachend den Kopf, da hatte sie mich doch echt veräppelt. Aber ihr Lachen war es echt wert. Während ich das noch dachte, hörte ich mich plötzlich sagen << Du solltest öfter lachen. >> Sie sah mich erschrocken an als hätte ich sie angeschrien. Sie raffte schnell ihre Unterlagen zusammen und verschwand im Haus.

< Was hatte ich denn nun falsch gemacht? >

Marys Sicht

„Du solltest öfter lachen."

Seine Worte hallten immer wieder in meinem Kopf wieder, immer und immer wieder.

„Du solltest öfter lachen."

„Du solltest öfter lachen."

„Du solltest öfter lachen."

Genau das waren die Worte, die auch er damals vor so vielen Jahren zu mir gesagt hatte. Die Worte, mit denen das Verderben anfing, mein Verderben. Alte Bilder flammten in meinem Kopf auf. Von unseren glücklichen Zeiten und dann, der plötzliche Fall. Bilder davon, wie er mir alles nahm, was ich hatte. Alles was mir wichtig war.

Adam konnte natürlich nicht wissen, dass ich diese Worte fürchtete, wie andere Leute den Tod. Aber ich musste eben einfach weg. Ich kann diesen Satz auch nach so langer Zeit nicht ertragen. Jetzt sitze ich noch mit den Unterlagen in meiner Hand auf meinem Bett und starre aus dem Fenster, aber eigentlich bin ich gar nicht da. Ich bin nicht hier, in Sicherheit auf meiner Farm, sondern im London vor fünf Jahren. Meine Erinnerungen überwältigen mich und ich beginne stumm zu weinen. Damals hatte ich noch geschrien vor Trauer und Wut, aber heute hatte ich dazu keine Kraft mehr.

Ich wusste irgendwann nicht mehr, wie spät es war, aber es war schon dunkel geworden und meine Tränen waren auch versiegt. Ich legte die Unterlagen zur Seite und stand auf um in die Küche zu gehen. Dort traf ich natürlich Malaika. Ich musste schrecklich aussehen, denn sie zog mich plötzlich in eine enge Umarmung. Sie sagte nichts, sie nahm mich einfach nur in den Arm und das tat gerade wirklich gut.

Sie wusste nichts von meiner Vergangenheit. Das wusste niemand außer mir und Bill. Ich war Malaika dankbar, dass sie mich nicht drängte, mit ihr zu reden. Das hatte sie noch nie getan. Sie hielt mich immer noch einfach im Arm und strich mir über mein Haar. Sie war zwar meine Angestellte, aber wir haben eher ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Sie ist eine wirklich gute Freundin, schon fast ein bisschen mütterlich zu mir.

Wir lösten uns von einander und machten gemeinsam Abendbrot. Meine Gedanken wurden wieder klarer und ich kam wieder komplett in der Gegenwart an. Ich schob alles wieder zur Seite und setzte mich zu meiner Mannschaft an den Tisch. Wir waren wieder unter uns, denn die Soldaten aßen mittlerweile alle draußen in ihren Zelten.

Ich vermisste für einen kleinen Moment die Blicke von Adam, die wir immer während dem Essen ausgetauscht hatten. Doch den Gedanken ließ ich gar nicht erst wachsen. Es durfte nicht wieder passieren. Ich glaube zwar nicht, dass Adam mir so etwas antun würde, aber dafür glaubte ich gar nicht erst daran, dass dieser verboten heiße Adonis und perfekter Soldat etwas ernsthaftes von mir wollen könnte.

Wotans Wunde war jetzt nach über einer Woche wieder gut verheilt und ich könnte morgen wieder mit raus. Ich hätte zwar auch ein anderes Pferd nehmen können aber das tat ich aus Prinzip nicht. Seit Wotan mich damals bewusstlos mit einer riesigen Wunde zurück nach Hause getragen hat, war ich nie wieder ein anderes Pferd geritten. Ich hatte ihm mein Leben zu verdanken, denn ich war allein mit ihm raus geritten und hatte kein Handy dabei. Niemand hätte mich gefunden.

Aber jetzt überkam mich auch Freude, weil es Wotan wieder gut ging und wir morgen wieder als Team unserer Arbeit nachgehen würden.

Adam werde ich morgen einfach aus dem Weg gehen, auch wenn es gut tat, mit ihm zu lachen, vor allem seinem wunderschönen Lachen zu lauschen. Seine Nähe ist auf eine merkwürdige Art angenehm.

< Ob ich mich wirklich von ihm fernhalten kann? >

War and Harmony so close togetherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt