-'Kommst Du?'-

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Endlich war die Schule aus. Schnell eilte ich aus dem Klassenzimmer und hastete mit gesenktem Blick durch die Flure. Ich trat durch die großen Flügeltüren des Eingangsportals ins Freie. Schnell eilte ich zur Bushaltestelle und stieg in den Bus, der dort gerade hielt. Während der Fahrt steckte ich mir die Ohrstöpsel von meinem streng gehüteten Ipod in die Ohren. Musik war das einzige, was ich noch hatte. Der Ipod war mein ein und alles und ich sorgte dafür, dass mein Vater ihn nicht in die Finger Bekommen konnte. Beruhigend füllte die Musik die Stille. Die Leere in meinem Kopf. Meine Atmung beruhigte sich. Ich fühlte wie ich mich ein wenig entspannte.

In der Innenstadt stieg aus und lief den Rest des Weges zum Café 'Dreamdancer' zu Fuß. Als ich eintrat, schlug mir wie immer der Duft von frisch gebackenen Brötchen entgegen. Gemischt mit dem zimtigen Aroma des Chai Latte. Ich lief in das Personal zimmer und zog meine Kellnerschürze an. Dann begab ich mich zum Tresen, um mich anzumelden. Als Lissie mein Gesicht sah, seufzte sie nur. "Achte darauf es mit den Haaren zu verdecken, sonst verschreckst du noch unsere Gäste", wies sie mich an und ich nickte. Die nächsten anderthalb Stunden war ich damit beschäftigt, zwischen den Tischen herumzueilen und Bestellungen aufzunehmen, zu bringen und die Quittungen anzufertigen etc. Ich erhielt ein saftiges Trinkgeld von einer fetten Frau, deren Kinder den Tisch mit Zucker eingeschmiert hatten. Dankend steckte ich die ganzen zwanzig Euro ein. Endlich würde ich genug haben, um mir ein wenig neue Kleidung zu besorgen. Vielleicht sogar Schuhe. Denn meinen Gehalt nahm mir mein Vater ja regelmäßig weg. Er brauchte das Geld für seinen Alkohol. Erschöpft hängte ich bei Schichtende meine Schürze zurück an ihren Platz und verabschiedete mich von Lissie. Vor der Tür hatte sich eine kleine Menschenmenge um einen coolen Typen auf einem Motorrad gesammelt. Teilnahmslos lief ich vorbei, wurde aber plötzlich von diesem coolen Typen, der niemand anderes als Iano war, aufgehalten, da er von seiner Maschine heruntergesprungen war und mich am Ärmel festhielt. Zum dritten Mal am diesem Tag zuckte ich schmerzhaft zusammen und er ließ mich erschrocken wieder los.

"Kommst du?", forderte er mich auf. Zögernd folgte ich ihm zu seiner Harley Davidson und zog vorsichtig den Helm, den er mir reichte, über meine Haare. Dann setzte ich mich hinter ihn auf den teuren Ledersitz. Als er losbrauste, schlang ich unwillkürlich die Arme um ihn und lehnte meinen Kopf an seinen warmen Rücken. Der Fahrtwind ließ einige der unregelmäßig geschnittenen Haarsträhnen, die unter dem Helm hervorschauten, flattern. Ich genoss das Gefühl sogar ein wenig mit Volltempo durch die leeren Straßen zu brausen.

Schließlich waren wir im Viertel angelangt, wo die reichsten Leute der Stadt wohnten. Iano hielt auf eine riesige, weiß gestrichene Villa zu. Sie hatte ein spitzzulaufendes Dach mit schwarzen Ziegeln und riesige Fenster. Ein riesiger Garten, man konnte es eigentlich schon Park nennen, erstreckte sich ringsum die Villa. Wunderschöne, mächtige Kiefern, aber auch Schlanke Birken, deren Kronen im Wind rauschen, standen dort. Mir blieb der Mund vor Staunen offen stehen. Wir lebten zwar auch nicht im Armenviertel, obwohl wir kurz davorstanden, aber so einen Luxus hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Bisher war ich auch nie daran interessiert hierher zu fahren. Ich hatte ja keine Freunde, die hier wohnten. Genau genommen hatte ich gar keine Freunde. Die Kiesel des Kiesweges spritzen in alle Richtungen, als Iano mit mir auf das Haus zusauste. Kurz vor der Hauswand machte er eine Vollbremsung. Eine aufgeregte Frau kam aus dem Haus. "Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht im Volltempo über den Kiesweg fahren sollst! Letztes Mal hat der Gärtner 3 Stunden gebraucht um alles wieder vom Rasen einzusammeln. Iano zuckte mit den Schultern." Soll er doch! Wozu haben wir ihn denn sonst eingestellt?", entgegnete er locker. Seine Mutter verdrehte die Augen. Dann schaute sie mich an. "Du musst Alesha sein. Mein Sohn hat bereits erwähnt, dass du vorbei kommst." Ich nickte und erwiderte ihren herzlichen Händedruck. Dann folgte ich ihr und Iano ins Haus.

Cherry Tree Dreams (Fertiggestellt) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt